„Höllstinkende Wucherer und durchgeteuffelte Geitzhälss“
Das Berliner Münzkabinett arbeitet seinen rund 7000 Münzen der Kipper und Wipper umfassenden Bestand auf



Das Unwesen, das die Kipper und Wipper am Beginn des Dreißigjährigen Kriegs mit Billigung von Fürsten und Städten trieben, stürzte viele Menschen ins Elend und wurde in Spott-und Streitschriften heftig attackiert. Da viele Leute nicht lesen und schreiben konnten, hat man auf Holzschnitten und Kupferstichen gezeigt, wer diese „Ertzdiebe, Beschisser und Grundschelme“ sind und dass ihnen höllisches Feuer und ewige Verdammnis sicher sind.



Im Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, das im Bode-Museum auf der Museumsinsel untergebracht ist, erarbeitet Paul Höffgen den Bestand an Kipper-und Wippermünzen. Auf dem Tablett liegen Münzen aus der dem Münzkabinett übergebenen Sammlung des 2020 verstorbenen Numismatikers und Ehrenvorsitzenden der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin Henri Balan.



Neben Talern und anderen Münzen mit korrektem Silbergehalt brachten die Mansfelder Grafen minderwertiges, mehr Kupfer als Silber haltendes Kleingeld heraus.



Die sächsischen Engeltaler aus der Zeit um1622 tun nur so, als seien sie nach des Reiches Schrot und Korn geschlagen worden, in Wahrheit richteten sie großen wirtschaftlichen Schaden an und stürzten viele Leute ins Elend. Diese damals verfluchten Geldstücke sind heute bei Sammlern begehrt.



Die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, Friedrich Wilhelm und Johann Georg II., einigten sich 1667 im Kloster Zinna auf einen gemeinsamen Münzfuß. Wichtigstes Nominal war der 2/3-Taler mit Brustbildern und Landeswappen.

Fotos/Repro: Caspar

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648)
kauften Händler im Römisch-deutschen Reich die guten alten Taler und anderes vollhaltiges Geld auf. Die Silbermünzen wurden von den Kippern und Wippern gewogen und aussortiert. Schwere Stücke hat man von der Waage (Wippe) gekippt und dem Schmelztiegel übergeben. Das mit Kupfer gestreckte Silber diente als Rohmaterial für neue, im Edelmetallgehalt deutlich herabgesetzte Geldstücke. Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin verfügt über einen bedeutenden Bestand von Münzen der Kipper und Wipper. Dank der großzügigen Spende eines US-amerikanischen Förderers und Freundes des Münzkabinetts wird er aufgearbeitet, um ihn nach und nach im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts (IKMK) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit dem Projekt sollen weitere Studien über die Inflation vor 400 Jahren und ganz allgemein über Geldentwertungen und Manipulationen im Münz- und Geldwesen angeregt und unterstützt werden.
Zu diesem Thema sind zahlreiche Publikationen erschienen, zuletzt der Sammelband „Die Kipper und Wipperzeit 1619 bis 1623. Die größte Inflation in der Geschichte des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation.“ Das von der Numismatischen Kommission der Länder in der Bundesrepublik Deutschland herausgegebene Buch befasst sich mit den Auswirkungen in Braunschweig, Mecklenburg, Westfalen, Hessen, Sachsen, Mansfeld und anderen Regionen, aber auch wie die Kipper und Wipper in zeitgenössischen Pamphleten verurteilt und im Werk des Schriftstellers Gustav Freytag im 19. Jahrhundert behandelt wurden. Das Buch kann online unter der Adresse arthistoricum.net, 2023. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1208 Kipper und Wipper eingesehen werden. Ulrich Rosseaux befasst sich in seinem Buch „Die Kipper und Wipper als publizistisches Ereignis (1620-1626)“ mit den Strukturen öffentlicher Kommunikation im Dreißigjährigen Krieg (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 67, Berlin Duncker & Humblot 2001). Das Buch behandelt die publizistischen Reaktionen auf die rasante Münzverschlechterung und wie der frühneuzeitlichen Medienmarkt beschaffen war, wer die Drucker, Verleger, Autoren und Grafiker waren und welche Wirkung ihre Pamphlete hatten.

Herkunft, Gewichte, Bilder, Inschriften
Lange mussten die vor über 400 Jahren hergestellten Geldstücke im Besitz des Berliner Münzkabinetts auf ihre Erschließung warten. Bearbeiter des Bestandes von etwa 7000 Geldstücken aus mehr Kupfer als Silber enthaltenden Gulden bis abwärts zu Pfennigen ist seit 2019 Paul Höffgen, der in dem erwähnten Sammelband über das Projekt berichtet. Die Bearbeitung und fotografische Dokumentation ist zu großen Teilen geschafft. Erfasst werden Herkunft, Gewichte, Größen, Stempelstellungen, Bilder, Wappen und Inschriften und, wo es möglich war, auch die Prägeorte und Prägezeiten, ebenso die Münzmeister, sofern sie durch bestimmte Zeichen oder aufgrund damaliger Aufzeichnungen identifiziert werden können.
Als Beispiel für die Schwierigkeiten bei der Recherche erwähnt Paul Höffgen die Münzpolitik der Grafen von Mansfeld, die zahlreiche Münzstätten für kurze Zeit unterhielten. Etwa 30 solcher Heckenmünzen hat Höffgen gezählt. Hinzu kommen etwa zehn Münzherren, die in der Grafschaft prägen ließen. Die verwirrende Zahl Mansfelder Kipper- und Wipper-Münzen ergibt sich aus den drei Hauptlinien des Hauses Mansfeld – Hinterort, Mittelort und Vorderort -, hinzu kommen etliche Nebenlinien, die fast alle Münzen prägten. Allein für die Grafschaft Mansfeld ergeben sich etwa 70 Einträge. In anderen Regionen sieht es nicht ganz so unübersichtlich aus.

Kupfer zu „eitel Geld“ gemacht
Gewaltige Mengen an schlechtem Geld wurden nach dem Ende der Kipperzeit eingeschmolzen. Die Betreiber der Kipper- und Wipper-Münzstätten unterlagen keiner staatlichen Kontrolle, und sie hielten sich auch nicht an die Vorschriften der Reichsmünzordnungen. Da große und kleine Landesherren wie die Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Mansfeld und andere sowie sowie manche Städte, ja selbst Kaiser Ferdinand II. und sein Generalissimus Albrecht von Wallenstein an der Münzverschlechterung prächtig verdienten, war es schwer, den Münzbetrügern das Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so hoch kochen. „Es ist eitel altes Kupfer, / Von Kesseln, Blasen und Pfannen / Kupfernen Rinnen und Badewannen / Übern Haufen zsamen gschlagen / Das führe ich auf meinem Wagen / Eitel Geld will man draus machen“, heißt es in einem der schnell von Hand zu Hand gehenden Drucke, und ein anderer ruft auf: „Schla doet / schla doet dat lose Pack / Met öhren Knechten unde Packenack / Schla doet / latet se nich leven / Nimm weg öhr Guet / heff gueten Moet / Van Godt isst diek al vorgeven“. In weiteren Pamphleten wird die Bande der Geldwechsler sowie der Kipper und Wipper als „höllstinkende Wucherer, eingeteuffelte und durchgeteuffelte Geitzhälss, abgefaummte, abgetriebene und Ertzkipper und leichtsinnige Schandfunken“ bezeichnet.
Die Aufrufe, Warnungen und Drohungen ließen offen, wer die eigentlichen Urheber und Nutznießer der „leichten“ Münzprägung sind. Angegriffen wurden meist nur die Handlanger der Fürsten. Man nannte sie gottloses Pack und meinte damit auch Juden, denen man die durch die Kipperei ausgelöste Inflation in die Schuhe schob und damit die Pogromstimmung anheizte. Der durch zahlreiche Pamphlete angestachelte Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen zur Selbsthilfe auf der sicheren Seite, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten. Um ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz bangende Menschen griffen in ihrer Verzweiflung zu Äxten und Fackeln und zündeten illegale Geldschmieden an. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn die gottgewollte Feudalordnung war in Gefahr. Sofort wurden Truppen in Marsch gesetzt, gewalttätige Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen Warnungen und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.

Kübel von Spott und Hohn
Ungeachtet strenger Edikte litt Kurbrandenburg unter dem „ausskippen und ufwechseln der guten müntzen“. Kurfürst Georg Wilhelm bestimmte zwar in einem Edikt vom 16. Oktober 1620: „Ferner verbieten wir auch alles ausführen der unsrigen müntzen, auch alles auskippen und ander aufwechseln der guten müntzen“, doch verhallten die Worte ungehört. Auch die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln beteiligte sich um 1621 an der Kipperei. Aus kurfürstlichen Verordnungen und Beschwerden der Stadtverwaltung ist zu entnehmen, dass die Ausmaße beträchtlich waren, und Münzmeister Liborius Müller verdiente nicht schlecht. Untersuchungen gegen ihn verliefen wie das Hornberger Schießen. Müller musst eine beträchtliche Geldstrafe zahlen, und der Kurfürst sprach ihn vom Vorwurf der Münzfälscherei frei und ersetzte ihn durch einen anderen Münzmeister.
Auf die Kipper und Wipper ergossen sich Kübel von Spott und Hohn. Eine von Wolfgang Leschhorn im oben genannten Sammelband zitierte Anklageschrift von 1622 nennt sie „falsche Muntzmeistere, Ohme, Muntzere, verdorbene Goltschmiede, Grob- und Kleinschmiede, Schuster, Schneider, Discher, verdorbene Krueger und Gastgeber, Alchimisten, Zollnere, Kutzschere, Tagelöhner, Jäger, darunter Abdecker oder Schinder, aus denen Muntzmeistere, Ohme, Muntz Schmiede, Muntzverleggere, Factoren, Muntzschreiber gemachet“.

Großes Leid durch Kraft der Bosheit
Besonders ausgeprägt war die Kipperei im Kurfürstentum Sachsen, das über erhebliche Edelmetallressourcen aus seinen erzgebirgischen Silbergruben verfügte. Zwischen 1619 und 1623 hatte sich im Herrschaftsbereich der Wettiner, aber auch in anderen Regionen ein großer Kleingeldmangel bemerkbar gemacht. Dem begegnete man mit zahllosen Engelmünzen in unterschiedlichen Versionen aus schlechtem Silber. In zahlreichen kleinen Schmieden hergestellt, knüpften sie, um sich bei den Leuten „beliebt“ zu machen, an die guthaltigen Engelgroschen aus der Zeit vor und nach 1500 an und täuschten damit alte und bewährte Qualität vor. Auf der Vorderseite der Kippertaler beschützt ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln die gekreuzten Kurschwerter, während rückseitig zwei Engel segnend ihre Hände über drei kleine Wappenschilder halten.
Auf beiden Seiten wird Kurfürst Johann Georg I. mit seinem Titel als Herzog von Sachsen und Kurfürst des Heiligen Römischen Reichs und dessen Erzmarschall genannt. Die allseits verehrten wie beliebten Himmelsboten auf solchen teuflischen Stücken als Beschützer Kursachsens darzustellen, war nichts anderes als Blasphemie, also Gotteslästerung. Bei ihrem Anblick seufzten die Menschen und fühlten sich als „unter einem immittelst fühlbarer aufgelegten Joche wollüstiger, dem Elende hohnsprechender Münzverfälscher“ stehende Opfer. Sie litten unter den Wirkungen der „Kräfte ihrer Bosheit“, wie Johann Friedrich Klotzsch in seiner „Chur-Sächsischen Münzgeschichte“ (Chemnitz 1779-1780) ebenso drastisch wie zutreffend bemerkte.
Neben den einfachen Engelmünzen zu 40 und 60 Groschen gibt es auch Mehrfachgulden sowie Teilstücke mit und ohne Engelschmuck. Niemand durfte die Annahme dieser Münzen verweigern, denn die Kippermünzen behaupteten ja nicht Taler zu sein, sondern kamen als Zwanzig-, Vierzig- oder Sechzig-Groschen-Stücke daher oder auch als Sechser, Zwölfer und Vierundzwanziger. Vorteilhaft und förderlich für die Kipper und Wipper war, dass die „engelhaften“ Geldstücke als so genannte Landmünzen deklariert waren und deshalb nicht der strengen Reichsmünzordnung unterlagen. Kurfürst Johann Georg I. hatte größte Mühe, die massenhafte Ausprägung der unbeliebten „Interimstaler“ einzudämmen, die letztlich auch ihm und dem Fiskus schadeten. Als die Geldverschlechterung beendet wurde, weil der allgemeine Schaden zu groß und die Klagen aus der Bevölkerung zu laut geworden waren, herrschte allgemeines Entsetzen. Für sein aus Kippermünzen bestehendes Vermögen bekam man, um Klotzsch zu zitieren, gerade den Wert eines Silberlöffels oder eines Kupferkessels.
Die in großen Mengen geprägten Kleinmünzen verdrängte das gute alte Silbergeld und fügten der Wirtschaft, dem Handel und der Verwaltung der Länder und Städte großen Schaden zu. Wer wie Beamte und Geistliche ein festes Einkommen in Form von großen und kleinen Kippermünzen ausbezahlt bekam, geriet in existenzielle Not. Dass vor allem Geistliche von den Kanzeln und in Flugschriften gegen die Umtriebe der Kipper und Wipper wetterten und ihnen den Strick an den Hals wünschten, war auch eine Folge, dass diese Gruppe unter der Geldentwertung zu leiden hatte, wie der oben erwähnte Gustav Freytag in seinem mehrfach aufgelegten Buch „Bilder aus der deutschen Vergangenheit", Bd. 2, Erstveröffentlichung 1859) schrieb. Ihm standen Drucke und Erzählungen zur Verfügung. Er kam zu dem Schluss, dass es „zuverlässige Landesherren und treue Münzbeamte auch damals im Lande (gab); aber ihre Anzahl war gering, und häufig war das Verhältnis des Münzmeisters, welcher von einem deutschen Kreise für tüchtig befunden war und in einer gesetzlichen Münze arbeitete, doch eine Tätigkeit voll befremdlicher Praktiken“. Beim Münzen habe jeder den andern betrogen. „Jede Hand war gegen die des andern und der Fluch, welcher nach der Sage auf dem Gold der deutschen Zwerge liegt, schien im 17. Jahrhundert noch alle die zu verderben, welche die glänzenden Metalle in Geld verwandelten.“

Vereinbarungen in Richtung Münzeinheit
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde erneut versucht, aus schlechtem Geld Profit zu schlagen. Diese „Zweite oder Kleine Kipperzeit“ hatte aber nicht die Ausmaße der Geldentwertung zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs. Aus dem Schaden von damals lernend, wurden große Anstrengungen unternommen, um Ordnung, Übersicht und Beständigkeit in das Münzwesen zu bringen und „Confusionen“ zu vermeiden. 1667 wurde im Kloster Zinna im heutigen Landkreis Teltow-Fläming Münzgeschichte geschrieben, als sich die die Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und Johann Georg II. von Sachsen auf einen gemeinsamen Münzfuß einigten, also die Herstellung von Talern, Gulden und Groschen von gleichem Gewicht und Feingehalt, allerdings mit unterschiedlichen Prägebildern. Als sich ein Jahr später die braunschweigischen Herzogtümer dem Zinnaer Münzfuß anschlossen und 1690 von den drei Vertragspartnern der verbesserte Leipziger Münzfuß geschaffen wurde, entstand ein relativ einheitliches Währungsgebiet. Gutes Geld wurde gebraucht, um die immensen Schäden zu beheben, die der Dreißigjährige Krieg hinterlassen hat und die Wirtschaft wieder in Ganz zu bekommen, aber auch neue Kriege und teure Hofhaltungen zu finanzieren.
Es dauerte dann noch mehr als ein Jahrhundert, bis nach und nach die heillose Kleinstaaterei im bis 1806 existierenden Römisch-deutschen Reich und damit auch die Vielzahl von Prägestätten und Münzen überwunden wurde und Kleinststaaten und Reichsstädte in größeren Territorien aufgingen. Im Verlauf des 18 und 19. Jahrhunderts konnten mit Münzreformen und überregionalen Verträgen die Münzsysteme verbessert und angeglichen werden. Mit der Gründung des Deutschen Reichs am 18. Januar 1871, mitten im Deutsch-französischen Krieg, wurde eine neue, auf Mark und Pfennig beruhende Einheitswährung geschaffen.

10. Februar 2025