Erzherzog hatte geniale Idee
Wiege des Talers als silbernes Äquivalent des Goldguldens stand in der Tiroler Bergstadt Hall

Erzherzog Sigmund von Tirol lebte in Saus und Braus, stürzte sich und sein Land in hohe Schulden und starb 1496 als vergleichsweise armer Mann.

In der Schweiz hat man Szenen aus Münzstätten gern auch auf Glasbilder gemalt. Die einer im Luzerner Museum gezeigte Darstellung laden in eine Geldschmiede ein.

Mit der Emission des ungewöhnlich großen und schweren Guldengroschen als Äquivalent des Goldgulden (oben) begann in Tirol ein neuer Abschnitt in der europäischen und internationalen Münz- und Geldgeschichte. Der Guldengroschen stammt aus dem Jahr 1486, das Halbstück trägt die Jahreszahl 1484.

Die Gestaltung des Berner Guldengroschen von 1494 folgt unverkennbar dem Tiroler Vorbild von 1486.

Für Sammler bestimmt waren in der Barockzeit so genannten Talerkabinette, aber auch Zeitschriften, die mit alten und neuen Münzen sowie Medaillen bekannt machen.

Von den ab 1500 ausgegeben sächsischen Klappmützentalern sind zahlreichen Versionen bekannt, was auf eine umfangreiche Prägung im Erzgebirge weist. Nach ihrem Vorbild haben die Grafen Schlick auf der böhmischen Seite des Erzgebirges in Sankt Joachimsthal die so genannten Joachimsthaler prägen lassen. Der Name wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts zum Thaler oder Taler abgekürzt und lebt als Dollar bis heute fort.
Fotos/Repros: Caspar
Wir kennen das alte Kinderlied „Taler, Taler du musst wandern“, doch wer außer uns Münzsammlern hielt je einen alten Taler in der Hand? Die Wiege des Talers stand in der Tiroler Bergstadt Hall. Als Erzherzog Sigmund (Sigismund), genannt „der Münzreiche“, dort im Jahr 1486 das ungewöhnlich große und schwere Silberstück als Äquivalent zum Goldgulden prägen ließ, hieß die Münze noch anders - Moneta Nova, Neue Münze, Großer Pfennig, Uncialis (nach dem Gewicht von etwa einer Unze ca. 32 Gramm) oder Guldengroschen. Der Name Taler wurde erst im Verlauf des frühen 16. Jahrhunderts von den böhmischen Joachimsthalern der Grafen Schlick auf die ganze Münzgattung übertragen. Was bei Bücherfreunden die Inkunabeln (Wiegendrucke) sind, jene bis zum Jahre 1500 geschaffenen Druckwerke aus der Gutenberg-Zeit, sind bei Numismatikern die Inkunabeltaler. Die bis ins frühe 16. Jahrhunderts geprägten Guldengroschen sind, von den sächsischen Klappmützentalern abgesehen, große numismatische Raritäten.
Der Guldengroschen war die Antwort Sigmund des Münzreichen, wie man den Tiroler Erzherzog nannte, auf geringer werdende Goldvorkommen in Europa und auf Probleme mit dem Goldimport aus dem Orient. In Tirol stand dem Erzherzog eine reiche Silberausbeute zur Verfügung, die er gewinnbringend in klingende Münze verwandelte. Die technische Herstellung der neuen Münzen war nicht einfach. Bisher hat man mit dünnen Pfennigen oder Groschen aus Silber bezahlt, die man am Amboss mit handlichen Stempeln schneller und kraftsparender herstellen konnte als die neuen Silberstücke. Ihnen beidseitig ein scharfes Prägebild zu verpassen, bedurfte großer Anstrengung und gelang nicht immer.
Das unter Sigmund von Tirol entwickelte Münzsystem bestand aus dem Sechser, Pfundner (12 Kreuzer), Halbguldiner (30 Kreuzer) und Guldiner (60 Kreuzer). Bemerkenswert ist das Bemühen, den Landesfürsten lebenswahr zu porträtieren. Diese Neuerung entsprach dem Geist der Renaissance, für sie gab es Vorbilder in Italien, wo man realistische Bildnisse auf Münzen und bald auch Medaillen setzte. Kaum waren die ersten Guldengroschen auf dem Markt, haben andere Fürsten sowie Städte sie nachgeahmt. Einer von ihnen war Herzog Renatus von Lothringen, der sich bereits 1488 auf einem Guldiner darstellen ließ. 1494 brachte die Stadt Bern eine weitere Münze dieser Art mit dem Bild des Heiligen Vinzenz und dem zweifachen Wappenkranz um einen Bären und einen Adler heraus. Die Ähnlichkeit mit dem Haller Vorbild von 1486 ist bei diesen und weiteren Silberstücken nicht zu übersehen und war auch gewollt, um Ebenbürtigkeit mit der Tiroler Guldengroschen zu unterstreichen.
Sigmund von Tirol wird von Chronisten als freigebiger, die angenehmen Seiten des Lebens mit vollen Zügen genießender Fürst von renaissancehaftem Zuschnitt geschildert. An seinem Hof wurden Feste und Turniere veranstaltet, üppige Schmausereien waren an der Tagesordnung. Künstler und Bauleute standen in seinem Sold, und auch die Münzprägung diente ihm neben wirtschaftlichen Zielen der eigenen Imagepflege. Neben dem Genussmenschen kann man in Sigmund auch eine vorsorglichen Landesvater sehen, der aus den eigenen Ressourcen das Beste herauszuschlagen verstand. Innerhalb weniger Jahre hatte es Sigmund mit italienischen Fachleuten geschafft, das Geldwesen in seinem Herrschaftsbereich zu modernisieren und damit ein Signal für seine Zeitgenossen zu geben, die in ihren Bergwerken ebenfalls nach Edelmetall suchen ließen.
Sigmund baute seine Residenz Innsbruck großartig im spätgotischen Stil aus und war durch seine glänzende, freilich auch sehr teure Hofhaltung berühmt. Obwohl ihm 50 illegitime Kinder nachgesagt werden, entsprangen seinen zwei Ehen kein legitimen Nachkommen. So blieb er in damaliger Sicht kinderlos. Nach der 31 Jahre währenden Ehe mit Eleonore von Schottland vermählte sich der 56jährige Witwer 1484 mit der erst 16jährigen Katharina von Sachsen. Die Ehe der ungleichen Partner verlief unerfreulich. Als Sigmund 1496 starb, wollte er noch einmal kräftig in sein eigenen Geld zu greifen. Eilig schaffte man die mit seinem Bildnis geschmückten Guldengroschen herbei, so dass „sein gnad in ain silber“ fassen konnte. Bei der Totenmesse flankierten drei Becken mit Gold- und Silbermünzen den Sarg.
In der Spätzeit seiner Herrschaft zeigten sich bei Sigmund Anzeichen zunehmenden Vergreisung. Es ließ eine ausufernde Günstlingswirtschaft zu. Sogenannte „bösen Räte“ bereicherten sich schamlos und sollen ihm geraten haben, sein Land für 50 000 Gulden an Bayern zu verpfänden, um drängende Geldprobleme zu lösen. Solche Aktionen waren nicht unüblich, auch andere Potentaten gaben aus diesem Grund Landesteile und Bauwerke in andere Hände. Jetzt aber trat Kaiser Friedrich III. als Oberhaupt der Habsburgerdynastie auf den Plan. Er brachte seinen bis dahin in Saus und Braus lebenden Verwandten dazu, dass er 1490 abdankte und die Regentschaft an Friedrichs Sohn Maximilian, den späteren römisch-deutschen Kaiser, übertrug. Man billigte ihm eine Art Rente in Höhe von 200 Gulden pro Woche zu. Damit war der ehemals reiche Mann zu einem Almosenempfänger geworden, der keine großen Sprünge mehr machen konnte. Sigmund hinterließ einen riesigen Schuldenberg von 500 000 Gulden.
Von persönlichen und politischen Krisen und Katastrophen im Leben des Tiroler Erzherzogs ist auf den Münzen nichts zu sehen, die in der Burg Hasegg zu Hall in Tirol in großen Stückzahlen geprägt wurden. Sie zeigen den Landesherrn stehend in voller Rüstung oder auch sein Brustbild mit einer gezackten Krone, dazu Wappenschilder als Symbole für die Gebiete, die er sein eigen nannte. Dass über ein Jahrhundert später die aus dem Haus Habsburg kommenden Hoch- und Deutschmeister auf ihren Münzen die Tiroler Motive neu verwendet haben, ist ein ungewöhnlicher Vorgang, denn sie waren aus der Zeit gefallen, und man schmückte seine Geldstücke mit anderen Bildern.
Taler boten Stempelschneidern ganz neue Entfaltungsmöglichkeiten, denn auf Groschen und Pfennigen ließen sich Porträts, Reiterfiguren, Heilige, Stadtansichten oder aufwändige Wappenschilder nur schlecht unterbringen. Das war nun besser auf den 40 Millimeter und mehr großen Silberstücken möglich. Die frühen Taler waren zunächst kaum im normalen Geldverkehr anzutreffen, sondern dienten eher der fürstlichen Repräsentation. Doch auch Städte brillierten mit den neuartigen Großsilbermünzen und unterstrichen damit ihre wirkliche oder vermeintliche Bedeutung. Von den numismatischen Neulingen mögen größere Stückzahlen hergestellt worden sein, aber fast ebenso viele Exemplare wurden im Laufe der Jahrhunderte wieder eingeschmolzen, um Material für neue Münzen zu gewinnen. Erst als im Laufe des 17. Jahrhunderts zeitgenössisches Hartgeld als Sammelgegenstand entdeckt wurde, hat man das eine oder andere Stück, vor allem wenn es repräsentativen Charakter besaß, besonders gestaltet oder mit einer interessanten Geschichte verbunden war, vor der Vernichtung bewahrt.
Thaler-Cabinette und andere Kataloge
Wer Münzen und Medaillen sammelt, braucht gute Literatur, und so ist es nur natürlich, dass man dieses Bedürfnis seit der Barockzeit durch Herausgabe von Katalogen befriedigte. Eines dieser Bücher wurde von dem Pfarrer Michael Lilienthal (1686-1750) unter dem Titel „Vollständiges Thaler-Cabinet das ist Historisch-critische Beschreibung derjenigen zweylöthigen Silber-Münzen, welche unter dem Namen Der Reichs-Thaler bekannt sind“ veröffentlicht. Erfasst sind mehr als 1500 Taler und talerförmige Münzen. Die Aufzählung beginnt bei den Geprägen der römisch-deutschen Kaiser und der russischen Zaren, geht über zu den Münzen aus den damaligen Königreichen Frankreich, England, Schweden, Ungarn, Böhmen, Dänemark, Polen und Preußen. Berücksichtigt sind ferner die Taler der deutschen Kurfürsten, gefolgt von den geistlichen Fürsten mit dem Papst an der Spitze. Mit den Talern von Fürsten, Markgrafen, Pfalzgrafen und anderen Standesherren sowie mit städtischen Münzen schließt das Nachschlagewerk. Lilienthal hat jedes Stück beschrieben, und so ist es auch heute möglich, bestimmte Objekte zu identifizieren.
Wir erwähnen Lilienthals Buch deshalb, weil es neben den Beschreibungen auch interessante Hinweise für Sammler von Talern und Bewertungskriterien enthält. Zunächst setzt sich der Verfasser mit Kritikern auseinander, die seine Beschreibungen entweder als zu kurz oder als zu ausführlich empfinden und ihm vorhalten, bestimmte Territorien stärker zu betonen und andere zu vernachlässigen, ein Vorwurf, mit dem auch heutige Autoren leben müssen. Wer je ein Buch veröffentlicht hat, kennt solche Einwände. Im Fall des „Vollständigen Thaler-Cabinets“ gibt der Verfasser zu bedenken, dass gewisse Territorien, etwa Sachsen und Lüneburg, mehr Taler geprägt haben als andere, weshalb deren Taler häufiger vorkommen als jene aus Ländern, die auf diesem Gebiet zurückhaltender waren, aus welchen Gründen auch immer. Lilienthal gibt sich als Mann zu erkennen, der nichts erdichtet, sondern objektiv nur das referiert, was andere Autoren zu verantworten haben.
2. März 2025