Gute Miene zum bösen Spiel

Auf den Konferenzen in Jalta und Potsdam zelebrierten die Siegermächte vor 80 Jahren Einigkeit

 

  

Im Schloss Cecilienhof, der zur Gedenkstätte umgewandelten ehemaligen Residenz des Kronprinzen Wilhelm, scheint die Zeit still zu stehen. Es sieht aus, als hätten die Großen Drei gerade den runden Tisch im Konferenzsaal verlassen.

 



Churchill, Truman und Stalin demonstrierten in Potsdam freundliche Einigkeit. In Wahrheit aber gab es Streit um die Zukunft Deutschlands und Europa, aus dem schon bald der Kalte Krieg wurde.

 



So einträchtig wie behauptet, ging es auf der Berliner Konferenz, die in Potsdam stattfand, nicht zu, wie die Karikatur zeigt. Viele Probleme mussten gelöst werden, der tiefe Graben zwischen Ost und West wurde bald sichtbar.

 



Hitler, Himmler, Goebbels und die anderen Naziführer wussten, dass die Siegermächte keine Gnade walten lassen werden. In Jalta und Potsdam wurde ihre strenge Bestrafung festgelegt, der Galgen wartete schon.

 



In der von den Siegermächten kontrollierten Presse wurde ausführlich über die Potsdamer Konferenz berichtet.

 



Stalin wurde in der Sowjetischen Besatzungszone und ab 1949 der DDR als großer Held und Befreier gefeiert. Sein Wohnsitz während der Potsdamer Konferenz an der Karl-Marx-Straße 27 im Ortsteil Babelsberg ist mit einer Tafel gekennzeichnet.

 

Fotos/Repros: Caspar

 

Im Sommer 1945 tagten im Potsdamer Schloss Cecilienhof die Spitzen der Siegermächte USA, Großbritannien und Sowjetunion, um über die Nachkriegsordnung in Europa zu beraten. Während der Zweite Weltkrieg noch in Asien tobte, ließen sich in der malerisch an der Havel gelegenen Residenz des früheren Kronprinzen Wilhelm, des Sohns von Ex-Kaiser Wilhelm II., die Differenzen in der bisherigen Anti-Hitler-Koalition nur mühsam kaschieren. Dem Treffen voran gegangen waren vom 4. bis 11. Februar 1945 die noch von Harmonie und unbedingtem Siegeswillen geprägte Konferenz von Jalta auf der Halbinsel Krim und die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst. I

 

Nie wieder Krieg und Nazidiktatur

In Jalta beschlossen die Repräsentanten Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion, Churchill, Roosevelt und Stalin, mit Blick auf das bevorstehende Kriegsende, dass das Deutsche Reich in vier Besatzungszonen aufgeteilt wird, wobei Frankreich vierte Besatzungsmacht werden sollte. Beschlossen wurde die Vernichtung des Nationalsozialismus, Deutschland sollte für seine Verbrechen büßen, aber weiter bestehen bleiben. „Es ist unser unbeugsamer Wille, den deutschen Militarismus und Nationalsozialismus zu zerstören und dafür Sorge zu tragen, dass Deutschland nie wieder imstande ist, den Weltfrieden zu stören. Wir sind entschlossen, alle deutschen Streitkräfte zu entwaffnen und aufzulösen; den deutschen Generalstab, der wiederholt die Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus zu Wege gebracht hat, für alle Zeiten zu zerschlagen; sämtliche deutschen militärischen Einrichtungen zu entfernen oder zu zerstören; die gesamte deutsche Industrie, die für militärische Produktion benutzt werden könnte, zu beseitigen oder unter Kontrolle zu stellen.“ Alle deutschen Kriegsverbrecher sollten vor Gericht und  einer schnellen Bestrafung zugeführt werden. Gesprochen wurde auch über die Wiedergutmachung der von den Deutschen verursachten Zerstörungen.

 

Buße für furchtbare Verbrechen

Im zerstörten Berlin über die Zukunft des Deutschen Reichs und Europas zu diskutieren und Beschlüsse über Einflusszonen und neue Grenzen zu fassen, war den Vertretern der Siegermächte nicht möglich, weshalb sie das im Potsdamer Neuen Garten gelegene und gut abgeschirmte Schloss Cecilienhof wählten. Die Großen Drei - der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston Churchill und der sowjetische Staats- und Parteichef J. W. Stalin als Gastgeber - einigten sich hier über die Nachkriegsordnung in Europa. Als die offiziell „Berliner Konferenz“ genannte Zusammenkunft vom 17. Juli bis 2. August in Potsdam tagte, war die Zusammensetzung der Teilnehmer anders als in Jalta. Nach dem Tod des US-Präsidenten Roosevelt am 12. April 1945 saß Harry S. Truman als neuer Präsident in Cecilienhof am Tisch. Nachdem Churchill die Unterhauswahlen verloren hatte, machte er am 29. Juli 1945 seinem Nachfolger Clement Atlee Platz.  

Das am 2. August 1945 unterzeichnete Potsdamer Abkommen legte unmissverständlich fest, dass das deutsche Volk für die furchtbaren Verbrechen büßen soll, „die unter der Leitung derer, welche es zur Zeit ihrer Erfolg offen gebilligt hat und denen es blind gehorcht hat, begangen wurden. (...) Die Alliierten treffen nach gegenseitiger Vereinbarung in der Gegenwart und in der Zukunft auch andere Maßnahmen, die notwendig sind, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann. Es ist nicht die Absicht der Alliierten, das deutsche Volk zu vernichten und zu versklaven. Die Alliierten wollen dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, sich darauf vorzubereiten, sein Leben auf einer demokratischen und friedlichen Grundlage von neuem wiederaufzubauen. Wenn die eigenen Anstrengungen des deutschen Volkes unablässig auf die Erreichung dieses Zieles gerichtet sein werden, wird es ihm möglich sein, zu gegebener Zeit seinen Platz unter den freien und friedlichen Völkern der Welt einzunehmen.“ Stalin erklärte sich bereit, drei Monate nach Ende des Krieges in Europa in den Krieg gegen Japan einzutreten, und außerdem stimmte er der Gründung der Vereinten Nationen zu.

 

Grenzverschiebungen und Vertreibungen

Die Siegermächte sprachen der Sowjetunion das bisher zum Deutschen Reich gehörende Gebiet um Königsberg zu und bestimmten, dass die polnische Grenze weiter nach Westen an die Oder und Neiße vorgeschoben wird und Danzig unter polnische Verwaltung kommt. Außerdem sollte die Sowjetunion bedeutende Gebiete im ehemaligen Ostpolen erhalten, womit Stalin seinen Herrschaftsbereich weiter ausbaute. Die Grenzverschiebungen und Vertreibungen, zu denen die betroffenen Menschen nicht befragt wurden, waren mit großem Leid verbunden, die bis heute die Beziehungen der betroffenen Länder belasten. Das gilt auch für die Ausweisung von Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. Zwar sollte diese „in geregelter und humaner Form“ und in gerechter Verteilung auf die einzelnen Besatzungszonen geschehen. Doch weiß man, dass viele der 12,4 Millionen Menschen die chaotischen Zustände nicht überlebt haben. Wer nach langer Irrfahrt das so genannte „Altreich“ erreichte, wurde von der dort lebenden Bevölkerung nicht immer freundlich empfangen.

Offiziell hieß das Potsdamer Abkommen „Mitteilung über die Dreimächtekonferenz von Berlin“. Nach dem Willen der Siegermächte sollte das deutsche Volk überzeugt werden, „dass es eine totale militärische Niederlage erlitten hat und dass es sich nicht der Verantwortung entziehen kann für das, was es selbst dadurch auf sich geladen hat, dass seine eigene mitleidlose Kriegführung und der fanatische Widerstand der Nazis die deutsche Wirtschaft zerstört und Chaos und Elend unvermeidlich gemacht haben.“ Zu den wichtigsten Punkten der Vereinbarung gehörten die Ausrottung des Nationalsozialismus und Militarismus sowie die Schaffung demokratischer und friedlicher Verhältnisse in Deutschland. Außerdem enthielt das Dokument Festlegungen über die Beziehungen der Völker untereinander und für eine künftige Friedensordnung in Europa. Die deutsche Bevölkerung sollte entnazifiziert und Kriegsverbrecher und hohe NS-Funktionäre vor Gericht gestellt werden. Der Alliierte Kontrollrat mit Sitz in der Viermächtestadt Berlin übernahm die Regierungsgewalt im Besetzten Deutschland. Erlaubt wurde den Deutschen die Selbstverwaltung auf lokaler Ebene.

 

Kontrollrat übernimmt das Ruder

Im alten Kammergerichtsgebäude am Kleistpark tagend, erließ der Kontrollrat zahlreiche Befehle, Gesetze, Verordnungen und Direktiven. Die ersten beiden Gesetze betrafen die Aufhebung nationalsozialistischer „Rechtsprechung“ sowie die Auflösung und Liquidierung der NS-Organisationen. In den 1946 erlassenen Befehlen 3 und 4 ging es um die Aussonderung und Vernichtung von Literatur und Werken nationalsozialistischen und militaristischen Inhalts beziehungsweise um die Registrier- und Arbeitspflicht für alle Personen im erwerbsfähigen Alter. Weitere Maßnahmen betrafen die neuen Grenzziehungen sowie die Umsiedlung und Vertreibung der Menschen aus den deutschen Ostgebieten. Festgelegt wurde, dass die Besatzungsmächte Aufgaben zur Demilitarisierung und Bereitstellung von Gütern zwecks Reparation im jeweiligen Besatzungsgebiet von den Siegermächten selbstständig durchgeführt werden soll.

Ferner legte das Abkommen die Dezentralisierung der deutschen Wirtschaft sowie das Verbot von Kriegsproduktionen fest. Reparationsansprüche der Sowjetunion sollten durch „Entnahme“ von Industriegütern und Demontage von Fabriken in der Sowjetischen Besatzungszone befriedigt werden. Dazu heißt es in der Deklaration, das deutsche Volk könne seiner Verantwortung für die Verluste und Leiden der „Vereinten Nationen“, mit denen die von der Wehrmacht überfallenen Länder gemeint waren, nicht entgehen. Die Demontage sollte so bald wie möglich erfolgen und in zwei Jahren abgeschlossen werden. Die 1949 gegründete DDR hatte allergrößte Schwierigkeiten, mit dem Abtransport von Maschinen, dem Abbau von Eisenbahnschienen und anderen Kompensationsmaßnahmen fertig zu werden und tat alles, dass in der Bevölkerung keine Debatten über den Sinn und Unsinn der Demontagen aufkamen.

 

„Ein Schatten ist auf die Erde gefallen“

Schon bald nach dem Krieg spitzten sich die Beziehungen zwischen Ost und West zu. Am 5. März 1946 brachte der bisherige britische Premierminister Winston Churchill das Problem auf den Punkt, als er in Anwesenheit des US-Präsidenten Truman im amerikanischen Fulton das Bild vom Eisernen Vorhang für die Teilung Europas in einen westlichen, freiheitlichen Teil und in einen Bereich verwandte. „Ein Schatten ist auf die Erde gefallen, die erst vor kurzem durch den Sieg der Alliierten hell erleuchtet worden ist. Niemand weiß, was Sowjetrussland und die kommunistische internationale Organisation in der nächsten Zukunft zu tun gedenken oder was für Grenzen ihren expansionistischen und Bekehrungstendenzen gesetzt sind, wenn ihnen überhaupt Grenzen gesetzt sind. Ich habe hohe Achtung und Bewunderung für das tapfere russische Volk und meinen Kameraden aus der Kriegszeit, Marschall Stalin. Großbritannien – und sicher auch Amerika – empfindet für die Völker Russlands Sympathie und Wohlwollen, und es ist entschlossen, trotz allen Differenzen und Rückschlägen unentwegt an der Errichtung einer dauernden Freundschaft mit Russland zu arbeiten. Wir verstehen, dass Russland seine Grenzen im Westen gegen einen eventuellen neuen deutschen Angriff sichern muß.“ Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria sei ein "Eiserner Vorhang" über den Kontinent gezogen, fuhr Churchill fort. Hinter ihm lägen alle Hauptstädte der alten Staaten Zentral- und Osteuropas: Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. „Alle jene berühmten Städte liegen in der Sowjetsphäre und alle sind sie in dieser oder jener Form nicht nur dem sowjetrussischen Einfluss ausgesetzt, sondern auch in ständig zunehmendem Maße der Moskauer Kontrolle unterworfen.“

 

Kalter Krieg nahm seinen Anfang

Churchill glaubte nicht, dass Sowjetrussland den Krieg will. „Was es will, das sind die Früchte des Krieges und die unbeschränkte Ausdehnung seiner Macht und die Verbreitung seiner Doktrin. (...) Nach dem zu schließen, was ich während des Krieges bei unseren russischen Freunden und Verbündeten gesehen habe, bewundern sie nichts so sehr wie Kraft und Macht, und nichts verachten sie so sehr wie militärische Schwäche.“ Aus diesem Grunde sei die alte Doktrin des Gleichgewichts der Mächte etwas Ungesundes, und dagegen müsse die westliche Welt geschlossen handeln. „Wenn die Westmächte aber uneinig werden und auseinanderfallen oder in ihrer Pflichterfüllung schwanken und wenn alle diese entscheidenden Jahre ungenützt verrinnen, dann wird uns die Katastrophe allerdings mit größter Wahrscheinlichkeit ereilen“, war Churchill überzeugt.

Der Kalte Krieg nahm mit Drohungen und Interventionen auf beiden Seiten seinen Anfang. Durch das atomare Gleichgewicht des Schreckens, das die amerikanischen Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki im Sommer 1945 überdeutlich zum Ausdruck gebracht hatten, konnte ein Dritter Weltkrieg verhindert werden, doch stand die Menschheit mehrmals kurz davor. Churchills  Worte von damals klingen, als wurden sie heute angesichts massiver Bedrohungen durch den russischen Diktator Putin gesprochen, und sie sollten nicht nur an Jahrestagen in Erinnerung gerufen werden.  

 

22. August 2025