Unfreiwilliger Umzug nach Berlin - Warum Karl Friedrich Schinkel die Feuersicherheit am Herzen lag



Karl Friedrich Schinkel und die Bildhauer Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch halten in der Friedrichswerderschen Kirche Wache. Die Staatlichen Museen zu Berlin zeigen in dem neogotischen Gotteshaus Skulpturen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.



Friedrich Wilhelm II. ließ die 1787 abgebrannte Stadt Neuruppin neu und schöner aufbauen. Die Bewohner errichteten 1828 ihm zu Ehren das von Christian Friedrich Tieck geschaffene Denkmal. Da es in DDR-Zeiten eingeschmolzen wurde, wurde 1993 auf dem Schulplatz eine Kopie aus Bronze aufgestellt. Neuruppin ehrte Schinkel mit einem von Max Wiese gestalteten Denkmal. Die in DDR-Zeiten beseitigte Architekturkulisse wurde wiederhergestellt.



Das von Max Wiese gestaltete Fontane-Denkmal wurde 1907 in den Neuruppiner Wallanlagen enthüllt.

  

Schinkels Werk, in dem der Klassizismus zur Blüte gebracht, aber auch die Gotik wiederentdeckt wurde, ist umfangreich und vielgestaltig. In Berlin blieben markante Bauten wie die Elisabethkirche und die Neue Wache Unter den Linden erhalten.

  

Schinkel hatte viel für das preußische Königshaus zu tun. Für die Prinzen Friedrich Wilhelm (IV.) und Carl gestaltete er deren Sommerschlösser Charlottenhof im Potsdamer Park Sanssouci und in Glienicke.



Beim Abriss des DDR-Außenministeriums Mitte der 1993er Jahre gefundene Schmucksteine könnten beim Wiederaufbau der Bauakademie gute Dienste tun.
Fotos/Repros: Caspar

Sein Aufstieg an die Spitze der preußischen Bauverwaltung
war kometenhaft, sein Fleiß immens, seine Ideen sprühend, sein Oeuvre kaum überschaubar und sein Nachleben bis heute gewaltig. Preußens oberster Baumeister Karl Friedrich Schinkel, von dem hier die Rede ist, wurde am 13. März 1781 in Neuruppin als Sohn eines Geistlichen geboren, wuchs aber in Berlin auf und wurde im Gymnasium zum Grauen Kloster ausgebildet. Dass die Familie die märkische Garnisonstadt verlassen musste, hat mit einem verheerenden Brand am 26. August 1787 zu tun. An jenem Sonntag wurden in sieben Stunden zwei Drittel aller Wohnhäuser in Schutt und Asche gelegt. Vernichtet wurden auch das Rathaus, alle Schulen und die Kirchen, von der Klosterkirche abgesehen.
König Friedrich Wilhelm II., der Nachfolger Friedrichs II., des Großen, versuchte, durch Bereitstellung beträchtlicher Mittel die schlimmste Not zu lindern. Auf Staatskosten ließ er die Stadt nach einem Plan des Neuruppiner Bauinspektors Bernhard Matthias Brasch großzügig und feuersicher, wie man sagte, aufbauen. Noch heute kann man die Regelmäßigkeit der Straßen und Plätze sowie die Einheitlichkeit der Fassaden sehen, die die Stadt mit ihren weiten Plätzen und breiten Straßen so sympathisch machen.

Vater starb nach dem Stadtbrand
Auf tragische Weise verlor Schinkels Vater, Superintendant Johann Schinkel, bei jenem Stadtbrand sein Leben. Theodor Fontane, der am 30. Dezember 1819 als Sohn eines Apothekers in Neuruppin geboren wurde, berichtet in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ (Kapitel Grafschaft Ruppin), er sei an den Folgen der Überanstrengung beim Laufen während des Brandes von einem Ort außerhalb der Stadt gestorben. Die Familie hatte ihren Ernährer, wie man sagte, verloren .Ihr Haus fiel den Flammen zum Opfer. Die Mutter musste mit ihren drei Kindern ins Predigerwitwenhaus umziehen, das vom Brand verschont geblieben war.
Für die Hinterbliebenen des Geistlichen hatte der Stadtbrand über den tragischen Verlust des Vaters hinaus einschneidende soziale Folgen. 1795 zog die Familie nach Berlin, und Karl Friedrich wurde Schüler des Grauen Klosters. In der preußischen Hauptstadt begann seine berufliche Laufbahn erst als Maler und dann als Baubeamter, Architekt, Designer und Vater der preußischen Denkmalpflege, die ihn bis an die Spitze der preußischen Bauverwaltung brachte.

Das Schöne flieht, das Gute bleibt
Ob das traumatische Erlebnis des Brandes und die Wiederaufbaumaßnahmen in seiner Heimatstadt Schinkel dazu führten, sich dem Bauwesen zuzuwenden, bleibt Spekulation. Dass ihm aber bei seinen Bauwerken und Stadtplanungen die Feuersicherheit stets am Herzen lag, ist unbestritten. Bei der Errichtung des damals innen noch mit Kerzen beleuchteten Schauspielhauses auf dem Berliner Gendarmenmarkt über den Fundamenten des 1817 abgebrannten Vorgängerbaues bestand Schinkel auf Vorsichtsmaßnahmen und der Einrichtung eines Eisernen Vorgangs, der im Fall eines Brandes die Bühne vom Zuschauerraum trennte. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe schrieb zur Eröffnung am 26. Mai 1821 einen Prolog, in dem es heißt: „Es steht und übertrifft mein Wollen hundertmal / Ich dachte mir's, doch mit bescheidnem Hoffen, / Verwandte Kunst, sie hat mich übertroffen. […] / Empfangt das Schöne, fühlt zugleich das Gute, / Eins mit dem andern wird euch einverleibt; / Das Schöne flieht vielleicht, das Gute bleibt.“ Schinkel blieb dem Festakt fern, doch die begeisterten Zuschaue zogen vor sein Haus Unter den Linden und jubelten ihm zu.

Wanderungen durch die Mark Brandenburg Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 181
9 in Neuruppin geboren und blieb seiner Heimatstadt und der Mark Brandenburg Zeit seines langen Lebens treu. In seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ schrieb er, Schinkel habe sich nicht die Mühe gemacht, hat seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Der Vater habe für seinen Sohn allerlei Dinge gezeichnet, namentlich Vögel. „Der kleine Schinkel saß dann dabei, war aber nie zufrieden und meinte immer, ,ein Vogel sehe doch anders aus.' Sein Charakter nahm früh ein bestimmtes Gepräge an; er zeigte sich bescheiden, zurückhaltend, gemütvoll, aber schnell aufbrausend und zum Zorn geneigt. Eine echte Künstlernatur. Auf der Schule war er nicht ausgezeichnet, vielleicht weil jede Art der Kunstübung ihn von früh auf fesselte und ein intimes Verhältnis zu den Büchern nicht aufkommen ließ. Seine musikalische Begabung war groß; nachdem er eine Oper gehört hatte, spielte er sie fast von Anfang an bis zu Ende an auf dem Klavier nach. Theater war seine ganze Lust. Seine ältere Schwester schrieb die Stücke, er mahlte die Figuren und schnitt sie aus. Am Abend gab es dann Puppenspiel.“
Auf der Berliner Schule, dem Grauen Kloster, sei es dem jungen Schinkel mit dem Lernen nicht „glänzend“ ergangen, fährt Fontane fort,.die Kunst habe ihn bereits in ihren Bann gezogen. (...) Dass er die Kunst und nur ihr angehörte, dieses Bewusstsein kam ihr erst später“.

Dienstreisen ins Ausland
Von den renommierten Berliner Architekten Friedrich Gilly senior und Friedrich Gilly junior ausgebildet und zunächst malend tätig, war der vielseitige Künstler als Geheimer Oberbaurat und Oberlandesbaudirektor vor allem für den preußischen Staat und die königliche Familie tätig. Dass er sich so glänzend entfalten konnte, liegt sicher auch an der Förderung, die ihm durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., zuteil wurde. Zwischen beiden gab es Seelenverwandtschaften, denn der „Romantiker auf dem Thron“ genannte Hohenzoller fühlte sich zum Architekten berufen und sorgte dafür, dass Schinkel volle Auftragsbücher erhielt. Dieser unternahm Dienstreisen ins Ausland, um seinen Horizont zu erweitern und aus den Eindrücken von dort Nutzen für das Bauwesen in Preußen zu ziehen. Seine mit Zeichnungen geschmückten Aufzeichnungen sind wichtige Quellen für das Denken und die Arbeitsweise dieses Ausnahmekünstlers.
Viele Schinkel-Werke gingen im Zweiten Weltkrieg unter, so etwa Palais preußischer Prinzen in der Wilhelmstraße und das Zivilkasino in Potsdam. Zerstört sind auch Räumlichkeiten, die Schinkel für die Hohenzollern im Berliner Schloss umgestaltet hat. Fast wäre die im klassizistischen Stil erbaute Elisabethkirche an der Invalidenstraße verloren gegangen. Doch konnte die Kriegsruine gerettet und in einen Veranstaltungsraum umgewandelt werden.

Neue Wache stand auf der Kippe
In den frühen DDR-Zeiten stand auch die Neue Wache Unter den Linden auf der Kippe. Die in der späten Weimarer Zeit als Reichsehrenmal genutzte und von Hitler für monströse Heldengedenkfeiern missbrauchte Unterkunft der Schlosswache sollte nach dem Wunsch kommunistischer Bilderstürmer der Spitzhacke zum Opfer fallen. Doch wurde das zum Glück wurde verhindert. Die schwer beschädigte Wache wurde 1951 bis 1957 aufgebaut und in ein Mahnmal für die Opfer des Faschismus und des Krieges umgewandelt. Bis zum Ende der DDR fand vor ihr die Wachablösung des Stasi-Regiments Feliks Dzierzynski statt, das nach dem „Gründer und Leiter der bolschewistischen Geheimpolizei Tscheka und deren Nachfolgeorganisation GPU“ (Wikipedia) benannt war.
Seit 1993 ist der tempelartige Bau Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Berühmte Schinkelbauten in der Mitte der Stadt sind das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt, heute bekannt als Konzerthaus, das Kronprinzenpalais und das Alte Museum am Lustgarten, das 1830 eröffnet wurde. Dazu kommt die der Neogotik verpflichtete Friedrichswerdersche Kirche, in der Werke der Berliner Bildhauerkunst von 1800 bis 1850 zu sehen sind und Schinkel sowie die Bildhauer Schadow und Rauch, in Marmor gemeißelt, Wache halten. Zu nennen sind die Schlossbrücke mit acht überlebensgroßen Marmorgruppen als Hommage an die Helden der Befreiungskriege und das aus gleichem Anlass errichtete Kreuzbergdenkmal, ferner das klassizistische Humboldt-Schlösschen in Tegel, ferner das von Gentz erbaute und von Schinkel veränderte Königsmausoleum. Hinzu kommen der Schinkel-Pavillon im Park Charlottenburg, das Schloss Glienicke und weitere Bauten im Park des Prinzen Carl von Preußen und das Schloss Charlottenhof, das im Park von Sanssouci für den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., erbaut wurde.

Warten auf die Bauakademie
Noch nicht aufgebaut ist Schinkels Bauakademie. Der stark beschädigte Backsteinbau am Schinkelplatz nicht weit von der Straße Unter den Linden sollte nach dem Krieg aus Ruinen auferstehen. Alle Vorbereitungen waren schon getroffen, doch dann musste der „rote Kasten“, wie die Berliner despektierlich zu Schinkels Arbeits-, Wohn- und – im Jahre 1841 – auch Sterbeort sagten, in den 1960er Jahren dem riesigen DDR-Außenministerium weichen. Seit dessen Abriss in den 1990er Jahren wird für den Wiederaufbau am alten Ort geworben. Die Bundesstiftung Bauakademie setzt sich dafür ein. Doch wie der Bau am Ende aussieht und welches „Innenleben“ er haben wird, steht noch in den Sternen. Beim Abriss geborgene Steine, Reliefs und weitere Spolien würden die originalgetreue Rekonstruktion der Fassade möglich machen.
Bei den sich seit zwei Jahrzehnten hinziehenden Debatten und Planungen ist der politische Wille gefragt, doch scheint es trotz gegenteiliger Bekundungen an ihm zu fehlen. In der „neuen“ Bauakademie wäre, wie schon nach dem Tod des Meisters m1841, ein Schinkel-Museum einzurichten. Zwar wird in Berliner Sammlungen und Galerien an Schinkel erinnert, es fehlt jedoch noch der Ort, wo das allumfassend und angemessen geschieht. Die Bauakademie wäre dafür bestens geeignet.

12. November 2025