England war Napoleons Hauptfeind
In Berlin erließ der Kaiser der Franzosen 1806 die Kontinentalsperre mit gravierenden Folgen
Die englische Karikatur verspottet Napoleon I. als Bäcker neuer Fürstentümer. Der erboste Kaiser, der sich als Herrscher der Welt porträtieren ließ, hätte die frechen Zeichner am liebsten aufgehängt, wenn er ihrer habhaft geworden wäre.
Zwischen dem triumphalen Einzug des Kaisers Ende 1806 durch das Brandenburger Tor in Berlin und seinen Niederlagen in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 lagen weniger als zehn Jahre. Der ehemalige Kriegsherr war nur noch ein Schatten seiner selbst und verbrachte seine letzten Lebensjahre als Gefangener auf der Insel Sankt Helena.
So hat ein Zeichner den Kaiser der Franzosen 1810 bei einem Opernbesuch in Wien gesehen. Als er die Kaisertochter Marie Louise heiratete, befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Nach der Heimkehr seiner Gebeine von Sankt Helena nach Paris erhielt der Kaiser d3er Franzosen im Invalidendom ein prunkvolles Grab.
Der Erlass des Code civil wird auf der undatierten Medaille gefeiert. Als der Kaiser der Franzosen 1810 die Tochter von Kaiser Franz I. von Österreich heiratete, stand er auf dem Höhepunkt seiner Macht.
Die farbige Grafik zeigt, wie Soldaten in Leipzig eingehende Waren auf ihre Herkunft durchschnüffeln und beschlagnahmen.
Fotos/Repros: Caspar
England und Frankreich – sie waren lange Zeit alles andere als Freunde. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit trugen beide Länder blutige Kriege um Territorien und Titel diesseits und jenseits des Kanals aus. Um der anderen Seite zu schaden, gab es erbitterte Intrigen, Mordanschläge, Aufstände und Überfälle. Die Könige von England nannte sich bis in die Barockzeit hinein Könige von Frankreich, konnten aber ihre Ansprüche nicht durchsetzen. In den französischen Eroberungskriegen des 17. und 18. Jahrhunderts half England den überfallenen Völkern, und Frankreich tat alles, um der Königsherrschaft in London zu schaden.
Der von 1337 bis 1453 tobende Hundertjährige Krieg trug zur Herausbildung eines eigenen Nationalbewusstseins bei den Franzosen und den Engländern bei. In den Schlesischen Kriegen des 18. Jahrhunderts, in denen König Friedrich II. die zum Haus Habsburg gehörenden schlesischen Herzogtümer eroberte, stand England zeitweilig auf preußischer Seite und half mit namhaften Geldbeträgen, dass dieser Kampf gegen Österreich und seine Verbündeten Frankreich, Russland und Ländern geführt werden konnte. Auf dem nordamerikanischen Kontinent standen sich zeitgleich England und Frankreich feindlich gegenüber. Im Friedensschluss von 1763 erhielten die Briten große, bisher von Frankreich beherrschte Gebiete.
Serie blutiger Eroberungskriege
Alle die Kriege, Rivalitäten, Niederlagen und Verluste saßen bei den Franzosen ganz tief, und sie bestimmten auch die Politik von Napoleon Bonaparte, der 1804 als Napoleon I. den Thron bestieg. Binnen weniger Jahre hatte es der am 15. August 1769 in Korsika geborene Leutnant zum General, Ersten Konsul und als Kaiser zum zeitweilig mächtigsten Mann in Europa gebracht. Doch dauerte es nach der spektakulären Krönung am 2. Dezember 1804 nur zehn Jahre, bis sein Traum, Europa wie Karl der Große unter seinem Zepter zu vereinen, ausgeträumt war. Nach einer Serie blutiger Eroberungskriege sowie seiner Entmachtung 1814 und endgültigen Verbannung 1815 während der Befreiungskriege starb er am 5. Mai 1821 im Exil auf der fernen Atlantikinsel Sankt Helena mit knapp 52 Jahren. Im Triumphzug wurden 1840 seine sterblichen Überreste nach Frankreich zum ehrenvolles Begräbnis im Pariser Invalidendom zurückgeführt. Zahlreiche Medaillen aus der Epoche Napoleons I. und danach bilden ein interessantes Sammelgebiet, für das das dreibändige, auch als Nachdruck verfügbare Standardwerk von L. Bramsen „Médaillier des Napoléon le Grand“ (Paris 1903-1913) und weitere Publikationen alle notwendigen Angaben liefern.
Für die einen ist der Kaiser der Franzosen ein genialer Staatsmann und Kriegsherr, und für andere ist er bis heute als Usurpator und Kriegsverbrecher in Erinnerung. In Frankreich wurde das Jahr 2021 zum Année Napoléon ausgerufen. Der Blick auf den 200 Jahre zuvor verstorbenen Herrscher ist dort anders als hierzulande, und das hat mit dem wirklichen oder vermeintlichen Ruhm zu tun, den er der Grande Nation einbrachte beziehungsweise mit den Leiden, die er unbarmherzig den von ihm unterworfenen und ausgebeuteten Ländern zufügte. Unabhängig davon wird man sich daran erinnern, dass das napoleonische Frankreich half, feudale Strukturen im alten Europa und namentlich im Römisch-deutschen Reich aufzubrechen und dem Kontinent den Weg in die Moderne zu ebnen.
Blockade mit gravierenden Folgen
Kaum hatte der Kaiser nach seinem Einzug am 27. Oktober 1806 durch das Brandenburger Tor Quartier im Berliner Schloss genommen, erließ er die gegen England gerichtete Kontinentalsperre. Seit 1796 gab es für Frankreich bereits ein Importverbot für englische Waren, das im Ergebnis der militärischen Erfolge Napoleons auf die kontinentaleuropäischen Staaten ausgeweitet. England sollte mit den Mitteln eines Wirtschaftskrieges zu Verhandlungen mit Frankreich gezwungen werden. Zugleich wollte man die französische Wirtschaft gegen europäische und transatlantische Konkurrenz durch die „Werkstatt der Welt“, wie man England auch nannte, geschützt werden. Konnte der Kaiser der Franzosen seinen ärgsten Gegner nicht militärisch bezwingen, so sollte er doch wirtschaftlich geschädigt werden. Ziel war es, die Häfen des Kontinents gegen englische Waren zu sperren. Um die Blockade zu umgehen, entfaltete sich beiderseits des Kanals ein ausgedehnter Schmuggel. Im Einsatz waren kleine flache Boote, die an entlegenen Stellen besser als in den überwachten Häfen entladen werden konnten. Wo Napoleons Häscher Waren englischer Herkunft entdeckten, wurden sie beschlagnahmt und, wenn es Lebensmittel waren, zur eigenen Versorgung verwendet. Den großen Rest hat man unter militärischer Absicherung öffentlich verbrannt. Die Schmuggler wurden hart bestraft,sofern man sie fassen konnte.
Das kaiserliche Dekret erklärte die britischen Inseln „in Blockadezustand“, jeder Handel und Korrespondenz mit ihnen wurde untersagt. Briefe oder Pakete, welche nach England oder an einen Engländer adressiert oder in englischer Sprache geschrieben sind, wurden nicht mehr von der Post befördert, sondern einbehalten. „Jeder englische Untertan, zu welchem Stand oder Beruf er gehören möge, der in den von unseren Truppen oder denen unserer Bundesgenossen besetzten Ländern angetroffen wird, soll zum Kriegsgefangenen gemacht werden. Jedes Warenlager, jede Ware, jedes Eigentum, von welcher Art es auch sein möge, das einem englischen Untertan gehört, soll zur Kriegsbeute erklärt werden.“ Weiterhin untersagt die Kontinentalsperre den Handel mit englischen Waren und erklärt sie zur Kriegsbeute. „Die Hälfte des Ertrags aus der Konfiskation der Waren und Güter, welche in den obigen Artikeln zur Kriegsbeute erklärt worden sind, soll dazu verwendet werden, die Kaufleute für den Verlust zu entschädigen, die sie durch die Wegnahme der von den englischen Kreuzern geraubten Handelsfahrzeuge erlitten haben. Kein Fahrzeug, das direkt aus England oder den englischen Kolonien kommt, oder das seit der Veröffentlichung des gegenwärtigen Dekrets dort gewesen ist, darf in irgendeinem Hafen aufgenommen werden.“
Hamburgs schlimme Franzosenzeit
Die Auswirkungen der Kontinentalsperre waren auf beiden Seiten gravierend, denn sie schadeten Freund und Feind. Frankreichs Wirtschaft blühte nicht auf, wie es der Kaiser erhofft hatte, sondern litt darunter, dass der englische Markt für sie wegfiel. Viele Gewerke und Händler litten unter einem wirtschaftlichen Abschwung, der aber den in seiner „Blase“ in Saus und Braus lebenden Kaiser nicht bewegte, seine Zwangsmaßnahmen zu überdenken oder gar zurückzunehmen. Das Beispiel zeigt, dass Handelsblockaden und Strafzölle wenig hilfreich sind, um politische Probleme zu lösen. Würden der amerikanische Präsident Donald Trump und seine willigen Helfer in die Geschichtsbücher schauen, könnten sie zu der Erkenntnis gelangen, dass sie absolut auf dem „Holzweg“ sind.
Unter der Kontinentalsperre blühte das Schmuggelwesen gewaltig au, denn es lockten bedeutende Gewinne. Darum versuchte Napoleon die noch nicht von Frankreich besetzten Küsten Westeuropas unter seine Kontrolle zu bekommen. Im März 1810 trat das zeitweilig von einem Bruder des Kaisers regierte Königreich Holland seine Küsten an Frankreich ab und wurde schließlich ganz von diesem übernommen. Im Dezember 1810 verleibte sich Napoleon die ganze Nordseeküste ein, eingeschlossen das Herzogtum Oldenburg, wo ein Schwager des russischen Zaren herrschte. Auch die Hansestädte Hamburg und Bremen wurden als Hauptstädte der Département des Bouches (Mündung) de l’Elbe beziehungsweise Bouches-du-Weser dem Kaiserreich zugeschlagen, ohne dass die Bewohner gefragt wurden.
Für den Kaiser der Franzosen besaß Hamburg große strategische Bedeutung im Kampf gegen England. Verboten wurde jeglicher Handel dorthin und von dort. Dieses Vorgehen hatte katastrophale Folgen, denn einer der wichtigsten Handelspartner der Hansestadt fiel aus. Die Unterbrechung der Verbindungslinien führte zu Bankrotten, Arbeitslosigkeit, Verarmung und Flucht. Wer in Hamburg blieb, litt unter hohen Sondersteuern und zwangsweiser Einquartierung durch die Franzosen, die sich alles andere als menschenfreundlich benahmen. Obwohl auf Schmuggel strenge Strafen standen, blühte er in der Besatzungszeit, denn das dänische Umland bot für illegale Einfuhr und Ausfuhr reichlich Gelegenheit. Die Befreiungskriege beendeten die Besetzung, die Franzosen zogen 1814 ab. Hamburg erhielt wie Bremen und Lübeck auf dem Wiener Kongress 1814/15 den Status einer Freien und Hansestadt und trat dem Deutschen Bund bei. Alle drei Hansestädte befreiten sich im 19. Jahrhundert aus mittelalterlicher Enge und profitierten am aufblühenden Übersee- beziehungsweise Ostseehandel.
12. März 2025