König ohne Land
Wie Georg V. von Hannover den Rest seines Lebens im Exil verbrachte und was aus den Kronjuwelen wurde



Kaiser Napoleon I. biss sich in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 die Zähne aus und verschwand in der Versenkung, sein Neffe Napoleon III. wurde von der Republik zum Schweigen gebracht. Dem nach England emigrierten Napoleon III. blieb die Rückkehr versagt, Bonapartisten versuchten vergeblich, ihm und seinem Clan die französische Kaiserkrone zurückholen.



Preußens König Wilhelm I. und sein Ministerpräsident Otto von Bismarck, der spätere Reichskanzler, stellten die Politik von „Blut und Eisen“ über Recht und Gesetz und eigneten sich fremde Territorien an.



Kaiser Wilhelm II. musste als Bettler viel Spott ertragen, in Wahrheit aber war er ein reicher Mann, dem die Weimarer Republik bedeutende Vermögenswerte und Kunstschätze hinterher warf.



Wilhelm I. annektierte 1866 das Königreich Hannover und machte aus ihm eine preußische Provinz. Das springende Ross auf rotem Grund ist bis heute das Wappen von Niedersachsen. König Georg V. von Hannover hatte als Kleinkind seine Sehkraft verloren und war ab dem 14. Lebensjahr blind, genoss aber trotz alledem eine hervorragende Ausbildung als Thronfolger und wurde, vielleicht auch wegen seiner Behinderung, ein guter Musiker und Komponist.



Der Doppeltaler von 1866 war der letzte aus der königlichen Münze zu Hannover. Kaum in Hannover eingezogen, unterbanden die preußischen Besatzer die Prägung von Münzen mit Bildnis und Wappen des vertriebenen Königs Georg V. Zwischen 1866 und 1878 war Hannover preußische Münzstätte, kenntlich am Buchstaben B.



Mit der Langensalza-Medaille zeichnete König Georg V. von Hannover tapfere Soldaten aus, die in der Schlacht von Langensalza preußische Truppen besiegt hatten. Arm Ausgang des Krieges von 1866 änderte er allerdings nichts.



Die seltene Medaille in der Art eines Doppeltalers ehrt den am 12. Juni 1878 in Paris verstorbenen Ex-König Georg V. von Hannover.

Fotos/Repros: Caspar

Wer die Geschichte der europäischen Monarchien durchforstet,
stößt auf Beispiele, dass ein Herrscher seine Krone verlor und ins Exil gehen musste. Bekannteste Beispiele sind der französische Kaiser Napoleon I. und sein Neffe Napoleon III., die 1815 und 1870 nach verlorenen Kriegen ihr Land verlassen mussten. Der erste Napoleon starb 1821 als Gefangener der britischen Krone auf der fernen Insel Sankt Helena, und der dritte Napoleon wurde von Queen Victoria aufgenommen und starb 1873 an den Folgen einer Operation und wurde im Familienmausoleum von Farnborough (Grafschaft Hampshire) beigesetzt. Wie Napoleon I. gelang es seinem Neffen nicht, ihre Herrschaft zurückzuerobern. Das blieb auch dem deutschen Kaiser Wilhelm II. versagt, der im Ergebnis der Novemberrevolution 1918 abdanken und ins niederländische Exil gehen musste. In Huis Doorn unterhielt der vielfache Millionär einen feudalen Hof, der beträchtlich kleiner als der in Berlin und Potsdam war, ließ sich mit „Majestät“ ansprechen und empfing zahlreiche Delegationen kaisertreuer Deutscher.

In seinem 1922 veröffentlichten Buch „Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878-1918“ rechtfertigte er sein Tun und Lassen und gab anderen die Schild am Zusammenbruch der Monarchie und dem Ausgang des Ersten Weltkriegs. Die ihn gestürzt hatten, waren in seine Augen vaterlandslose Gesellen, die seinen angeblich siegreichen Soldaten den Dolch in den Rücken gestoßen hatten. Nie haben „Wilhelm der Letzte“, wie man ihn spöttisch nannte, und die Hohenzollern die Hoffnung aufgegeben, eines Tages die Monarchie in Deutschland wiederherstellen zu können. Dem Ex-Kaiser und seinen Befehlshabern mit Paul von Hindenburg an der Spitze blieben Gerichtsverfahren in der Art der Nürnberger Prozesse 1945/46 erspart. Auch andere Monarchen und Präsidenten gingen nach ihrem Sturz ins Exil, denken wir an SED- und Staatschef Erich Honecker oder ganz aktuell Syriens Machthaber Baschar Hafiz al-Assad, der in Moskau Unterschlupf fand. Selten kam es zu Gerichtsverfahren und wie im Fall des rumänischen Diktators Nicolae Ceaușescu und seiner Frau Ende 1989 zu Hinrichtungen.

Preußen hätte Sachsen gern geschluckt
Mit anderen Monarchen verlor Königs Georg V. von Hannover im Deutschen Krieg von 1866 seine Krone und sein Land, aber er fiel weich und konnte im österreichischen Exil sein königliches Leben fast so komfortabel weiter führen wie bisher, musste aber mit weniger Geld und vor allem mit der Schmach auskommen, dass er nicht mehr Herr über sein Land ist. Er kam quasi als Bittsteller beim österreichischen Kaiser Franz Joseph unter und versuchte mit allen Mitteln, seine Herrschaft im ehemaligen Königreich Hannover wiederherzustellen. König Johann von Sachsen wurde von den siegreichen Preußen besser behandelt, denn er kam mit einem „blauen Auge“ davon. Nur allzu gern hätten Wilhelm I. und Bismarck auch Sachsen ganz oder teilweise geschluckt, ähnlich wie es Hannover, Kurhessen, dem Herzogtum Nassau und der Freien Stadt Frankfurt am Main ergangen war. Herzog Adolph Wilhelm von Nassau-Weilburg wurde für den Verlust seines Landes mit dem Großherzog Luxemburg abgefunden, Kurfürst Friedrich Wilhelm musste Hessen-Kassel verlassen und lebte bis zu seinem Tod 1875 auf seinen böhmischen Gütern Schloss Hořovice und in seinem Stadtpalais in Prag. In einer Denkschrift prangerte er mit Blick auf Preußen, ohne es zu nennen, „dynastische Selbstsucht“ an, die das gemeinsame Vaterland zerrissen und die organischen Triebe einer tausendjährigen Entwicklung abgeschnitten hat. „Noch liegt die Zukunft hinter dunklem Schleier, und nur dessen ist jeder Denkende sich bewusst, dass noch unsägliches Elend, noch heillose Wirrnis Deutschland, ja ganz Europa bevorsteht, ehe die Saat von 1866 beseitigt, oder was Gott verhüten wolle, zu Blüthe und Frucht gediehen sein wird.“ Die ehemals Freie Stadt Frankfurt am Main wurde unter entwürdigenden Umständen dem preußischen Staat einverleibt. Den neuen Gebieten wurde die preußische Verfassung übergestülpt.

Fremdes Geld für den Reptilienfonds
Georg V. hat nie auf sein Königreich verzichtet. Vergeblich appellierte er an die europäischen Großmächte, ihn bei der Rückkehr zu unterstützen. Um seinen Wünschen Nachdruck zu verleihen, griff er in der von ihm in Paris herausgegebenen Zeitschrift „Situation“ Preußen und die nach dem Bruderkrieg entstandene neue Ordnung heftig an und schürte so den Hass der Franzosen gegen Preußen. Das führte dazu, dass König Wilhelm eine Georg V. gesicherte Entschädigung verweigerte. Im Gegenzug stellte dieser eine Privatarmee aus hannoverschen Flüchtlingen auf, um mit ihrer Hilfe im bevorstehenden deutsch-französischen Krieg an der Seite Frankreichs sein Reich zurückzuerobern. Diese so genannte Welfenlegion bestand aus wenigen hundert Mann und kam nicht wirklich zum Zug. Otto von Bismarck begründete die Maßnahme im Band 2 seiner „Gedanken und Erinnerungen“ mit der Besorgnis vor der „überschwänglichen Auffassung, die König Georg V. von seiner Mission und der seiner Dynastie hatte, nämlich alles beim Alten zu lassen und der deutschen Einheit unterm preußischen Adler zu widerstreben.“ Das von Preußen beschlagnahmte Privatvermögen des Ex-Königs in Höhe von 16 Millionen Talern und die verweigerten, zunächst sehr generösen Entschädigungen führte Bismarck in den so genannten Welfenfonds über, aus dessen Erträgen die gegen Preußen gerichteten „welfischen Umtriebe! bekämpft wurden. Die Bezeichnung „Reptilienfonds“ für diese Art Verwendung beschlagnahmter Vermögen geht auf Bismarck zurück, der 1869 die welfischen Staatsfeinde mit „bösartige Reptilien“ verglich, die zu beobachten und zu verfolgen seien. Später hat man den Begriff auf die Journalisten und Zeitungen übertragen, die aus diesem Fonds Geld erhielten, um sie auf einen kaisertreuen Kurs zu bringen. Zusätzlich floss Geld aus dem beschlagnahmten Vermögen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Hessen-Kasse in den Fonds ein, da dieser gegen die Annexion seines Landes protestiert.

Kronjuwelen nach England geschmuggelt
Als der Georg V. 1878 in Paris starb und sein Leichnam nach London überführt wurde, weil der nunmehrige Kaiser Wilhelm I. ihm sein Grab in Hannover verweigert hatte, stand bei der Trauerfeier in der St.-Georgs-Kapelle von Windsor Castle die klammheimlich gut zehn Jahre zuvor aus Hannover geschmuggelte Königskrone auf seinem Sarg. Wie die Insignien und Kronjuwelen dem Zugriff der Preußen entzogen und in Kutschen und auf Schiffen das Land verlassen konnten, war eine geradezu filmreife Geschichte. In seinem Buch „Geschichte des Königreichs Hannover“ von 1901 berichtete William von Hassel, dass der Minister a. D. Graf Kielmannsegge und seine Gemahlin die Wertgegenstände nach England in die Obhut des Herzogs von Cambridge bringen sollten. „Es wurde verabredet, dass am nächsten Abend eine Kammerfrau der Königin den Kronschatz in einem Reisewagen von der Marienburg über Linden und Herrenhausen der Hannover-Wunstorfer Chaussee zuführen sollte. Dort sollte eine Kielmannseggesche von dem Minister selbst geführte Equipage dem königlichen Wagen entgegen kommen und die Sachen in Empfang nehmen. Alles gelang nach Wunsch, und am Abend lag der Schatz sicher im Keller von Blumenau. Vierzehn Tage vergingen mit der Überlegung, wie die zahllosen Schmuckgegenstände am sichersten fortgepackt werden könnten. Es blieb schließlich nichts anderes übrig, wie einen Teil der Diamanten aus der Fassung zu nehmen und, in kleine Säckchen verpackt, in den Reiseanzug der Gräfin einzunähen. In einer Handtasche führte die kluge Frau die kleine englische Juwelenkrone, in einem Wollknäuel verborgen, als Strickzeug mit sich, ein Strahlendiadem flach eingenäht als Ohrenwärmer unter dem Hut, mehrere Perlen-Halsbänder um den Nacken, Armbänder an den Armen.“ Die Kronjuwelen wurden in England vom Herzog von Cambridge sicher verwahrt und gelangten später auf Wunsch der Königin nach Wien in die Villa Hügel, die Herzog Wilhelm von Braunschweig gehörte und Georg V. und seiner Familie als Sitz diente. Nachdem der Ex-König Georg V. am 12. Juni 1878 in Paris gestorben war, folgten etwa 200 000 Menschen seinem Sarg. Der Leichnam wurde nach England überführt, und die Beisetzung fand in Anwesenheit der mit ihm verwandten von Königin Victoria am 24. Juni 1878 in der St.-Georgs-Kapelle von Windsor Castle statt. Der frühere Oberhofmarschall Carl Ernst von Malortie stellte die Krone auf den königlichen Sarg, allerdings war sie nicht das Original, sondern bestand aus vergoldetem Messing mit bunten Glassteinen.

20. Januar 2025