"Tageslichtarchitektur wie aus dem Lehrbuch"
Dänische Stiftung spendiert eine Million Euro für Restaurierung im Staatsratsgebäude in Berlin



Die 2002 von deutschen Unternehmen und Verbänden gegründete European School of Management and Technology Berlin bildet Nachwuchswissenschaftler aus und besitzt das Promotionsrecht. Ihr Sitz ist das ehemaligen Staatsratsgebäude Schlossplatz 1 in Berlin, nur wenige hundert Meter vom Humboldt Forum entfernt.



Streng von der DDR-Bevölkerung und von der Stasi-Leuten abgeschirmt, hat die DDR-Elite im Staatsratsgebäude (hier die Gartenfront) sich selbst gefeiert.



Das Staatsratsgebäude war der DDR-Führung so wichtig, dass es zum Motiv der 500-Mark-Scheine bestimmt wurde. Allerdings haben Normalbürger kaum eine solche Banknote nie besessen.



Das Staatsratsgebäude ist eine bemerkenswerte Kombination von Alt und Neu. An der Fassade prangt das sogenannte Liebknecht-Portal, eine Kopie der barocken Vorlage vom 1950 abgerissenen Berliner Schloss.



Von der Sieghaftigkeit des Sozialismus erzählen und ein schönes Leben im Arbeiter-und-Bauen-Staat feiern die von Walter Womacka gestalteten Glasfenster im Treppenhaus des unter Denkmalschutz stehenden früheren Staatsratsgebäudes.



Die bunte "Bauchbinde" rund um das Haus des Lehrers am Alexanderplatz wurde von Walter Womacka gestaltet.



Vor einiger Zeit wurde das Pressecafé aus DDR-Zeiten saniert und restauriert. Der bunte Fassadenschmuck nach einem Entwurf von Willi Neubert verschwand nach 1990 hinter Brettern und kam erst jetzt wieder ans Tageslicht.

Fotos: Caspar

Die dänische Villum Foundation
unterstützt die vor 40 Jahren gegründete Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) bei der denkmalgerechten Sanierung des ehemaligen Staatsratsgebäudes am Berliner Schlossplatz mit einer Million Euro. Professor Jörg Rocholl, Präsident der im ehemaligen Amtssitz von Walter Ulbricht und Erich Honecker in Sichtweite des Humboldt Forums untergebrachten European School of Management and Technology (ESMT Berlin), freut die die gute Nachricht. Die Villum Foundation engagiert sich bei Projekten, bei denen denkmalpflegerische Architektur und Tageslicht eine herausragende Rolle spielen. Der Name des weltweit agierenden Unternehmens setzt sich aus VE für Ventilation und LUX für Licht zusammen.
In DDR-Zeiten fanden im Staatsratsgebäude festliche Empfänge für Staatsgäste, die Akkreditierung von Botschaftern, Ordensverleihungen und Ansprachen anlässlich der Gründung von Festkomitees und internationalen Konferenzen. Bei der Gründung des Thomas-Müntzer-Komitees am 19. Januar 1989 erklärte SED- und Parteichef Erich Honecker: „Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe nicht beseitigt werden.“ Das war für zahlreiche DDR-Bewohner Anlass, irgendwie und unter großer Lebensgefahr den Arbeiter-und-Bauern-Staat, wie die DDR sich selber nannte, zu verlassen. Es dauerte nicht einmal ein Jahr, bis das SED-Regime im Orkus der Geschichte verschwunden war. Damit war auch das Schicksal des Staatsratsgebäudes besiegelt, das nicht abgerissen wurde wie später der Palast der Republik, sondern über mehrere Zwischennutzungen Standort einer angesehenen Hochschule wurde.

Tageslicht und frische Luft
1941 hatte der dänische Unternehmer und Erfinder Villum Kann Rasmussen die Idee, dunkle Dachböden in Lebensräume voller Tageslicht und frischer Luft zu verwandeln. Seit mehr als 80 Jahren schafft die VELUX Gruppe mithilfe von Tageslicht und frischer Luft bessere Lebensbedingungen für Menschen überall auf der Welt mit dem Ziel, Wohn- und Arbeitsräume zu verändern, das Wohlbefinden zu steigern und ein gesundes Raumklima zu schaffen. Die Velux Foundation betont, die historischen Oberflächen der repräsentativen Räume im ehemaligen Staatsratsgebäude würden „in bestechender Weise“ mit dem Lichteinfall durch die bis zu 10 Meter hohen Fenster der Schlossplatzfassade korrespondieren. Das sei Tageslicht-Architektur wie aus dem Lehrbuch.
Als in den frühen neunziger Jahren über das weitere Aussehen der Berliner Mitte diskutiert wurde, war es für viele Politiker, Stadtplaner und Architekten selbstverständlich, dass Parlament und Regierung in Neubauten residieren sollen. Ungeliebte Gebäude aus der Nazizeit und 40 Jahren DDR wollte man abreißen. Ein damals preisgekrönter Entwurf des Architekten Bernd Niebuhr zum Spreeinsel-Wettbewerb von 1994 sah ein ovales „Kulturschloss“ an Stelle des Palastes der Republik, sowie den Abriss des DDR-Außenministeriums und des Staatsratsgebäudes sowie den Durchbruch der Brüderstraße bis zum Schlossplatz und andere gravierende Veränderungen vor. Im gleichen Jahr fasste die Bundesregierung jedoch den Beschluss, die Verfassungsorgane überwiegend in bisherigen Regierungsbauten unterzubringen, die fast alle im Ostteil der Stadt stehen.

Lob des Sozialismus
Abbruchpläne größten Stils wurden aufgegeben, sicher weniger aus Liebe zu den baulichen Zeugnissen zweier Diktaturen sondern aus ökonomischen Erwägungen. Denn Abriss und Neubau hätte zusätzliche Milliarden verschlungen, und außerdem hätte diese Prozedur den Umzug von Parlament und Regierung weiter verzögert. Von den Abrissplänen, die auch das ehemalige Reichsluftfahrtministerium an der Leipziger Straße, nach dem Krieg Haus der Ministerien der DDR und heute Bundesfinanzministerium, einschlossen, wurde lediglich die Beseitigung des Palasts der Republik und des riesigen DDR-Außenministeriums verwirklicht. Hier soll eine Kopie von Schinkels Bauakademie errichtet werden, doch ist mit dem Bau trotz schöner Bekenntnisse aus Politikermund bisher nichts geschehen. Erhalten blieb das Haus des Lehrers mit seinem wie eine knallbunte Bauchbinde wirkenden Mosaik, das ebenfalls von Walter Womacka gestaltet wurde und wie die Glasfenster im Staatsratsgebäude die Errungenschaften des Sozialismus über den grünen Klee lobt.
Das Amt des Vorsitzenden des Staatsrates war nach dem Tod des DDR-Staatspräsidenten Wilhelm Pieck im September 1960 von der Volkskammer beschlossen worden. Seine 16 Mitglieder wurden alle fünf Jahre neu gewählt, doch das war nur eine Formalie. Laut DDR-Verfassung gehörte zu den Aufgaben des Staatsrates die völkerrechtliche Vertretung der DDR, die Ratifizierung und Kündigung von Staatsverträgen sowie die Ausschreibungen von Wahlen zu den Volksvertretungen aller Ebenen. Der Vorsitzende des Staatsrates war zugleich das Staatsoberhaupt der DDR. Zunächst hatte das Amt Walter Ulbricht (1960 bis 1. August 1973) inne. Es folgten Willy Stoph (bis Oktober 1976), Erich Honecker (bis 18. Oktober 1989), Egon Krenz bis Dezember 1989 und Manfred Gerlach bis März 1990. Die letzte Volkskammer beschloss nach ihrer Wahl im März 1990 den Staatsrat nicht mehr zu besetzen. Seine Aufgaben wurden der Präsidentin der Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, übertragen.

Die Stasi las immer mit
Das Portal des Staatsratsgebäudes ist eine Kopie der barocke Bildhauerarbeit vom 1950 abgerissenen Berliner Schloss. Es erinnert an den Führer der deutschen Linken und Begründer der KPD Karl Liebknecht, der am 9. November 1918 vom Balkon die sozialistische Republik ausgerufen hatte. Zwei Stunden später verkündete der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die freie deutsche Republik. Die Dimensionen des Schlossportals bestimmte auch die Höhe und Länge des Staatsratsgebäudes. Ursprüngliche Planungen der frühen DDR-Zeit hatten ein riesiges „Haus des Volkes“ nach dem Vorbild Moskauer Stalinbauten vorgesehen. Der Monumentalbau schrumpfte zum Palast der Republik zusammen, der zwischen 1998 und 2003 abgerissen wurde.
Dem Staatsrat und seinen angeblich aus allen Klassen und Schichten stammenden Mitgliedern oblag es, die Pläne der SED-Führung abzunicken und ihnen so ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen. Ulbricht und seine Nachfolger stimmten sich selber zu und nannten das Verfahren einen demokratischen Vorgang. Bedeutung erlangte die neben dem Staatsrat angesiedelte Eingabestelle, die zahlreiche Beschwerden und Hinweise der DDR-Bewohner etwa zur Versorgung, Wohnungsfragen, Benachteiligungen am Arbeitsplatz aus politischen Gründen, Wahlfälschung und Ausreiseanträge betrifft, bearbeitete. Die Stasi las immer mit, und wer sich in seiner Eingabe „feindlich-negativ“ äußerte, bekam es mit Mielkes Geheimdienst und der Justiz zu tun.
Das aus DDR-Zeiten stammende Interieur des unter Denkmalschutz stehenden Staatsratsgebäudes ist zum großen Teil erhalten. Nicht angetastet wurden die farbigen Glasgemälde im Treppenhaus. Zu diesem seinem Werk schrieb der Maler Walter Womacka: „Unter dem Leitgedanken ,Der Sozialismus siegt’ konnte ich die kampferfüllte Geschichte der deutschen Arbeiterklasse, angefangen vom 9. November 1918, den denkwürdigen Tag, an dem Karl Liebknecht im Lustgarten die erste sozialistische Republik Deutschlands ausrief, bis zum endgültigen Sieg seiner kühnen Idee in einem Bild zusammenfassen“. Die Naivität der sozialistisch-realistischen Darstellung verblüfft, ebenso die unbekümmerte Verherrlichung der jüngeren deutschen Geschichte als eine ununterbrochene Folge von Siegen der Arbeiterklasse und ihrer alles bestimmenden und allwissenden Partei, der SED. Der ehemalige Sitzungsaal im ersten Stockwerk und der darüber liegende Kinosaal werden nun mit allen historischen Oberflächen und aufwändig gestalteten Elementen des Rauminventars restauriert und behutsam für den Hochschulbetrieb hergerichtet. DSD-Vorstand Dr. Steffen Skudelny erklärt, es sei ebenso erfreulich wie ungewöhnlich, „dass es uns gelingt, eine so substanzielle Förderung aus einem europäischen Nachbarland hierher nach Berlin zu lenken. Gerade in einer Zeit, in der die DDR-Moderne immer wieder zur Disposition steht, freuen wir uns über die Rettung des qualitätvollsten Zeugnisses dieser Stilepoche und beteiligen uns gerne mit zusätzlichen Stiftungsmitteln sowie weiteren zweckgebundenen Spenden.“

21. Mai 2025