Einer, Fünfer und Zehner
Preußen experimentierte 1812 mit ungewöhnlichen Münzen, die nur als Proben existieren

Die Berliner Ausgleichsmünzen von 1812 und anderen Probeprägungen sind sehr selten und bei Preußensammlern begehrt.

Auch die preußischen Fünf-Taler-Stücke auch Gold von 1799 waren numismatische Eintagsfliegen.

Die voluminösen Kupfermünzen mit dem Kopf von König König George III. und vertieften Inschriften so nachzuahmen, dass es keinem auffällt, war praktisch unmöglich.

Im revolutionären Frankreich, in dem von Napoleon I. aus Teilen der preußischen Monarchie gebildeten Königreich Westphalen und anderen Ländern hat man Münzen mit vertieften Inschriften geprägt. Sie nachzuahmen war kaum möglich.

Auch die Münzen der Vereinigten Staaten von Amerika weisen ähnliche Merkmale auf, hier gut zu sehen auf einem halben Dollar von 1810.
Fotos: Caspar
Im frühen 19. Jahrhundert gab es in Preußen Bestrebungen, bei den Münzen das traditionelle Duodezimalsystem zu verlassen und zum Dezimalsystem überzugehen. Das Experiment ergab ungewöhnliche Kupfermünzen im Wert von einem, zwei, fünf und zehn Pfennigen. Diese so genannten Ausgleichsmünzen wurden 1812 nur probeweise hergestellt und erzielen, wenn sie im Handel angeboten werden, enorme Preise. Beschrieben sind sie in dem Buch von Manfred Olding „Die Münzen des Königreichs Preußen von 1786 bis 1873“ (Gietl Verlag Regenstauf 2014) und in dem Beitrag von Elke Bannicke „Die Probemünzen des Königreichs Preußen unter der Regierung Friedrich Wilhelms III. 1797.1840“ in den Beiträgen zur Brandenburgisch-Preußischen Numismatik Numismatisches Heft 5/1998, S. 38-72 unter 18.1-18.7. Friedrich von Schrötter hat in seinem Werk „Das Preußische Münzwesen 1806-1873“, Berlin 1926, die Beweggründe für diese ganz von der Norm abweichenden Geldstücke beschrieben. Jürgen Weise geht in „Münzen&Papiergeld Heft 5/2005 S. 35f. auf die Probemünzen ein und listet auf, wo sie vor und nach 1945 mit welchen Preisen vorgekommen sind.
Reformen waren längst fällig
Die Ausgleichsmünzen passten gut in die Reformbestrebungen, zu denen sich der preußische König Friedrich Wilhelm III. nach den Niederlagen seiner Armee 1806 und 1807 im Krieg gegen das napoleonische Frankreich aufraffen musste. Die Neuerungen gingen auf die Politiker Karl Reichsfreiherr vom Stein, Karl August von Hardenberg, Wilhelm von Humboldt und andere zurück und machten die Hohenzollernmonarchie fit für das 19. Jahrhundert. Stein hatte den stets zögerlichen König dafür gewonnen, einen einheitlichen Münzfuß auf der Grundlage des Dezimalsystems einzuführen. Daniel Friedrich Loos hat darauf hin Stempel nicht mit dem Königskopf und dem Preußenadler hergestellt wie bisher, sondern mit einer im Eichenkranz auf einem Felsen sitzenden Borussia, die sich auf den Adler stützt und die rechte Hand segnend ausstreckt. Das war ein Motiv, das Fälscher vor große Schwierigkeiten stellen würde, waren die Initiatoren der Ausgleichsmünzen überzeugt Das königliche Monogramm FW vertieft (!) im Felsblock unterzubringen, war technisch schwierig und hatte Vorbilder bei Münzen aus England, vertiefte Schriften kommen auch auf Münzen des Königreichs Westphalen und anderen Herrschaften vor.
Neuartige Prägestempel
Unter der Regentschaft von Friedrich Wilhelm III. gab es Bestrebungen, das preußische Münzwesen zu reformieren und es durch Herstellung neuartiger Prägestempel mit komplizierten Gravuren auch gegen vielfältige Angriffe von Fälschern zu sichern. Die Berliner Stempelschneider Daniel Friedrich Loos und sein Sohn Friedrich Wilhelm Loos legten der Generalmünzdirektion Werkzeuge vor, „deren Nachahmung für die gemeinen Falschmünzer unmöglich, für die künstlerischen [also technisch versierteren Graveure, H. C.] aber mit den größten Schwierigkeiten verknüpft sein würde“. Der zuständige Minister Friedrich Anton von Heinitz lobte gegenüber dem König die Leistungen des „sehr geschickten Hof-Medailleurs“, der sich an den neuartigen Pennies „englischer Produktion“ orientierte. Die von Loos entwickelten Friedrichs d’ors repräsentierten durch ihre ungewöhnliche Art, gleichzeitig erhaben und vertieft zu prägen, in Preußen einen neuen technischen Standard, betonte der Minister. Er halte die Nachahmung solcher Stempel selbst durch den geschicktesten Falschmünzer für unmöglich.
Heinitz bat den König, die „successive Anfertigung“ ähnlicher Stempel für doppelte und halbe Friedrichs d’ors sowie Reichstaler, Acht-, Vier- und Zweigroschenstücke „gnädigst befehlen“ zu wollen. Die gleichzeitige Verwendung erhabener und vertiefter Schriften, Zahlen, Bilder und Wappen für ein probehalber geprägtes goldenes Fünftalerstück von 1799 und weitere Werte lag damals im Trend. Diese Kombination zu erzeugen, war eine technische Herausforderung, denn das Problem waren die vertieften Elemente auf den fertigen Münzen. Dazu brauchte man einen Stempel, bei dem die später vertieft erscheinenden Details erhöht heraustreten.
Wie so oft, klafften zwischen Wunsch und Wirklichkeit große Lücken, und aus dem Plan, das preußische Münzwesen zu modernisieren und durch ungewöhnlichen Stempelschnitt vor Betrügern zu schützen, konnte wegen technischer Probleme bei der Vervielfältigung der Werkzeuge, wegen hoher Prägekosten und der schwierigen Zeitläufte nicht verwirklicht werden.
Massenprägung blieb aus
Der König nahm die Probemünzen zustimmend zur Kenntnis, aber einen Auftrag zur Massenprägung gab er nicht. Das Jahr 1812, in dem die vom Berliner Stempelschneider Daniel Friedrich Loos gestalteten Ausgleichsmünzen mit dem Berliner Kennbuchstaben A hergestellt wurden, war für Preußen und andere Staaten schwierig. Napoleons Grande Armée brach zum Feldzug nach Russland auf und kehrte geschlagen und durch Schlachten und den eisigen Winter in den Weiten des Zarenreiches deutlich dezimiert zurück. In Preußen und anderen Ländern mehrte sich der Widerstand, den Kriegskurs des Franzosen weiter zu unterstützen. Die Signale standen auf Sturm, Anfang 1813 brach er los. In dieser Situation das preußische Münzwesen auf das moderne Dezimalsystem umzustellen und ganz neue Geldstücke herzustellen, war für Friedrich Wilhelm III. ein Unding, weshalb er von dem Plan abließ. Belege für die Ausgleichsmünzen und andere Proben liegen im Berliner Münzkabinett und werden auch in seinem Interaktiven Katalog nachgewiesen.
Dezimalsystem erst 1971 in England
Generell ist zu sagen, dass die Abkehr von der Zwölferrechnung und die Hinwendung zur viel praktischeren Zehnerrechnung damals im Trend lag, denken wir nur an die Umstellung in Frankreich, wo ein Franc 100 Centimes wert war. Großbritannien nahm erst 1971 Abschied vom Duodezimalsystem. Dazu gab es triftige politische und wirtschaftliche Gründe. Seit der von langer Hand vorbereiteten Umstellung, gilt in Großbritannien 1 Pound zu 100 New Pence. Weitere Nominale sind 1 Shilling zu 5 New Pence sowie 1 Crown zu 25 New Pence. Durch die Umstellung wurden den Briten einige neue Münzen beschert: 2, 1 und ½ Pence sowie 5, 10 und 50 Pence. Außerdem werden für höhere Pfundwerte in Silber und Gold als Gedenkmünzen aller Art geprägt.
4. Oktober 2025