Langweilige Betonwüste, guter Name
Die Piazetta am Berliner Kulturforum heißt jetzt nach den jüdischen Mäzenen Johanna und Eduard Arnold

Die Nationalsozialisten taten ab 1933 alles, um Namen und Leistungen jüdischer Mäzene und Kunstsammler auszulöschen, so dass sie bis heute weitgehend aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwunden sind. Jetzt holt ein nach Johanna und Eduard Arnhold benannter Platz im Kulturforum an zwei bedeutende Förderer von Kunst und Wissenschaft.


Im Eingangsbereich der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel ehren die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz mit dieser Tafel den Namensgeber des neuen Eingangs- und Ausstellungshauses neben dem Neuen Museum. Aktuell wird hier eine Ausstellung über den afrikanischen Kontinent und seine lange Geschichte gezeigt. Unterirdisch gelangt man von der Galerie ins Neue Museum.
Über die jüdischen Sammler, Stifter und Mäzene wie James Simon (links) und Eduard Arnhold auf Bildern von Max Liebermann wurde nach 1933 ein Mantel des Schweigens gebreitet. Die Nazis tilgten ihre Namen in den Museen, pressten ihnen und ihren Familien Kunstwerke und Vermögen ab und setzten sie rassistischer Verfolgung aus. Da Simon und Arnhold noch vor der Errichtung der Nazidiktatur starben, mussten sie dieses schreiende Unrecht nicht erleben.

Wie die Weisen aus dem Morgenland bringen James Simon und seine Freunde - auf der Karikatur die Dreiergruppe links neben dem triumphierenden Kaiser Wilhelm II. - reiche Gaben. Um den Thron herum huldigen Militärs, Industrielle, Großgrundbesitzer und Künstler ihrem Beschützer.

Die von Simon und weiteren Mäzenen nach Berlin geholte Büste der altägyptischen Könige Nofretete im Neuen Museum auf der Museumsinsel wurde zur Ikone der Staatlichen Museen.

Es wird angenommen, dass die Goldmedaillone von Abukir anlässlich der mit Sport- und Kulturwettkämpfen verbundenen Alexanderspiele in Beroia an prominente Würdenträger, hohe Beamte und siegreiche Athleten vergeben wurden.

Eduard Arnhold wohnte mit seiner Familie in der vornehmen Regentenstraße 19 und hatte dort für seine Sammlung eine Galerie eingerichtet. Sein Freund, der Bildhauer, Maler, Grafiker und Medailleur Max Klinger 1906 um ein Exlibris für seine Bibliothek. Dargestellt ist eine Muse, die Wohltaten über das Land verstreut.

Nach James Simon ist das Galerie genannte Eingangsgebäude benannt. Von hier aus gelangt man in weitere Häuser auf der Museumsinsel.
Fotos: Caspar
Was wären die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz und andere Einrichtungen in Berlin ohne jene jüdischen Mäzene, die die Sammlungen in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik großzügig unterstützten und ihnen bedeutende Kunstwerke und Dokumente zukommen ließen? Reiche und kunstbegeisterte Unternehmer und Kaufleute, aber auch Bankiers und Pressezaren wie Johanna und Eduard Arnhold, Ludwig Darmstaedter, Rudolf Mosse, die Rothschilds, James Simon und viele andere hätten ihr Geld auch für ein aufwändiges Leben verprassen können, wie es von anderen Vertreter der Großbourgeoisie geführt wurde. Doch sie setzten es uneigennützig für karitative und kulturelle Zwecke ein, wurden als Wohltäter verehrt und verkehrten in allerhöchsten Kreisen.
Die bisher ziemlich langweilig gestaltete, aktuell aber umgestaltete als Piazzetta bekannte Betonwüste vor den Staatlichen Museen am Kulturforum wurde nach Johanna und Eduard Arnhold benannt, um an ihre besonderen Verdienste für Kultur und Wissenschaft zu erinnern. Die jüdischen Eheleute waren in der Kaiserzeit und während der Weimarer Republik bedeutende Kunstmäzene. Sie stifteten unter anderem die Deutsche Akademie Villa Massimo in Rom, die heute noch größte deutsche Kulturinstitution im Ausland. Für die Benennung des Platzes hatten sich besonders die Mitglieder des Vereins zur Erinnerung an Johanna und Eduard Arnhold e.V. eingesetzt. Er will damit auch an das zivilgesellschaftliche Engagement des jüdischen Bürgertums in Deutschland und Berlin erinnern.
Ehrendes Gedenken
Die Pflege des Andenkens an das Ehepaar Arnhold ist für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihre Museen Verpflichtung. Das gilt auch für die anderen Bewohnerinnen und Bewohner des ehemaligen Tiergartenviertels, die die Kunst und Kultur ihrer Zeit entscheidend geprägt und voran gebracht haben. Unter ihnen waren außer Johanna und Eduard Arnhold, der Mäzen und Sammler James Simon, der Maler Adolph Menzel und der Bildhauer Georg Kolbe, die Schauspielerin Tilla Durieux, Ehefrau des Galeristen Paul Cassirer, sowie der Unternehmer, Sammler und Mäzen Oscar Huldschinsky und dessen Sohn, der Architekt und spätere Filmausstatter Paul Huldschinsky. Zu nennen sind der Kaufhausgründer Georg Wertheim und der Bankier Ludwig Bamberger. Zum nachbarschaftlich und oft auch beruflich verbundenen Kreis um das Ehepaar Arnhold gehörten die Unternehmer und Politiker Emil und Walter Rathenau, der Kunsthistoriker Julius Meyer-Graefe, der Kunsthändler und Publizist Alfred Flechtheim und die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm.
Einen der wichtigsten Salons der Stadt, der Kultur und Gesellschaft zusammenbrachte, führte Felicie Bernstein, die gemeinsam mit ihrem Mann Carl Bernstein die im wilhelminischen Kaiserreich offiziell verfemten französische Impressionisten bereits kurz vor Arnholds eigener Initiative zu sammeln begann. Auch Harry Graf Kessler hatte im Tiergarten-Viertel seine Berliner Wohnung. Vor seinem Umzug an den Pariser Platz lebte und arbeitete hier der von Arnhold geförderte Maler Max Liebermann. Weitere Anwohner vor dem Ersten Weltkrieg: der Publizist und Herausgeber der avantgardistischen Zeitschrift „Der Sturm“ Herwarth Walden und seine später geschiedene Frau Else Lasker-Schüler.
Galerie und Skulpturenpark
Eduard Arnhold hatte durch den Handel mit schlesischer Steinkohle ein bedeutendes Vermögen gemacht und brachte es bis zum Aufsichtsratsvorsitzenden der Großen Berliner Straßenbahn und der Dresdner Bank. Kaiser Wilhelm II. berief ihn 1913 als ersten und einzigen Juden in das von Fürsten und Adligen besetzte Preußische Herrenhaus. Dass ihm der Adelstitel angeboten wurde, den er aber nicht haben wollte, ist eine in den 1920er Jahren entstandene, in der Forschung aber als unwahrscheinlich angesehene Legende. Zum Freundeskreis des Ehepaars Arnhold zählte Künstler wie Max Liebermann, Arnold Böcklin, Adolph Menzel und Louis Tuaillon. Er erwarb ihre Arbeiten sowie solche französischer Maler wie Manet, Monet, Courbet, Pissarro und Renoir. In seiner Villa Regentenstraße 19 im Tiergarten gab es einen Galerietrakt speziell für seine Sammlung. Auf seinem Gut in Hirschfelde bei Werneuchen (Land Brandenburg) schuf er einen Skulpturenpark mit Arbeiten zeitgenössischer Künstler sowie antiken Fundstücken aus Pompeji.
Der Berliner Baumwollhändler James Simon, der in der Tiergartenstraße 15 A wohne, stiftete Schulen, ein Schwimmbad und Waisenhäuser. Er schenkte den damaligen Königlichen Museen, von deren Generaldirektor Wilhelm von Bode beraten und stets von neuem ermuntert, Gemälde, Skulpturen, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Münzen und Medaillen und überließ ihnen auch die Büste der altägyptischen Königin Nofretete, die gleichsam zur Ikone der Berliner Museen wurde. Ludwig Darmstaedter vermachte der Preußischen Staatsbibliothek seine weltberühmte Sammlung von Handschriften, Johanna und Eduard Arnhold förderte Künstler der Moderne und ließen dem Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut, aus dem die heutige Max-Planck-Gesellschaft hervor ging, namhafte Beträge für Forschungszwecke zukommen. Sie und weitere Mäzene halfen bei Ankäufen und Restaurierungen und finanzierten archäologische Expeditionen. Ohne ihre Unterstützung hätte die Berliner Museums- und Wissenschaftslandschaft vor und nach 1900 kaum ihre Weltgeltung erlangt.
James-Simon-Galerie
Die Nationalsozialisten taten alles, um das Andenken an Simon und andere jüdische Mäzene und Sammler auszulöschen. Es dauerte Jahrzehnte, bis dieses schreiende Unrecht wieder gut gemacht wurde und man sich der Sammler und Stifter wieder erinnerte. So ist es nur recht und billig, dass das neue, nach Plänen von David Chipperfield gestaltete Eingangsgebäude für die fünf Häuser auf der Berliner Museumsinsel den Namen von James Simon erhält und auch eine kleine, im Sommer vielfach besuchte Grünfläche in der Nähe nach ihm benannt ist. Diese Namensgebungen sind eine späte Ehrenrettung für den jüdischen Weltbürger, dem die Berliner Museen nicht nur unermessliche Schätze verdanken, sondern die erste Volksbadeanstalt gründete. Simon hat die Bildung breiter Schichten gefördert und sozial Schwachen geholfen, so gut es ging. Er war ein Mann, der „für einen Gemeinsinn (stand), der 1933 gewaltsam zerstört wurde“, wie es auf der Erinnerungstafel heißt. Sie erinnert seit 2006 mit einem von Johannes Grützke gestalteten Bildnismedaillon an der heutigen Landesvertretung von Baden-Württemberg in der Tiergartenstraße 15 A daran, dass hier bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Villa Simon stand.
Der Mäzen Simon ist im Bode-Museum vormals Kaiser-Friedrich-Museum durch eine Büste neben dem Gobelinsaal präsent. In der ständigen Ausstellung des Münzkabinetts wenige Schritte weiter entfernt sind einige Goldmedaillone aus dem berühmten Fund von Abukir als herausragende numismatische Belegstücke für Simons Generosität ausgestellt. 1902 waren nördlich von Alexandria rund 600 Goldmünzen, 20 Medaillone und einige Barren ans Tageslicht kamen.
Geschenke an das Münzkabinett
Das Berliner Münzkabinett konnte mit Unterstützung von Simon und weiteren Sponsoren fünf der zwischen 48 und 60 Millimeter großen Kunstwerke kaufen. Ohne diese Hilfe hätte die Sammlung die erforderlichen 110 000 Goldmark (etwa 1,5 Millionen Euro) nicht aufbringen können. Simon hatte bei den Kaufverhandlungen die Initiative ergriffen und ein Konsortium von zehn Kunstfreunden gebildet, welches das zinslose Darlehen vorstreckte. Bei der Rückzahlung verzichtete Simon auf seinen Anteil. Außer diesen Zeugnissen antiker Münz- und Prägekunst überließ Simon dem Kabinett rund 400 Münzen und Medaillen als „Morgengabe“ dem 1904 eröffneten Kaiser-Friedrich-Museum und heutigen Bode Museum. In einem besonderen Raum können Stücke aus der James-Simon-Sammlung betrachtet werden.
17. Januar 2025