Goethe, Schiller und Münzfries für alle - Schadow Gesellschaft Berlin blickt erwartungsvoll in das kommende Jahr

Dr. Jan Mende, Autor eines neuen Buches über Leben, Werk und Wohnen von Karl Friedrich Schinkel, hat sich mit der Art und Weise befasst, wie vor und nach 1800 Büsten von Künstlern und Gelehrten als Abgüsse in Gips und Terrakotta unters Volk gebracht und wie auch die Werbung für sie ausgesehen hat.

Bei Johann Wolfgang von Goethe liegen Welten auseinander. Martin Klauers an antiken Vorbildern orientierte Porträtbüste von Johann Wolfgang von Goethe aus dem Jahr 1790 besteht aus bronzierter Terrakotta. 1823 hat Johann Gottfried Schadow Goethe ganz streng als Minister mit Frack und Ordensstern porträtiert. Foto links Staatliche Museen zu Berlin PK, Nationalgalerie, Fotoarchiv, Inv. B I 282

Christina Petersen überreichte der Restauratorin Saskia Mariam Sonntag eine Lübecker Schadow-Torte. Nach der Jahresversammlung gab es im Salon Wefelscheid noch einen gemütlichen Umtrunk - hier mit Prof. Lindemann, Dr. Petersen, Dr. Kaernbach und Dr. Hannesen.

In den Katakomben des Kreuzbergdenkmals wartet Schadows Münzrelief auf seine Wiedergeburt in der Spandauer Zitadelle. Der Schauraum der Bastion König wird so aussehen wie auf der Computergrafik.

Im ablaufenden Jahr veranstaltete die Schadow Gesellschaft Führungen durch die Königliche Porzellanmanufaktur, die Alte Nationalgalerie mit der Ausstellung „Camille Claudel und Bernhard Hoetger“ sowie einen Spaziergang rund um das Berliner Schloss mit Erläuterungen des ehemaligen Skulpturenschmucks sowie der jüngst auf die Attika gebrachten Sandsteinfiguren, die zum Schmuck fürstlichen Palästen gehörten.
Fotos: Caspar/Petersen
Wenn die 1993 gegründete Schadow Gesellschaft Berlin e. V. am Ende eines Jahres ihre Vollversammlung veranstaltet, wird nicht nur Bilanz gezogen und nach vorn geschaut. Es werden auch Vorträge über den Berliner Bildhauer, Grafiker und Akademiedirektor Johann Gottfried Schadow (1764-1850) und seine Zeit gehalten. Am 21. November sprach Dr. Jan Mende, Kurator des Knoblauchhauses bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin und Mitglied im Kuratorium der Schadow Gesellschaft Berlin, über das wenig bekannte, in die Zeit der Aufklärung und Empfindsamkeit vor und nach 1800 passende Thema „Goethe geht in Serie! Von Martin Klauer bis Johann Gottfried Schadow“. Darin vermittelte er Einsichten in den deutschen Kultur- und Kunstbetrieb vor über 200 Jahren und ging speziell auf den Weimarer Bildhauer Martin Klauer ein.
Ähnlichkeit, Kunst und Geschmack
Der Hofbildhauer und Kunstlehrer in Weimar Martin Klauer (1742-1801) schuf, dem Geist der Zeit folgend, Büsten Weimarer Klassiker mit Goethe und Schiller an der Spitze. Im 20. Band des „Teutschen Merkur“ schrieb der Dichter und Übersetzer Christoph Martin Wieland 1781: „Bey dem Fürstl. Hofbildhauer, Hr. Klauer, in Weimar, sind Gipsabgüsse der Abbildungen zu haben, welche derselbe von Herder, Göthe und Wieland, sowohl en Büste als en Medaillon vor kurzem nach dem Leben verfertigt hat. Wir sind Hrn. Klauer die Gerechtigkeit schuldig, zu gestehen, daß diese Abbildungen, sowohl was die Aehnlichkeit als was die Kunst und den Geschmack der Ausarbeitung betrifft, nichts zu wünschen übrig lassen, und in beyderley Betracht diesem geschickten Künstler Ehre machen.“
Indem Klauer seine Bildnisse, dem Geist der Zeit folgend, in Gips und Terrakotta vervielfältigte und in alle Himmelsrichtungen verkaufte, ebnete er ihnen den Weg in die guten Stuben des damaligen Lese- und Bildungsbürgertums. Jan Mende zeigte unter anderem die Illustration eines Buchs mit Goethes Werken, auf der die Musen einer Goethe-Büste huldigen. Bis dahin kannte man solche nur in fürstlichen Schlössern aufgestellten Herrscherbilder aus Marmor oder Bronze. Klauer war außer für den Weimarer Hof auch für breitere und weniger zahlungskräftige Kreise tätig. Er bewies, dass man mit solchen Nachbildungen auch wirtschaftlichen Erfolg haben kann.
Helden einer neuen Zeit
Die Vervielfältigung der Bildnisse machten Künstler und Gelehrten für ein breites Publikum „merkwürdig“, wie Friedrich Schiller formulierte. Die von Klauer und anderen Bildhauern geschaffenen, nicht selten an antiken Porträts orientierten Büsten waren preiswert zu haben. Mende berichtete, Klauers Arbeiten seien in dem damals viel gelesenen „Journal des Luxus und der Moden“ des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch annonciert worden, auch wurden 1792 und 1800 eigene Prospekte mit dem Titel „Beschreibung und Verzeichnis der Toreutica-Waare der Klauerschen Kunstfabrick zu Weimar“ gedruckt und verschickt.
Wie Jan Mende weiter an Landkarten demonstrierte, haben weitere Gips-, Ton- und Pappmaché-Produzenten antike Bildwerke, aber auch Büsten von Zeitgenossen „in Serie“ produziert und verkauft. Unter dem Motto „Goethe und Schiller für alle“ wurden Geistesgrößen und Künstler als Helden einer neuen Zeit sogar auf Jahrmärkten angeboten. Martin Klauer, der als Weimarer Hofbildhauer schlecht bezahlt wurde, hatte mit seinen Erzeugnissen ein gutes Einkommen.
Auch Johann Gottfried Schadow hat seine Goethe und andere Zeitgenossen betreffenden Büsten und Bildwerke in kleinen Serien aus Gips, Ton und Porzellan reproduziert und auf diese Weise national und international bekannt gemacht. Gut im Geschäft waren mit großen und kleinen Figuren auch die Königliche Porzellanmanufaktur und die Königliche Eisengießerei zu Berlin.
Gut verpackt von Kreuzberg nach Spandau
Mit dem Münzfries und seiner Restaurierung in der Bastion Königin der Spandauer Zitadelle geht es im Frühjahr 2026 los, sagte in der Jahresversammlung die stellvertretende Vorsitzende der Schadow Gesellschaft, Dr. Christina Petersen. Das berühmte, seit Jahrzehnten aber vergessene Bildwerk werde eines Tages in einen vorzeigbaren Zustand versetzt und für alle zugänglich sein. Sie dankte der Preußischen Seehandlung für eine vom Kuratoriumsmitglied Dr. Hans Gerhard Hannesen vermittelte Spende in Höhe von 9000 Euro. „Der Transport des 38teiligen Frieses aus Sandstein erfolge unter der Verantwortung des noch auszuwählenden Restaurators oder Restauratorin vom Kreuzbergdenkmal zur Spandauer Zitadelle im Frühjahr 2026. Die Schaurestaurierung in einem leer geräumten Gewölbe der Bastion Königin beginnt im Sommer 2026.“
Die Mittel für die eigentliche Restaurierung müssten noch beschafft werden, Spenden würden gern entgegengenommen. Die Schadow Gesellschaft stellt 110 000 Euro zur Verfügung. Die gesamte Maßnahme wird sich über mehrere Jahre erstrecken. Teile des restaurierten Frieses werden im Rahmen von Führungen und Veranstaltungen der Öffentlichkeit mit dem Ziel vorgestellt, dabei auch neue Mitglieder und Spender für die Schadow Gesellschaft Berlin e.V. zu werben.
Die Restauratorin Sonntag Saskia Mariam Sonntag bezeichnete in ihrem Vortrag den Zustand des noch in den Katakomben des Kreuzbergdenkmals vor sich hindämmernden Bildwerks im Großen und Ganzen als gut. Sie zeigte Bilder von Schadensstellen und solche mit größeren Substanzverlusten an Kanten und Ecken, hervorgerufen durch frühere Transporte und Umlagerungen, aber auch durch unsachgemäße Restaurierungen und Ergänzungen durch Zement. Frau Sonntag beschrieb das Vorgehen beim Transport von Kreuzberg nach Spandau und wie die 500 bis 800 Kilogramm schweren Reliefplatten vorsichtig mit Schaumstoff verpackt, transportiert und wieder ausgepackt und wie brüchige und lose Details geschützt werden sollen. Christina Petersen zufolge wird das Gewölbe in der Bastion Königin der Zitadelle beräumt. Mit ihrem Ehemann Knud Petersen hatte sie die dort befindlichen Spolien aus Marmor vermesse und registriert, so dass die Bruchstücke in angrenzende Räume umgelagert werden können.
Spenden und neue Mitglieder
Transport und Restaurierung des Münzfrieses wird die Schadow Gesellschaft 2026 und danach ganz und gar beschäftigen. Von der Beteiligung der zum Zuschauen eingeladenen Öffentlichkeit erhofft sie sich auch einen Zuwachs bei ihren Mitgliedern und Spenden von Privatpersonen und Institutionen. Geplant sind Vorträge in der Bastion König als Begleitprogramm zum „Münzfries“, so auch über die Frage, wie die Reliefs um 1800 an die Fassade der Königlichen Münze auf dem Werderschen Markt gelangten und welches Schicksal sie später hatten. Vorgesehen sind für 2026 eine Führung über den Dorotheenstädtischen Friedhof, auf dem Johann Gottfried Schadow und viele seiner Zeitgenossen bestattet sind, und ein Besuch des Potsdamer Palais Barberini mit der Ausstellung „Einhorn – Das Fabeltier in der Kunst“ und der Alten Nationalgalerie, wo „The Scharf-Collection“ gezeigt wird.
26. November 2025