Bronzewächter am leeren Kaisergrab - Innsbrucker Hofkirche birgt besonderen Schatz aus dem 16. Jahrhundert

Maximilian I. war 68 Jahre alt, als er starb. Sein Totenbild weicht ganz und gar von den Porträts ab, die Albrecht Dürer (links) und andere Künstler von dem Imperator malten.

Das Hochgrab wurde nach einem Entwurf von Florian Abel, einem Hofmaler in Prag, zwischen 1567 und 1572 errichtet. Die Figur des Kaisers auf dem Grab wurde von Alexander Colin modelliert und 1570 von Hans Lendenstreich in Bronze gegossen. Umgeben ist der kniende Kaiser von den an den Ecken aufgestellten Kardinaltugenden. An den Seitenwänden berichten 24 Reliefs aus Carraramarmor hinter dem kunstvoll verzierten Gitter aus dem Leben des Verstorbenen und verherrlichen ihn als großen Feldherr und Vater des Vaterlandes.

Maximilian I. ließ sich auf zahlreichen Münzen und Medaillen porträtieren, hier auf einem Hochzeitstaler mit Maria von Burgund, deren Alter mit 20 Jahren angegeben wird. Maximilian I., Karl V. und Ferdinand I. sind auf dem Dreikaisertaler von 1590 als frühes Beispiel für numismatische Geschichtspropaganda abgebildet.

Die Bildhauer legten bei ihren Wächterfiguren großen Wert auf genaue Wiedergabe der kostbaren Rüstungen und Roben, die auch Macht und Reichtum unterstreichen. Bei Köpfen und Gesichtern ließ man vielfach die Fantasie spielen.

Einer von Maximilians Vorfahren aus dem Haus Habsburg war der römisch-deutsche König Albrecht I., dargestellt ist er mit den Insignien seiner Würde.

Der autobiografische Fürstenspiegel „Weißkunig“ feiert den junge Maximilian als wissbegierigen Prinzen. Geschmückt mit 251 Holzschnitten berichtet das Prachtwerk von seiner Geburt und Kindheit und wie er in Künsten und adeligen Tugenden unterwiesen wird. Außerdem wird von Maximilians bis 1513 geführten Kriegen berichtet. Fast alle Illustrationen wurden von Hans Burgkmair dem Älteren und Leonhard Beck geschaffen. Die Holzschnitte zeigen Maximilian in einer Münzstätte, bei den Harnischschmieden und Kanonengießern.
Fotos/Repros: Caspar
Kaiser, Könige, weltliche und geistliche Fürsten und Adlige hatten samt Familienangehörigen das Privileg, in Kirchen und Kapellen mehr oder weniger prunkvoll bestattet zu werden. Fürstliche Gruftanlagen finden wir mit der Grablege der Hohenzollern im Berliner Dom und der Habsburger in der Wiener Kapuzinergruft. Die Grablege der russischen Zaren ist in der Peter-und-Paul-Kathedrale in Sankt Petersburg zu besichtigen; die englischen, französischen und spanischen Königsgräber fanden in der Westminsterabtei in London, in der Kirche St. Denis bei Paris beziehungsweise im Escorial bei Madrid ihre letzte Ruhe, um nur einige Beispiele zu nennen. Im Petersdom in Rom wurden fast alle Päpste prunkvoll beigesetzt.
Eine besonders aufwendig gestaltete Anlage für einen einzigen Herrscher befindet sich in der Hofkirche in Innsbruck. Rund um das Grab des 1519 verstorbenen römisch-deutschen Kaisers Maximilian I. halten überlebensgroße Bronzefiguren Wache. Sie verkörpern Vorfahren, Verwandte und berühmte Vorbilder des Monarchen, den man „der letzte Ritter“ nannte. Allerdings ist er nicht im Innsbrucker Prunkgrab bestattet, sondern in seiner Taufkirche, der St. Georgskapelle der Burg von Wiener Neustadt in Niederösterreich, etwa 50 km südlich von Wien entfernt. Dort ruht der ehemals mächtigste Monarch des spätmittelalterlichen Europa unter den Stufen des Hochaltars.
Als reuiger Sünder unterm Altar bestattet
Es wird berichtet, dass der Kaiser in seinen letzten Lebensjahren stets einen Sarg mit sich führte. Als sein Ende nahte, zeigte er sich, so die Chronisten, als demütiger, mit Schuld beladener Sünder und Büßer. E wollt sich nicht einbalsamieren lassen, statt dessen sollte man seinen Leichnam wie den eines armen Sünders geißeln. Der sterbende Kaiser verlangte auch, dass man ihm die Haare schert und die Zähne ausbricht. In die Gewänder der Ritter des St. Georgs-Ordens gehüllt, hat man man den Toten unter Beimengung von Kalk und Asche in einem Sack aus Leinen, Damast und weißer Seide unter dem Altar seiner Taufkapelle bestattet.
Der von Kaiser Ferdinand I., einem Enkel des Verstorbenen, veranlasste Bau der Hofkirche erfolgte unter der Leitung von Andrea Crivelli und anderen Italienern sowie von Niclas Türing dem Jüngeren (Innsbruck) und Marx della Bolla (Trient). Das Hochgrab mit dem oben knieenden Kaiser aus Bronze wurde 1561 bis 1582 unter Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, einem Sohn von Kaiser Ferdinands I., geschaffen. Die Fertigstellung der Grabanlage in der Innsbrucker Hofkirche mit dem angrenzenden Franziskanerkloster, die man wegen der dunkel patinierten Grabwächterfiguren auch „Schwarzmanderkirche“ nennt, zog sich fast ein Jahrhundert hin. An dem Werk waren namhafte Architekten, Bildhauer, Bildschnitzer und Kunstgießer beteiligt. Beim Rundgang durch die Kirche werden Peter Vischer der Ältere, Albrecht Dürer und Veit Stoß genannt. Die überwiegende Zahl der 28 Standbilder gingen aus der landesfürstlichen Gusshütte Mühlau bei Innsbruck als Arbeiten von Gilg Sesselschreiber und Stefan Godl hervor.
„Du, glückliches Österreich, heirate“
Am 22. März 1459 als Sohn von Kaiser Friedrich III. in Wiener Neustadt geboren und einer strengen Erziehung unterzogen, bei der militärische Dinge, höfische Zeremonien und Ritterspiele eine große Rolle spielten, war Maximilian I. einer der mächtigsten Fürsten des ausgehenden Mittelalters. Mit geschickter Heiratspolitik erwarben er und andere Habsburger nach dem Motto „Bella gerant alii, tu felix Austria nube – Mögen andere Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate" manche Territorien und Titel. Jung an Jahren heiratete er 1477 Maria, die reiche Erbtochter Herzog Karls des Kühnen von Burgund. Die daraus resultierenden Ansprüche auf die burgundischen Besitzungen wurden nach Karls tragischem Soldatentod 1477 von dessen Schwiegersohn streitig gemacht, und auch der französische König Ludwig XI. erhob auf sie Ansprüche. Im Ergebnis bewaffneter Auseinandersetzungen war der Habsburger genötigt, Frankreich das Herzogtum Burgund und die Picardie zu überlassen. Die zunächst aus dynastischen Gründen geschlossene Ehe mit Maria von Burgund, deren Figur am Grab ihres Gemahls steht, gedieh zu einer glücklichen Verbindung, aus der zwei Kinder, Philipp der Schöne und Margarete, hervorgingen, die spätere Statthalterin der Niederlande. Philipp wurde König von Kastilien und sicherte so den Habsburgern die spanische Krone. Sein Sohn König Karl von Spanien, ein Enkel Maximilians I., stand ab 1519 als Kaiser Karl V. an der Spitze des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.
Als typischer Renaissancefürst auf großem Fuß lebend, befand sich Maximilian I. ständig in Geldnot. Sie war so groß, dass er seinen Höflingen und Beamten zeitweilig keinen Lohn zahlen konnte. Deshalb sahen sie sich genötigt, ihr eigenes Vermögen anzuzapfen und ihrem Herrn Geld zu leihen. Da er und seine Beamten kein Vermögen herbei zaubern konnten und auch die damals so beliebte Goldmacherei weder Silbertaler noch Goldgulden eintrug, war die Entgegennahme von sogenannter Handsalbe, also von Bestechungsgelder, gang und gäbe. Hohe Beamte sollen Besitzurkunden und Rechtstitel an Meistbietende verscherbelt haben. Doch wenn sie es zu arg trieben, schlug die Justiz zu und konnte die Geber und Nehmer schmerzhaft zur Rechenschaft ziehen. Man geht nicht fehl zu sagen, dass Maximilian l., der Ritterturniere über alles liebte, ein schlimmer Finger war,wie wir heute sagen würden, ja ein hochadliger Gauner und Schuldenmacher, dem christliche Werte und moralische Kategorien ungeachtet frommer Sprüche und demütiger Haltung herzlich wenig galten.
Wirkliche und mythische Wächterfiguren
Maximilian I. hatte mit Blick auf seine würdige Bestattung Hofhistoriker beauftragt, die Figuren rund um sein Grab auszuwählen. Die wirklichen und mythischen Gestalten in Überlebensgröße sollten die Traditionslinie der Habsburger zurück in uralte Zeiten dokumentieren. Man hatte in Innsbruck und anderswo kein Problem, solche Linien bis zu den römischen Kaisern zu ziehen, um damit auch die eigene Herrschaft zu legitimieren. Angetreten sind verstorbene Familienangehörige und Vorfahren des toten Kaisers, aber auch solche, mit denen der Habsburger wenig zu tun hatte. Die Auswahl der 20 Männer und acht Frauen in prächtigen Rüstungen und Hofgewändern unterstreicht die Vernetzung des aus dem Kanton Aargau (Schweiz) stammenden Fürstengeschlechts mit anderen Dynastien. Die Reihe der gekrönten oder in Ritterrüstungen sowie kostbaren Roben gekleideten Grabwächter beginnt bei dem 1439 verstorbenen römisch-deutschen König Albrecht II. und endet beim ersten christlichen Frankenkönig Chlodwig I., der 511 starb. In der Ahnengalerie findet man den mythischen König Arthus von England und Theoderich, der König der Ostgoten war und 526 starb. Von Chlodwig und Theoderich (gest. 526) zogen Maximilian I. und seinesgleichen eine direkte Linie zu sich, sie sahen in diesen Herrschern ihre Vorgänger und leiteten von ihnen imperiale, genauer gesagt römisch-deutsche Kaiserwürden ab.
In der Zeit der Renaissance und des Barock wurden überall Hofhistoriografen bemüht, die passenden Stammbäume auszuarbeiten, und Maler, Bildhauer, Medailleure und andere Künstler schufen die dazu passenden Kunstwerke. r Bergstadt Hall aus den Erträgen seiner Schwazer Silbergruben prägen ließ. Aufgestellt sind auch die Figuren von Sigmund des Münzreichen und seines Vaters Friedrich IV., genannt Herzog mit der leeren Tasche. Sigmund war ein Onkel von Maximilian I. Dieser nötigte von hochverschuldeten Landesfürsten 1490 zur Abdankung. Maximilian I. und seine Verwandten traten die Nachfolge in Tirol an. Sigmund bleibt als „Erfinder“ des Talers in Erinnerung, den er 1486 erstmals in der Bergstadt Hall unweit von Innsbruck aus dem in Schwaz gefundenen Silber prägen ließ. Mit Blick auf seine Silberminen in Tirol soll der Kaiser gesagt haben, es sei ein Glück, dass ein Teil seiner Schätze tief in den Bergen verborgen sind, sonst hätte er sie schon längst aufgebraucht. Die Suche nach Bodenschätzen ließ die Stadt Schwaz in Tirol aufblühen. In der „Mutter aller Bergwerke“, wie man damals sagte, siedelten sich etwa 20000 Menschen an. Überall qualmten die Schmelzöfen, der Bergbau hinterließ riesige Abraumhalden.
Ruhm auf dem Schlachtfeld ruinierte das Land
Wie schon sein Onkel Erzherzog Sigmund von Tirol und sein Enkel und Nachfolger Kaiser Karl V. war auch Maximilian I. hoch verschuldet, obwohl er über reiche Bodenschätze verfügte. Der deutsche König seit 1486 und ab 1508 römisch-deutsche Kaiser brauchte bedeutende Summen nicht nur für seine Hofhaltung, sondern auch für seine imperialen Ambitionen. Sein Ehrgeiz war es, nicht nur Familienangehörige mit anderen Dynastien zu verheiraten oder zu verkuppeln, sondern auch Ruhm auf dem Schlachtfeld zu erringen, weshalb er seine Länder nach und nach in den Ruin führte. Um seine Ziele zu erreichen, tat sich Maximilian I. mit süddeutsches Handels- und Bankhäusern der Fugger und Welser zusammen und nahm hohe Kredite auf, die er aber nicht zurückzahlen konnte. Er zog die Steuerschraube an, bis es quietschte.
Maximilian I. war keineswegs Profiteur des Tiroler „Bergsegens“, sondern das Geld und Handelshaus der Fugger in Augsburg. Er trat ihnen alles ab, was mit der Förderung und Verarbeitung des Schwazer Silbers, später auch des in Ungarn geschürfte Kupfers zu tun hatte. Ihre märchenhaften Profite verprassten Jakob Fugger und die Seinen nicht wie an Fürstenhöfen üblich, sondern investierten sie in weitere Bergbauregionen im Ausland. Außerdem verliehen sie gegen hohe Zinsen überschüssige Gelder und verwendeten eine halbe Million Gulden 1519 bei der Bestechung der Kurfürsten anlässlich der Kaiserwahl von König Karl von Spanien. Auch dieser Karl V. stand bei den Fuggern tief in der Kreide und war nicht in der Lage, die ihm bereit gestellten Summen zurück zu zahlen. Nicht nur seine Untertanen hat Maximilian I. zur Kasse gebeten, auch sich selbst hat er geschröpft, etwa als er Tafelsilber und Juwelen verpfändete. Wann immer hoher Besuch kam mussten die Wertgegenstände ausgelöst werden. Das brachte den kaiserlichen Gastgeber in Verlegenheit, weil er die notwendigen Summen nicht hatte und sie sich von anderen borgen musste.
Ablasshandel als Geldquelle
Um seinen Geldhunger zu befriedigen, richtete der Herrscher seinen Blick auf die Schätze, die Kirchen, Klöster und Stifter im Laufe der Jahrhunderte zur Ehre Gottes, wie man sagte, angehäuft hatten. Indem er zwei seiner vielen Kriege zu Kreuzzügen erklärte, zog er die Kirche zur Finanzierung heran. Da die eingesammelten Summen nicht ausreichten, kurbelte er den Ablasshandel an. Mit den oft sehr strapaziösen Reisen ins Heilige Land konnte man sich von Sünden reinigen und entkam so dem höllischen Fegefeuer, das den Menschen des Mittelalters auf Schritt und Tritt für ihre Missetaten angedroht wurde. Kardinal Albrecht, ein Bruder des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I. und seines Zeichens Erzbischof von Mainz und Magdeburg, war groß im Geschäft. Die von ihm ausgestellten Ablassbriefe gewährten dem Käufer „vollkommenen Ablass und Erlass aller Sünden“ für Missetaten und Sünden, mögen sie auch noch so schwer gewesen sein. Den harten und nachlässigen Seelen riet sein Ablass-Beauftragter: „Du dort kannst deinen Vater für 12 Groschen aus dem Fegefeuer herausziehen, und bist so undankbar und willst deinem Vater in so großer Pein, die er leiden muss, nicht zu Hilfe kommen? Ich will am jüngsten Gericht entschuldigt sein, Ihr aber mögt zusehen, wie Ihr auskommt! Legt ein, legt ein, legt ein!“ Der mit frommem Augenaufschlag betriebene Ablasshandel und das ganz und gar unheilige Handel der Kirche und ihrer fürstlichen Anführer mit Ablasszetteln führten 1517 zum Aufstand von Martin Luther gegen deren schamlose Bereicherung.
Offiziell wurden die eingesammelten Mittel als für den Bau des Petersdoms in Rom bestimmt deklariert. In Wirklichkeit aber dienten sie der luxuriösen Lebensweise Form der Kirchenfürsten. Luthers Verlangen, die Kirche an Haupt und Gliedern zu reformieren, also an ihre Wurzeln zurückzuführen, fand großen Widerhall bei einfachen Leuten, aber auch bis in die Riege der Landesfürsten. Einer von ihnen, Sachsens Kurfürst Friedrich der Weise. Er schwang sich zu Luthers Schutzherrn auf und gewährte ihm auf der Wartburg Zuflucht, wo er dass Neue Testament der Bibel in die deutsche Sprache übersetzte und damit eine gewaltige Leistung zur Gestaltung der neuhochdeutschen Sprache erbrachte.
Da die von Emissären des Kardinals Albrecht und der am Geschäft mit den Ablasszetteln beteiligten Fugger eingesammelten Groschen und Taler nicht ausreichten, hielt sich Maximilian I. und ähnlich wie er auch andere Fürsten bei den Juden schadlos. Ihnen wurde Schutz und Leben versprochen, wenn sie ihnen „goldene Eier“ legten, das heißt hohe Summen für die Gewährung ihrer Existenz zahlten. Da sich nur reiche Juden das Wohlwollen ihrer Landesherrn erkaufen konnten, mussten die anderen das Land verlassen oder waren unwürdigen Repressionen bis hin zu Mord und Totschlag bei den immer wiederkehrenden Pogromen ausgesetzt.
16. September 2025