Heilige Allianz gegen Demokratie
Siegreiche Monarchen versuchten nach 1815, das Rad der Geschichte zurückzudrehen

Preußens König Friedrich Wilhelm III., seine Gemahlin Luise und Zar Alexander I. beschworen 1805 am Grab Friedrichs des Großen in der Potsdamer Garnisonkirche einander ewige Freundschaft. Ein Jahr später hatte sich das Blatt gewendet. Da überlegte Kaiser Napoleon I. am gleichen Ort, was wäre, wenn der hier bestattete Preußenkönig noch leben würde und Preußen bei Jena und Auerstedt nicht verloren hätte.

Drei Monarchen beschwören in mittelalterlicher Kulisse die 1815 beschlossene Heilige Allianz.

Polizeispitzel haben überall ihre Augen und Ohren, und sie berichten der Obrigkeit, was die Leute denken und tun und ob sie die „Liebe“ ihrer Herrscher verdienen.

Beim Niederreißen der Handel und Verkehr behindernden Zollschranken gab es im Deutschen Bund nach den Befreiungskriegen Erfolge, aber nicht bei der Übertwindung der elenden Kleinstaaterei.

Das dem Turnvater Friedrich Ludwig Jahn gewidmete Denkmal in der Berliner Hasenheide ist ein Werk von Erdmann Encke und wurde 1872 von der Deutschen Turnerschaft eingeweiht.

Im frühen 19. Jahrhundert wurde da Turnen in Hallen und unter freiem Himmel von der Polizei und Justiz misstrauisch beobachtet und, wo es möglich war, mit drastischen Mitteln unterbunden.
Fotos/Repros: Caspar
Preußens König Friedrich Wilhelm III. und Zar Alexander I. taten vor und nach 1800 viel, um die Beziehungen zwischen Berlin und Sankt Petersburg zu festigen. Sie hatten einen gemeinsamen Feind - das republikanische und ab 1804 das kaiserliche Frankreich. Äußerlicher Ausdruck der Wertschätzung war im Oktober 1805 beim Besuch des Zaren die Umbenennung des Berliner Ochsenmarktes in Alexanderplatz. Die Treuebekundungen waren in der napoleonischen Zeit manchen Prüfungen unterlegen, hielten aber. So war es der Fürsprache des russischen Zaren bei den Friedensverhandlungen in Tilsit (1807) zu danken, dass Preußen nach dem verlorenen Krieg gegen Frankreich nicht ganz von der Landkarte verschwand. Als Russland 1812 von Napoleons Soldaten heimgesucht wurde, schlossen im Winter 1812/13 preußische und russische Generäle in Tauroggen gegen den Willen Friedrich Wilhelms III. ein Neutralitätsabkommen, das den Russen den Weg nach Preußen frei macht. Zehn Monate später triumphierten preußische, russische, österreichische und andere Truppen in der Leipziger Völkerschlacht über Napoleon I. und sein Heer. Und schon bald wurde das im Wiener Kongress wiederhergestellte und um sächsischen und rheinischen Landbesitz vergrößerte Preußen in den Klub der europäischen Großmächte aufgenommen. Die russisch-preußischen Beziehungen erhielten eine neue Dimension.
Krönung dieser Entwicklung war die 1817 prunkvoll gefeierte Hochzeit der preußischen Prinzessin Charlotte (Alexandra Feodorowna) mit dem russischen Großfürsten und ab 1825 Zaren Nikolaus I. Im Vorfeld hatten russische und preußische Künstler alle Hände voll zu tun, um kostbare Hof- und Hochzeitsgeschenke anzufertigen. In Berliner und Potsdamer Schlössern und solchen in Sankt Petersburg sind die Ehrengaben aus Silber, Porzellan und anderen Materialien ausgestellt. Sie erinnern an eine glanzvolle, aber auch mit vielen Schattenseiten behaftete Epoche, in der sich der Geist der Opposition ungeachtet zahlreicher Zwangsmaßnahmen nicht unterdrücken ließ.
Die engen Verbindungen zwischen den Hohenzollern und den Romanows kamen nicht von ungefähr. Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 hatten sie eine klare politische Stoßrichtung – die entschiedene Abwehr von antifeudalen, freiheitlichen Bestrebungen in beiden Ländern und in anderen europäischen Regionen. Bereits 1815 schlossen Zar Alexander I. und der österreichische Kaiser Franz I.sowie Friedrich Wilhelm III. von Preußen die Heilige Allianz zur Bewahrung der bestehenden dynastischen Ordnung sowie zur Niederschlagung nationaler Unabhängigkeitsbestrebungen in Polen, Italien und weiteren Ländern. Alles,was nur entfernt nach Änderung der bestehenden Ordnung, Umsturz und gar Revolution roch, wurde brutal unterdrückt. Wer in Deutschland die elende Kleinstaaterei und Fürstenherrschaft abschaffen und die staatliche Einheit herstellen, wollte, kam ins Gefängnis, erhielt Berufsverbot und wurde mundtot gemacht. Es galt das vom preußischem König Friedrich Wilhelm IV. ausgegebene Motto „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“. Viele von denen, die sich nicht unterordnen wollten, ergriffen die Flucht und wanderten aus. Vor allem die USA profitierten von dieser Bewegung, während der bevölkerungspolitische Aderlass die betroffenen Länder schwer traf. Auf die Idee, auf Privilegien zu verzichten und eine den Völkern dienliche Politik zu betreiben., kamen die herrschenden Cliquen nicht. Wer aber dergleichen anmahnte, bekam ihre ganze Wut zu spüren
Verschärft wurde diese Politik durch die vom österreichischen Staatskanzler Metternich inspirierten Karlsbader Beschlüsse von 1819, die eine groß angelegte „Demagogen“-Verfolgung und die Knebelung des freien Geistes in Gang setzte. Während auf der einen Seite, um nur bei Preußen zu bleiben, Kunst, Kultur, Wissenschaft und Technik, vertreten durch die Brüder Humboldt und die Beuth, Hegel, Schadow, Schinkel, Tieck und d e Brüder Grimm aufblühten, wurden auf der anderen Seite kluge und weitsichtige Köpfe ins Gefängnis gesteckt, mundtot gemacht oder des Landes verwiesen. Beim Anblick der erstklassigen Kunsterzeugnisse dieser Zeit, der Zeit der industriellen Revolution, sollte nicht übersehen werden, dass ihnen großes Elend in breiten Volksschichten, Hungersnöte und Epidemien gegenüber standen.
Unvorstellbar ist für heute, dass damals auch das Turnen auf dem Index stand und der „Turnvater“ Friedrich Ludwig Jahn und seine Freunde landesverräterischer Umtriebe bezichtigt und bespitzelt wurden. Der in Berlin tätige Pädagoge hatte mit Karl Friedrich Friesen in der Hasenheide, damals noch vor den Toren von Berlin, mit seinen Gymnasiasten regelmäßige Leibesübungen veranstaltet und dazu auch ganz ungewöhnliche Sportgeräte wie Barren und Reck einsetzte. Ziel war die körperliche Ertüchtigung der jungen Männer für den bevorstehenden Kampf gegen die französischen Okkupanten. Dass sich einfache Leute wie solche aus dem Adel sportlichen Aktivitäten nachgehen, war in der damaligen Ständegesellschaft ein Unding. Denn das absichtlich in Dummheit gehaltene Volk hatte gefälligst bis zum Umfallen für wenig Lohn zu arbeiten und so etwas wie frische Luft und grüne Umwelt zu meiden. August Varnhagen von Ense, der kritische Zeitbeobachter, beschrieb den „Alten im Bart“ mit den Worten „Sein Charakter und seine Erscheinung wirkten auf das Volk und seine Beredsamkeit hatte etwas Körniges und Hartes, das ungemein in die Gemüter drang...Weniger Beifall erlangte er in den höheren Ständen, und ihm schien auch wenig daran gelegen“.
Natürlich musste Jahns Motto „Frisch, frei, froh und fromm“ das Misstrauen der Regierenden erregen. Sie brauchten in ihr Schicksal ergebene Untertanen, die allenfalls als Kanonenfutter oder als Handlanger dienten, mitnichten aber durch regelmäßige Turnübungen gestählte Jünglinge und Männer. Mädchen und Frauen waren lange nicht einbezogen, denn für sie galten die drei K - Küche, Kinder, Kirche!. Ein gegen Jahn angestrengter Prozess endete zwar mit einem Freispruch, doch hinderte das die Polizei nicht, ihn bis 1840 streng zu beobachten. In der Revolution von 1848 betätigte sich der wegen seiner ungeheuren Popularität unantastbare Turnvater in der Frankfurter Nationalversammlung als Propagandist des deutschen Erbkaisertums. Mit seiner Deutschtümelei leistete allerlei Chauvinisten, Nationalisten und Militaristen Vorschub, was auf seine unbestreitbaren Verdienste als Begründer der Turnerbewegung einen Schatten wirft.
Mit Zorn und Eifer kämpfte Jahn gegen alles „Welsche“, womit Frankreich gemeint war und für die deutsche Sprache. In seiner Schrift „Deutsches Volksthum“ (Lübeck 1810) klagte er das unglückliche Deutschland an. „Die Verachtung deiner Muttersprache hat sich fürchterlich gerächt. Du warst schon länger dir unwissend durch eine fremde Sprache besiegt, durch Fremdsucht ohnmächtig, durch Götzendienst des Auslandes entwürdigt. Nie hätte dein Überwinder so vielfach in einem andern Lande gesiegt, wo die Vergötterung seiner Sprache nicht mitgefochten […] Diese Sprache hat deine Männer betört, deine Jünglinge verführt, deine Weiber entehrt. Deutsche, fühlt wieder mit männlichem Hochsinn den Wert eurer edeln lebendigen Sprache, schöpft aus ihrem nie versiegenden Urborn, grabet die alten Quellen auf, und lasset Lutetiens stehende Lache in Ruhe!“ (Lutetia ist der lateinisch Name für Paris, H. C.). Dies wäre zu beachten, wenn man den grün patinierten Turnvater aus Bronze in der Berliner Hasenheide und die vielen in Stein gemeißelten Huldigungen zu seinen Füßen an ihn aus der Zeit vor und nach 1900 betrachtet.
23. Juli 2025