Totentanz und Narrenschiff - In der frühen Neuzeit wies Literatur mit deftigen Bildern und Reimen die Menschen auf den Pfad der Tugend

Der Buchdruck löste Mitte des 15. Jahrhunderts das mühsame und langwierige Abschreiben und Vervielfältigen von frommen Texte sowie Urkunden und Chroniken ab. Im Ständebuch von Jost Amman aus dem Jahr 1568 zeigen Holzschnitte, wie Papier geschöpft und Bücher gesetzt und gedruckt werden.

Eine Ausgabe des „Narrenschiffs“ wurde 1964 in Leipzig als Nummer 593 der Insel-Bücherei von Manfred Lemmer herausgegeben und kommentiert. Das Exemplar von 1494 befindet sich Besitz der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Auf den ersten Buchseiten machen sich Narren mit dem Schiff auf den Weg in das sagenhafte Land Narragonien. Das lebensgefährliche Drehen am Glücksrad sowie die Ungerechtigkeit des Lebens nimmt der „Narrenspiegel“ satirisch aufs Korn.

„Frau Weisheit“ appelliert an die Vernunft und Klugheit ihrer Zuhörer. Das Signet, das Motto „Nut on vrsach“ (Nichts ohne Grund) sowie Name und Wappen des Baseler Druckers Johann Bergmann von Olpe beschließen das „Narrenschiff“. Das Buch wurde 1494 zur Fastnacht, „die man der Narren Kirchweih nennt“, gedruckt.
Wann Johannes Gutenberg geboren wurde, ist nicht bekannt.

Ein aufgeputzter Bauer will mehr sein als er eigentlich ist, und der närrische Schatzsucher wird sein Glück nicht lange genießen können, denn der Teufel lauert ihm schon auf.

Dem Arzt kommt der Tod gefährlich nahe, und auch der Kaiser muss damit rechnen, von ihm aus dem Leben gerufen zu werden.

Der reiche Mann will dem Bettler nichts abgeben. Die Grafik daneben stammt aus einem anderen Buch, das das gleiche Thema behandelt.

Der ganz in Eisen gekleidete Ritter kann so viel schreien wie er will, seinem Schicksal wird er nicht entkommen. Die Schiffsmannschaft muss entsetzt zusehen, wie der Tod den Mast umknickt und sie untergehen lässt.
Repros: Caspar
Wann Johannes Gutenberg geboren wurde, ist nicht bekannt. Traditionell wird das Jahr 1400 angenommen. 1999 wurde Henne Gensfleisch genannt Johannes Gutenberg in den USA zum „Mann des Jahrtausends“ gekürt, weil seine beweglichen Lettern wie kaum eine andere Erfindung so exorbitant den Gang der Geschichte und das Leben der Menschen beeinflusst hat. Im Umgang mit Metallstempeln und Gravierwerkzeugen vertraut, besaß Gutenberg gute Voraussetzungen, um das mühsame Abschreiben von Büchern und Dokumenten durch die Verwendung von beweglichen und wiederverwendbaren Lettern aus einer Mischung von Blei, Zinn und Antimon zu ersetzen. Die im Winkelhaken Zeile für Zeile aneinander gereihten Buchstaben und Zeichen wurden zu ganzen Seiten zusammengestellt und eingefärbt. Der Satz kam in die Druckerpresse und färbte auf das Papier darauf ab. Bis zur Erfindung von Schnellpressen und Rotationsmaschinen im 19. Jahrhundert hat sich das Verfahren nur unwesentlich verändert.
Gottesfurcht, Ehrlichkeit und Mitmenschlichkeit
Die Buchdruckerkunst breitete sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Windeseile aus. In vielen Städten, vor allem solchen mit Universitäten, etablierten sich Druckereien und Verlage, die eine Fülle von Drucken in Gestalt der Bibel und anderen religiösen Büchern sowie Geschichten über berühmte Herrscher und ihre Heldentaten hervor brachten. Bücher und Pamphlete aller Art sorgten im frühen 16. Jahrhundert zur Verbreitung der Forderungen des Wittenberger Reformators Martin Luther und der seiner Gegner. Auf den Markt geworfen wurden auch illustrierte Volks- und religiöse Erbauungsbücher, die die Menschen mit drastischen Holzschnittbildern und Sprüchen auf den Pfad der Tugend zu führen suchten.
Die Bücher und Flugschriften predigen Gottesfurcht, Ehrlichkeit und Mitmenschlichkeit und malen das Leben im Paradies beziehungsweise die Wirkungen des höllischen Fegefeuers aus. Andere Drucke schildern in Bild und Schrift, wie die feudale Ständegesellschaft vom Papst und Kaiser hinab bis zu Handwerkern und Bauern aufgebaut ist, wie man in den Städten und auf dem Land lebt und arbeitet und was die Leute am Leib und auf dem Kopf tragen. Handwerker und das städtische Proletariat, die die Werte und Mittel schaffen und „denen da oben“ ein sorgenfreies Leben ermöglichen, kommen an untergeordneter Stelle vor. Im Bauernkrieg von 1525 zeigten sie den Fürsten und adligen Gutsbesitzern die Zähne – und wurden grausam bestraft und auf ihre Plätze ganz unten an der ständischen Gesellschaftspyramide verwiesen.
Gesellschaft nach drei Ständen gegliedert
Die nach drei Ständen – Papst und Geistlichkeit, Kaiser und Adel sowie Gelehrte, Bürgersleute, Handwerker und Bauern – gegliederte Gesellschaft ist in Jost Ammans Ständebuch von 1568 präsent. Es beginnt beim Papst, der auf dem Holzschnitt die dreifache Krone trägt und sich von seiner Leibgarde durch die Stadt tragen lässt, führt über Kaiser, Könige, Fürsten und „Gentelon“ genannten Personen mit viel Macht in den Händen, um dann zu Ärzten, Apothekern und andern gelehrten Männern zu kommen, die dem dritten Stand zugerechnet wurden. Manche von ihnen hatten sich, von ganz unten kommend, in höhere Schichten hochgearbeitet. Es schließen sich im Ständebuch verschiedene bürgerliche Handwerksberufe wie Glockengießer, Fenstermacher, Büchsenschmiede, Uhrmacher, Goldschmiede und Münzmeister, um bei Bergleuten, Musikern und Narren zu enden. Das waren Leute, die nur zu dienen und ansonsten nichts zu sagen haben. Zwischendurch kommt ein Bauer vor, dem die Arbeit schwer und sauer wird, der nur Wasser trinkt und grobes Brot essen muss.
Große Verbreitung im In- und Ausland erreichte noch vor der Lutherschen Reformation dem „Narrenschiff“ des Sebastian Brant (1457–1521) zuteil. Der Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Basel beziehungsweise Stadtsyndikus und Kanzler in Straßburg war einer der produktivsten Autoren lateinischer Andachtslyrik und trat auch als Herausgeber von antiken Klassikern und Schriften italienischer Humanisten in Erscheinung. Sein 1494 in Basel veröffentlichtes Werk „Das Narrenschiff“ kennzeichnet ihn als herausragenden Vertreter des Humanismus. Die in Basel von Johann Bergmann von Olpe gedruckte Spruchdichtung mit über einhundert von keinem Geringeren als dem jungen Albrecht Dürer und anderen Künstlern geschaffenen Holzschnitten avancierte um 1500 zu dem wohl erfolgreichsten deutschsprachige Volksbuch dieser Art.
Narren auf dem Weg nach Narragonien
Sebastian Brant begleitet zahlreiche Narren auf dem Weg per Schiff in das legendäre Land Narragonien. Er zeigt sie, wie sie sich auch in gefährlicher Lage nach dem Motto „Lasst uns fröhlich sein“ auf Abenteuer freuen. Ein mit einer Narrenkappe behängter Gelehrter wischt Staub von seinen Büchern, die er aber nicht liest. Bücher sind nur dann nützlich, lautet die Botschaft, wenn sie fleißig gelesen werden. Die letzten Seiten des „Narrenschiffs“ zeigen einen Engel, der als „Frau Weisheit“ gedeutet wird, weil er das Volk auf den Weg zur Weisheit und Vernunft zu bringen versucht.
Überall sind Männer und Frauen mit und ohne Narrenkappen und daran hängenden Schellen dabei, einander zu belügen und zu betrügen, zu bestehlen, Unheil anzurichten, dem Geld und Glück nachzujagen und die christlichen Gebote zu brechen. In dieser verkehrten Welt kommen alle erdenklichen Laster und Verirrungen vor, und sie werden von deftigen Sprüchen immer in sechs Zeilen aufs Korn genommen. Brant fordert immer wieder dazu auf, Vernunft walten zu lassen und der Narretei abzuschwören. Ihm geht es darum, der Weisheit, Vernunft und den guten Sitten zum Sieg zu verhelfen. In Verbindung mit den Holzschnitten gibt er der Dummheit und Torheit, dem Neid und dem Hass in allen Ständen seiner Verachtung preis. Da die in deutscher Sprache verfasste Bild- und Textsatire großen Anklang fand und auch von der gelehrten Welt verstanden werden sollte, hat man sie 1497 ins Lateinische übersetzt und durch Übersetzungen in weitere Sprachen quer durch Europa bekannt gemacht.
Die über einhundert Bilder und Sprüche im „Narrenspiegel“ geißeln Gotteslästerei und Aberglauben, Geiz, Habsucht, Missgunst und Undank, Überheblichkeit und Zorn, Fresslust, Lug und Trug, aber auch Tanz um das Goldene Kalb, Wollust und Ehebruch, Eitelkeit, Schwatzhaftigkeit, Bestechlichkeit und Spielsucht. Angeprangert werden auch Zwietracht, Stolz, Übermut und Spottlust, schlechte Manieren und das vom Teufel gesteuerte Graben nach Schätzen. Ferner werden Erbschleicherei, Faulheit, das Verleihen von Geld, Vertrauensmissbrauch und ganz allgemein Unvernunft angeprangert. Indem Brant seiner Mit- und Nachwelt den Spiegel vors Gesicht hält, fordert er sie auf, ein ehrbares und gottesfürchtiges Leben zu führen. Bei all seiner Kritik hält er sich zurück, die herrschenden Verhältnisse infrage zu stellen und die Umtriebe der Papstkirche und der Feudalgesellschaft anzugreifen, wie das später vom Reformator Martin Luther Führern des Bauernkriegs von 1525 getan wurde.
Herzerfrischender Erziehungsoptimismus
Herausgeber Manfred Lemmer stellt im Nachwort des Insel-Buches fest, Sebastian Brant habe eine mildere Sicht auf menschlichere Unzulänglichkeiten gehabt und sie auch nicht als Laster gebrandmarkt. Düstere Schreckensmoral und das Ausmalen ewiger Höllenstrafen seien seine Sache nicht gewesen. Moralischen Schwächen werden als Torheiten und Folge mangelnder Verstandesbildung gedeutet. Brant sei von einem herzerfrischenden Erziehungsoptimismus durchdrungen gewesen, schreibt Lemmer. Er habe daran geglaubt, dass die Menschen die Narrheit überwinden können, sofern sie belehrt und zum Gebrauch ihrer Vernunft geführt werden. Verderblich sei weniger das Narrsein als das Narrbleiben, das heißt die hartnäckige Verstocktheit des Menschen und sein Beharren bei der Narrheit. Daher predige Brant Selbsterkenntnis als ersten Schritt zur Weisheit.“
Einen Totentanz der besonderen Art schuf Hans Holbein der Jüngere (1497/8-1543), zu sehen im Band 221 der Insel-Bücherei. Der aus Augsburg stammende, aber in Basel und London tätige Maler und Grafiker zeigt auf 41 Holzschnitten den als Gerippe dargestellten „Gevatter Tod“ als ein fleischloses Wesen, das gnadenlos nach dem Leben greift und junge wie alte Leute zu sich holt. Die Bilderfolge beginnt mit der Erschaffung der Welt, zeigt Adam und Eva und ihre von einem Gerippe begleiteten Vertreibung aus dem Paradies und schildert, was den in Kostümen des frühen 16. Jahrhunderts gekleideten „Spitzen“ der Feudalgesellschaft und mit ganz einfachen Leuten geschieht, wenn erst einmal der Tod unter ihnen Ernte hält. Auf verschiedenen Holzschnitten ist die Sanduhr als Symbol für das ablaufen Leben zu sehen, so auch bei Vertretern der Geistlichkeit, die wie ganz normale Leute damit rechnen müssen, irgendwann aus dieser Welt abgerufen zu werden. Die nach Holbeins Vorlagen von dem in Basel tätigen geschaffenen Holzschnitte erschienen erstmalig im Jahre 1530 als Bildersammlung. Sie war so beliebt, dass man schon bald ein Buch daraus gemacht hat.
Kriege, Aufstände und Entdeckungen
Holbeins „Bilder des Todes“ aus der Zeit um 1530 sind ein sehr spezielles Dokument für die Zusammensetzung der Gesellschaft im früh 16. Jahrhundert. Es war gezeichnet von Kriegen, Aufständen, Brüchen in Glaubensfragen und einer vorsichtigen Abkehr von den Normen des Mittelalters. Es gab Entdeckungen und die Erkenntnis, dass die Erde keine Scheibe ist und wie sich die Gestirne bewegen. Kaiser, Könige, Fürsten, Ritter, Bischöfe und Mönche und all die anderen Mitglieder der frühneuzeitlichen Gesellschaft bis hinunter zu den Bauern und Handwerkern können sich gegen den Tod wehren, wie sie wollen - über kurz oder lang werden aus dieser Welt abgerufen. Der Tod ist überall, auch der Krämer kann nichts gegen ihn tun, und auch der Ackermann und das Kind sind vom Tod umfangen.
Erst im Tod sind die Reichen und Schönen, die Armen und Ausgestoßenen, die Einheimischen und die Fremden gleich, und wer ein gottgefälliges Leben geführt hat, erhält einen Platz im Paradies, lautet die Botschaft zahlreicher mit Leben und Sterben befasster Darstellungen und Bücher aus der damaligen Zeit. In zahlreichen Kirchen sind so genannte Totentänze zu finden, so auch als Wandgemälde in der Berliner Marienkirche. Berlin und die Mark Brandenburg wurden immer wieder von Seuchen heimgesucht, und jedesmal gab es viele Todesopfer. Die Ursache für das Massensterben konnte man nicht erklären. Der „schwarze Tod“ wurde mit allgemeiner moralischer Verkommenheit in Verbindung gebracht und als göttliche Strafe gedeutet. Nicht erkannt wurde, dass fehlende Hygiene, das Zusammenleben auf engstem Raum, Mangelernährung und der Gesundheitszustand der Bevölkerung der Ausbreitung der Pest Vorschub leisteten.
Alle müssen sich in ihr Schicksal fügen
Da wird der stolze Ritter von einem Gerippe mit einem Spießt durchbohrt, eine betende Nonne wirft einen letzten Blick auf ihren Liebhaber, der Edelmann wehrt sich mit erhobenem Schwert gegen sein Ende, der thronende Kaiser und an einer festlichen Tafel speisende König werden inmitten ihres luxuriösen Lebens abgerufen, und auch der Papst, der gerade einen vor ihm knienden Fürsten krönt, muss sich in sein Schicksal fügen. Der neben ihm stehende Tod kündigt ihm bei der Zeremonie das nahe Ende an. Auch der Kaufmann wird mitten in seiner Arbeit gestört und von seinen Warenballen fortgerissen. Die im trauten Gespräch befindlichen Ratsherren und der Prediger in der Kirche sind vor dem Tod nicht sicher. Ob sie und die anderen Zeitgenossen des Hans Holbein je in den Himmel kommen oder für ihre Taten und Untaten in der Hölle schmoren, lassen die Bilder offen. Die Szenen spielen sich nicht in imaginären Räumen ab, sondern in ihrer mal reichen, mal armseligen Umwelt und immer in Kostümen des frühen 16. Jahrhunderts. Ob sie denn privilegiert sind und alle Reichtümer der Welt besitzen oder der Unterschicht angehören und ums tägliche Überleben kämpfen – alle diese Menschen können ihrem Ende nicht entkommen.
Viele Bücher wurden ohne Erlaubnis zum Schaden der Verfasser, Verleger und Druckereien, die oft eines zusammen waren, nachgedruckt. Deshalb mussten sich die Urheber beim Kaiser in Wien und anderen Potentaten gegen Geldzahlung um Schutzbriefe und Privilegien bemühen, die wir heute Copyright nennen würden. Da viele Leute weder lesen noch schreiben konnten, halfen die oft drastisch und daher auch allgemein verständlich gestaltete Illustrationen die in deutscher und wegen der internationalen Verständlichkeit lateinisch abgefassten Botschaften frommen und erbaulichen Inhalts zu verstehen. Nach damaligem Brauch wurden nur Seiten oder Bögen gedruckt. Wer diese Blätter schön eingebunden haben wollte, musste einen Buchbinder bemühen, der dann auch kostbar in Leder oder Pergament gebundene Folianten herstellte. Diese Arbeit war in der Regel teurer als der eigentliche Buchdruck.
Totentanz in der Berliner Marienkirche
Skelette und Totentanzdarstellungen waren den Menschen des Mittelalters und späterer Jahrhunderts durchaus geläufig. Der Tod begegnete ihnen überall, die Lebenserwartung war gering, zahlreiche Kinder erreichten das erste Lebensjahr nicht. Unzählige Menschen starben bei der sich in größeren Abständen wiederholenden Pest, die man schwarzen Tod nannte. In der Berliner Marienkirche blieb ein 22 Meter langes und etwa zwei Meter hohes Totentanzgemälde aus dem späten 15. Jahrhundert erhalten. Leider auch sind die farbigen Zeichnungen von weiß gewandeten Toden zwischen Vertretern der spätmittelalterlichen Gesellschaft und Sprüche nur fragmentarisch erhalten. Manche Experten sehen beim Totentanz einen Zusammenhang mit der Pest, die 1484 in der Doppelstadt Berlin-Cölln grassierte und viele Todesopfer forderte. In der Reformationszeit, als ein großer Bildersturm die Kirchen leer fegte, hat man den Fries überstrichen.
Erst im Spätherbst 1860 wurde der Reigen weiß gewandeter „Tode“ mit 28 Vertretern geistlicher und weltlicher Stände von dem Architekten Friedrich August Stüler freigelegt. Offenbar hat die fragmentarische Überlieferung nicht genügt, und so wurde die Bilderfolge recht großzügig und fantasievoll ergänzt. Diese „Überrestaurierungen“ wurden Mitte der fünfziger Jahre rückgängig gemacht, so dass sich die Wandmalerei heute in authentischem, aber fragmentarischem Zustand zeigt. Der nur noch schemenhaft erhaltene Zyklus im Eingangsbereich der Marienkirchen steht in der Tradition niederländisch-norddeutscher Totentanzdarstellungen und –dichtungen des späten Mittelalters, und er ist ein wichtiges, leider nur fragmentarisch erhaltenes Denkmal der im damaligen Berlin gesprochenen niederdeutscher Mundart. Ziemlich gut erhalten ist, was beispielsweise der Bürgermeister zu seinem bleichen Begleiter spricht: „Och gude doeth ick kann die nicht entwiken / du halest den armen vnde den riken - O guter Tod, ich kann Dir nicht entweichen / Du holst den Armen und den Reichen“. Dem Franziskanermönch, der den Reigen eröffnet, sagt der Tod, dieser habe immer gut reden können, nun aber müsse er den bitteren Tod erleiden, und dem Augustinermönch wird angekündigt „Die Geistlichen sterben gleich den Laien“. Dem Wucherer wirft der Tod vor, er sei für Geld gut zu sprechen gewesen, aber weil er die Armen übervorteilt hat, werde er großes Weh erleiden. Auch der Gastwirtin droht der Tod: „Ihr müsst schon mit, / Falsch zapfen (und) abrechnen ist Eure Sitte / Folget nach, Ihr seid wohl zum Tanze bereit“. Worauf die „Krügersche“ genannte Wirtin antwortet, der Tod möge lieber den Narren mitnehmen, denn sie wolle weiter Bier zapfen.
24. September 2025