Zu schön um echt zu sein
Wie die Stempel des Fälschers Carl Wilhelm Becker ins Berliner Münzkabinett gelangten

Zur Zeit Kaiser Wilhelms II. wurde nach archäologischen Befunden das Römerkastell Saalburg in Bad Homburg vor der Höhe als Limes-Museum rekonstruiert.

Nicht weniger als 592 Stempel des Meisterfälschers Carl Wilhelm Becker gelangten 1911 aus dem Römerkastell Saalburg als Dauerleihgabe ins Berliner Münzkabinett. Jetzt gingen sie als Schenkung des Bundeslandes Hessen in das Eigentum des Münzkabinetts über.

Das Berliner Münzkabinett zeigt Becker-Stempel in seiner Dauerausstellung und in der Sonderausstellung „Lange Finger – falsche Münzen“ im Bode-Museum auf der Museumsinsel zeigt.

Bei der Feierstunde im Gobelinsaal des Bode-Museums konnte man einige Stempel in die Hand nehmen und ganz nahe betrachten.

Der Mainzer „Taler“ mit der Jahreszahl 1438 zählt zu Beckers Erfindungen und wird heute sehr gut bezahlt.

Zu seinen Lebzeiten besaß Carl Wilhelm Becker als Kunst- und Münzkenner einen guten Ruf. Seinem fürstlichen Arbeitgeber Carl von Isenburg widmete er diese Medaille.

Über Beckers Leben und Werk sind wir durch seine Tagebücher und andere Aufzeichnungen gut informiert. Die im Berliner Münzkabinett befindlichen Tagebücher werden aktuell gelesen und transkribiert.
Fotos: Münzkabinett Berlin; Caspar
Das Berliner Münzkabinett besitzt eine bedeutende Sammlung von Münzen und Medaillen, die zum Schaden des Staates beziehungsweise der Sammler gefälscht wurden. Eine Auswahl ist in der ständigen Ausstellung des Kabinetts im Bode-Museum auf der Museumsinsel zu sehen. Darunter befinden sich von Carl Wilhelm Becker (1772-1830 ) hergestellte antike und mittelalterliche Münzen und die passenden Stempel. Auch in der noch bis zum 21. August 2025 laufenden Ausstellung „Lange Finger - falsche Münzen“ sind Erzeugnisse aus der Fälscherwerkstatt des vom Fürsten Carl von Isenburg-Büdingen zum Hofrat ernannten Wein- und Kunsthändlers zu sehen. Im Battenberg-Gietl Verlag Regenstauf erschien 2024 das Buch zur Ausstellung (197 Seiten und zahlreiche Abbildungen, 39 Euro ISBN 978-3-86646-251-9).
Entzifferte Tagebücher
Am 10. April 2025 konnte Bernhard Weisser, der Direktor des Berliner Münzkabinetts, in einer musikalisch umrahmten Feierstunde im Bode-Museum die einmalige Sammlung von 592 Beckerschen Stempeln als Schenkung des Bundeslandes Hessen in Empfang nehmen. Timon Gremmels, Staatsminister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur des Landes Hessen, Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), sowie Carsten Arnheim, Direktor des Römerkastells Saalburg, begründeten, warum die Schenkung für Berlin und sein Münzkabinett sowie die Pflege der Beziehungen zwischen beiden Bundesländern so wichtig sind. Bernhard Weisser, der Direktor des Berliner Münzkabinetts, wertete die Schenkung als wichtigen Beitrag für die noch nicht sehr alte Forschungsaufgabe „Falschmünzerei und Münzfälschung“.
Die Stempel stammen aus dem Römerkastell Saalburg in Bad Homburg vor der Höhe und befinden seit 1911 als Dauerleihgabe dieses Museums im Münzkabinett. In einem noch zur Kaiserzeit gebauten Schrank liegen 302 Oberstempel, 284 Unterstempel, acht Punzen und ein Gesenk. Die sorgfältig gravierten Werkzeuge wurden auf Weisung von Kaiser Wilhelm II., dem der Wiederaufbau der Anlage aus der Römerzeit zu verdanken ist, dem Berliner Münzkabinett überwiesen. Dort ließ man für sie einen speziellen Schrank bauen, in dem sie auch heute aufbewahrt werden.
Beckers schriftlicher Nachlass, der 2023 auf Umwegen von Berlin über Speyer nach ins Berliner Münzkabinett gelangte, wird von Horst Kosanke entziffert, transkribiert und so für die Forschung erschlossen. Sie zu lesen sei nicht leicht, manches könne in „Weinseligkeit“ geschrieben worden sein, sagt Kosanke. Über seine Fälscherei habe sich Becker keine Sorgen gemacht. Obwohl der fürstliche Hofrat Betrugsabsichten abstritt und behauptete, Münzsammlern nur einen Gefallen tun zu wollen, damit sie ihre Kollektionen vervollständigen können, falle es schwer ihm zu glauben. Auch andere große und kleine Betrüger hätten sich als „gute Menschen“ und „Diener der Numismatik“ ausgegeben.
Abrieb im Schnellverfahren
Carl Wilhelm Becker setzte seine nach allen Regeln der Kunst geschnittenen Stempel absichtlich nachlässig auf das Metall, und er soll seine Falsifikate sogar im Dunghaufen vergraben haben, um ihnen quasi im Schnellverfahren ein altehrwürdiges Aussehen zu verpassen. Verbürgt ist laut Tagebuch, dass der Fälscher seine Machwerke „kutschierte“, also ihnen bei seinen Fahrten auf holprigen Straßen durch Rütteln und Schütteln in Verbindung mit Metallspänen und ähnlichen Materialien den Anschein des Echten und Alten gab. Proben der ab 1810 verfassten Tagebücher sind in der erwähnten Sonderausstellung zu sehen und werden von Bernhard Weisser in dem zu ihr passenden Buch erwähnt.
Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 tauchten in Münzsammlungen numismatische Raritäten auf. Nur wenigen Sammlern schwante, dass mit den Angeboten etwas nicht stimmt. Noch zu seinen Lebzeiten wurde Carl Wilhelm Becker als Hersteller entlarvt. Die „Beckerschen Fälschungen“, die manchen Sammler verwirrt hatten, richten heute kein Unheil mehr an, denn sie sind in der numismatischen Literatur gut dokumentiert. „Echte“ Becker-Fälschungen sind begehrt und werden von Sammlern gut bezahlt. Man kann sie gut erkennen, denn die viel zu schön geratenen Prägungen weichen zu stark von den Vorbildern ab.
Händler hatte keinen guten Ruf
Es wird berichtet, dass Becker vergeblich versuchte, berühmten Münzkabinetten seine Stempel zu verkaufen. In Wien lehnte man ab, weil die geforderten Preise zu hoch waren, aber auch weil der Händler keinen guten Ruf hatte. Als er 1829 in Berlin den Sammler Benoni Friedländer besuchte, bekam dessen sechzehnjähriger Sohn Julius, der spätere Direktor des Berliner Münzkabinetts, den Auftrag, im Zimmer bei dem „Betrüger Becker“ zu bleiben und „Acht zu geben, dass er nichts vertausche.“ Diese Gefahr wurde anderswo nicht gesehen, denn er erschlich sich,wie lange nach seinem Tod ruchbar wurde, im Gothaer Münzkabinett antike Seltenheiten als Vorlagen für seine Stempel.
Minister nahm sich das Leben
In einem Kolloquium vor der Abendveranstaltung berichtete Dietrich O. A. Klose, der frühere Direktor der Staatlichen Münzsammlung München, von seinen Recherchen über den Fälscher Heinrich von Frauendorfer (1855-1921). Der bayerische Minister hatte sich auf die Anfertigung von Renaissance-Medaillen spezialisiert und damit Sammler und Händler hinters Licht geführt. Klose fand in Archiven zahlreiche Dokumente zu diesem Fall, über den er im erwähnten Buch zur Fälschungsausstellung berichtet. Als bekannt wurde, dass er der Urheber ist, nahm sich der angesehene Politiker und Numismatiker das Leben. Klose sucht nach bisher unbekannten Arbeiten Frauendorfscher Produktion, die in einem Buch vorgestellt werden sollen, das noch in diesem Jahr erscheinen soll. Warum sich Frauendorfer wie ein Jahrhundert zuvor Becker aufs Fälschen verlegt hat, lässt sich nicht klären. Er riskierte seinen guten Ruf und fühlte sich am Ende von der Justiz und der Fach- und Tagespresse so in die Enge getrieben, dass er die Pistole gegen sich richtete und seine Familie in tiefer Verzweiflung zurück ließ. Einige seiner täuschend echt gelungenen Medaillen sind in der Sonderausstellung im Bode-Museum zu sehen.
Christian Stoess im Ruhestand
Paul Höffgen berichtete über seine Arbeit über die etwa 10 000 im Berliner Kabinett befindlichen Münzen aus der Zeit der Kipper und Wipper zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs. Bernd Kluge, der frühere Direktor des Berliner Münzkabinetts, stellte den Band VI seines Bestandskatalogs der Münzen des Ostfränkisch-Deutschen Reichs 843-1125 (MODR VI) vor und schilderte dabei auch, wie diese Silberstücke in großen Mengen noch zur Kaiserzeit in das Kabinett gelangten, wie Provenienzen festgestellt und wie sie katalogisiert werden. Mit bewegten Worten nahm Bernhard Weisser von seinem Kollegen Christian Stoess Abschied, der auf eine lange Karriere sowohl als Münzhändler in Frankfurt am Main als auch als Münzforscher und Publizist, als nimmermüder Freund und Helfer in Berlin zurück blickt. Stoess geht, von herzlichem Beifall begleitet, nach zehnjähriger Arbeit als Kustos für Mittelaltermünzen am Berliner Münzkabinett in den verdienten Ruhestand. In seine Heimatstadt zurück gekehrt, bleibt er weiterhin dem Kabinett verbunden
14. April 2025