Vergiftete Liebesgrüße aus China
Sammler lassen sich durch Fake-Münzen nicht irritieren, Schaden richten sie trotzdem an

Die „Bollos“-Unze aus Feinsilber mit der Jahreszahl 1900 ist, wie die Berliner sagen, erstunken und erlogen, aber sie kann Schaden anrichten und Sammler irritieren. Der Vergleich mit der „Walking Liberty“ von 2017 zeigt die Unterschiede zu der nachgemachten chinesischen Münze.

Der nachgemachte Ecu von 1691 aus der Münzstätte Paris mit dem Bildnis des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. ist bei TEMU im Angebot.

Für wenig Geld bietet der chinesische Versandhändler einen auf „alt“ gemachten seltene Rubel von 1841
auf die Vermählung des späteren Zaren Alexander II. mit Maria von Hessen-Darmstadt, aber auch ganz normales Silberstücke. Es ist nicht ausgeschlossen, dass mit ihnen viel Unfug angestellt wird.

In manchen Sammlungen liegen aus Deutschland stammende Repliken wie der Frankfurter Taler von 1695 und die Reichsmünzen aus Sachsen und Bayern von 1917 und 1918, Da sie gekennzeichnet sind und sich auch sonst von den Originalen unterscheiden, richten sie keinen Schaden an.
Fotos: Caspar
Es gibt nichts, was nicht auch gefälscht wird. Wenn Taschen und Schuhe, Parfüms, Uhren und Textilien teurer Marken nachgemacht werden, warum sollte man das nicht auch mit Münzen tun? In der Regel haben es Münzfreunde mit seriösen Händlern und Angeboten zu tun. Doch werden sie auch mit fragwürdigen Offerten, genauer gesagt mit Fake-Münzen gelockt, die sich keine Mühe geben, echt und alt auszusehen, aber dennoch großen Schaden anrichten. Im Prinzip ist gegen Münzrepliken nichts zu sagen, wenn sie als solche klar gekennzeichnet sind, so wie es bei uns die gesetzlichen Vorschriften verlangen.
Der Sammler Heiner Lammert aus Mahlow bei Berlin hat sich an die Redaktion des Money trend mit der Frage gewandt, was es mit einer US-amerikanischen „Silbermünze“ von 1900 zu „One Bollos“ in Spiegelglanz auf sich hat. Er bekam sie für 1,28 € beim chinesischen Gemischtwaren-Versandhändler TEMU als „Wurfmünze“, was immer dieser Begriff bedeuten mag. TEMU steht wegen seiner Angebote von Textilien und Industriewaren, aber auch von nachgemachten Münzen in der Kritik. Die Ausgabe mit der der Sonne zustrebenden Liberty weicht in Details vom Original ab und ist mit 23,69 Gramm erheblich leichter als die Ausgabe zu einer Unze, die 31,20 Gramm wiegt, genau wie ein Taler von vor 250 Jahren, und etwas größer ist als der „Bollos“.
Preis unter Herstellungskosten
Das auf dem Bollos verwendete Prägejahr 1900 gibt es für dieses Motiv nicht, denn die Liberty-Münze aus den USA existiert erst seit 1916 auf einer Half-Dollar-Münze. One-Dollar-Liberty-Münzen aus Feinsilber, gedacht als Wertanlage, mit einem Gewicht von einer Unze Reinsilber werden erst sei 1986 geprägt. Bei der „Bollos-Münze“ liegt der Preis von 1,28 € unter den Herstellungskosten, aber auch unter der üblichen Handelsspanne und den Versandkosten bei dem langen Versandweg aus Asien. „Aus dieser Rechnung kann es sich wohl in erster Linie nicht nur um Profitmacherei handeln. Vielleicht hat sich jemand einen Spaß gemacht“, vermutet Lammert.“ Oder diese wie Sammlermünzen erscheinenden Metallscheiben sollen nur Unruhe bringen. Die relativ hohe Qualität der Prägung und der Stempelanfertigung bei der Kopie des in den USA beliebten Motivs und der Gesamtanordnung lässt jedoch auf gewisse Professionalität schließen. Jedenfalls können solche Produkte, die gar keine Münzen sind und in großen Mengen den Markt fluten, ziemlich hohen Schaden anrichten und zu Frust bei getäuschten Sammlern führen.“
Eine Umfrage während der World Money Fair 2025 in Berlin bei Münzhändlern und Sammlern ergab, dass der „Bollos“ unbekannt ist. Allgemein wird aber beklagt, dass in den (un)sozialen Medien mit Münzen aller Art, vor allem mit Zwei-Euro-Münzen, viel Schaden angerichtet wird, weil Sammlern vorgegaukelt wird, sie könnten mit so genannten Fehlprägungen viel Geld verdienen, sie müssten sie nur in ihrem Portemonnaie oder der Ladenkasse ausfindig machen. Jörg Scharfenberg von der Berliner Münzauktion und andere Händler halten von solchen Spekulationen nichts und kritisieren, dass Länder wie Palau oder Liberia unbedarfte Sammler mit überteuerten Münzen und auch solche mit deutschen Motiven und Inschriften locken. Wenn ihnen ab und zu solche Stücke in Erwartung eines guten Preises zum Kauf angeboten werden, werden sie nicht angenommen.
Vintage-Angebote und Partyspiel
Bei TEMU stößt man auf weitere geradezu abenteuerliche „Liebesgrüße“ dieser Art aus China. Sie werden für Preise unter fünf Euro angeboten, so etwa das bekannte Fünf-Mark-Stück von 1901 zur Zweihundertjahrfeier des preußischen Königtums sowie deutsche Taler aus dem 19. Jahrhundert. TEMU geht mit der numismatischen Wahrheit leichtfertig um, denn die Beschreibungen enthalten sachliche Fehler. So preist der Versandhändler seine Taler aus Frankfurt am Main mit exakt diesen Worten an: „1 Replik einer russischen Geldgedenkstücke in im Art Deco Stil von 1866, rundes Sammlerstück aus Metall, Thema Popkultur, ideal für als Dekoration zu Weihnachten, Ostern, Chanukka, Erntedankfest, St. Patrick's Day und als Reisesouvenir.“ Eine andere Beschreibung eines „Vintage“-Rubel aus Russland mit dem Bildnis der Zarin Anna von 1730 stellt lakonisch fest: „Alte russische Münzen glückliche Gedenkmünzen Mode Handwerk Home Decor“ und spricht von 98,6 Prozent positiven Bewertungen. Ein seltenen Rubel von 1841 wird so angepriesen: „1841 russische Replik Geldstücken, Metalle strukturierte Schmuckzubehörteile, DIY Perlenverzierungen, Kunst und Handwerk, Partyspiel Zubehör, Legierungsmaterial Preis 1,87 € inklusive Mehrwertsteuer Modell r181.“
Münzsammler helfen sich mit Nachprägungen, wenn die Originale zu teuer und unerreichbar sind. Sie füllen Lücken und sind als solche sofort zu erkennen. Im Angebot sind offizielle Nachprägungen etwa von alten Talern und Reichsgoldmünzen. Da sie klare Unterscheidungsmerkmale gegenüber den Originalen aufweisen wie ein leicht abweichendes Gewicht, ein veränderter Durchmesser oder eine andere Legierung, aber auch untilgbare Jahreszahlen, Feingehaltsangaben und Buchstaben richten sie keinen Schaden an. Solche Nachprägungen eignen sich nicht zur Geldanlage und wollen dies auch nicht tun. Wer sich die preiswerten Stücke zulegt, weiß, dass er beim Verkauf für sie nicht viel bekommt. Wenn man aber diesen Aspekt beiseite lässt, dann können auch die Kopien Freude machen und Belehrung bieten.
8. Februar 2025