Von Lauchhammer in die Welt
Ulf Lehmann stellt das Werk von Kurt Richter vor, der nach 1945 zahlreiche Eisenplaketten schuf

Versehen mit der Inschrift DIE WELT ERWACHT ZU NEUER HOFFNUNG erscheint die Taube auf der Plakette von 1955 als Symbol für den Wunsch nach Frieden und Verständigung unter den Völkern. Doch in den Jahren des Kalten Krieg standen sich Ost und West unversöhnlich gegenüber, und der Dritte Weltkrieg war eine ständige Bedrohung.

Im Werk von Kurt Richter spielen der Sport und die Arbeit eine große Rolle. Sieger bei Wettkämpfen auf Kreisebene und Helden der sozialistischen Arbeit konnten sich über Eisenguss-Plaketten freuen.

Die Plakette von 1950 zeigt einen Blick auf die damals 225 Jahre alte Gießerei, die ihr umfangreiches Erbe in einem kleinen, aber feinen Museum in Lauchhammer präsentiert. Dass Kurt Richter gut malen und zeichnen konnte, zeigt das Aquarell mit dem Musiker, der fragt, ob's an der Geige liegt, dass er keinen Erfolg hat.

Bei sportlichen Themen und Tierdarstellungen, aber auch Kirchenbildern konnte Kurt Richter sein Talent entfalten.

Die vor dem Museum an der Freifrau-von-Löwendal-Straße in Lauchhammer aufgestellte Figur aus dem Jahr 1951 zeigt einen Gießer mit langer Schöpfkelle bei der Arbeit.
Foto: Caspar, Repros aus dem vorgestellten Buch
„Lauchhammer“ ist seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert ein internationales Markenzeichen. Im Jahr 1729 von der Gutsbesitzerin Benedicta Margaretha von Löwendal (1683-1776) gegründet, stellte die Gießerei in Südbrandenburg neben gusseisernen Töpfen und Pfannen auch Abgüsse von antiken Figuren, aber auch eiserne Möbel und andere Gegenstände aus diesem Metall her. Lauchhammer avancierte zu einer der führenden Kunstgießereien, deren Denkmäler in Deutschland und vielen anderen Ländern aufgestellt wurden. Beliebt waren für Schlösser und Gärten sowie die gutbürgerliche Wohnwelt gefertigte Skulpturen, die im Museum Lauchhammer besichtigt werden können, aber auch in anderen Sammlungen zu sehen sind. Um das empfindliche Eisen vor Korrosion zu schützen und gleichzeitig aufzuwerten, hat man Bildnisbüsten, Gartenfiguren, Möbel und andere Erzeugnisse braun patiniert, schwarz angestrichen oder vergoldet.
Er ist nicht vergessen
Dass in Lauchhammer auch Medaillen und Plaketten aus Eisen gegossen wurden, ist nicht allgemein bekannt. Einer der Künstler, die sich auf die spezialisiert hat, ist Kurt Richter (1912-1998). Ihm hat der in Herzberg an der Elster lebende Elektromeister, Sammler, Heimatforscher Ulf Lehmann einen Katalog unter dem Titel „Kurt Richter und seine Gussplaketten – Ein vergessener Künstler aus Großthiemig“ (Verlag Bücherkammer Herzberg 2025, 88 Seiten, zahlreiche Farbfotos, 15 Euro, ISBN 978-3-940635-82-2) gewidmet. Der Vorsitzende des Vereins Herzberger Münzfreunde schildert darin, dass er vor Jahren von Kurt Richter gestaltete Plaketten bekam, worauf er sich mit dem Leben und Werk des aus Großthiemig (Landkreis Elbe-Elster) stammenden und in Lauchhammer tätigen Künstlers beschäftigte. Der Katalog holt ihn aus der Versenkung und ist ein gutes Beispiel dafür, was intensives Suchen und Befragen von Zeitzeugen zustande bringen kann. Die an Museen und Münzkabinetten angesiedelte Numismatik hat in der Regel für solche Themen kein „Auge“ und für Recherchen dieser Art keine Zeit. Das Buch kam rechtzeitig zur Dreihundertjahrfeier der traditionsreichen Kunst- und Glockengießerei heraus und zeigt, dass da noch viel zu entdecken ist.
Eigentlich hatte Kurt Richter Maler an der Porzellanmanufaktur in Meißen werden wollen. Doch nahm er wegen der langen Ausbildungszeit und der Kosten von diesem Plan Abstand. Er begann eine Lehre als Modelleur im Lauchhammerwerk, die er 1930 abschloss. Viel konnte Ulf Lehmann nicht klären, was Richter danach geschaffen hat, nur dass er kein Mitglied der NSDAP war und 1936 geheiratet hat. Mit seiner Frau Elisabeth hatte das Paar zwei Töchter, von der eine auch Modelleurin und die andere Lehrerin wurde. Nach dem Wegzug aus Großthiemig nach Lauchhammer wurde Richter 1935 als Wehrpflichtiger eingezogen. Den Zweiten Weltkrieg überstand er wegen seiner schönen Handschrift, wie Lehmann bemerkt, in einer Schreibstube.
Modellieren, Abformen Gießen
Wie die Plaketten zeigen, war Kurt Richter ab 1946 wieder in Lauchhammer, wo er sich mit Modellieren, Abformen und Gießen von Skulpturen befasste. Er hatte dort auch mit einem 1954 von Johannes Friedrich Rogge geschaffenen Stalindenkmal für Riesa zu tun, das nach der Entlarvung des Diktators als Massenmörder 1956 durch den sowjetischen Parteiführer Nikita Chruschtschow nicht mehr gebraucht und eingeschmolzen wurde.
Richters Plaketten sind dem damaligen Stil des sozialistischen Realismus verpflichtet und bilden Embleme der Volkseigenen Betriebe sowie der von der SED gesteuerten Aktivisten- und Sportbewegung ab. Der Künstler beendete etwa 1954 seine Tätigkeit im Lauchhammerwerk und ging zur Töpferei Scheibe in Hohenleipisch. Der Grund für den Wechsel war hauptsächlich finanzieller Art, schreibt Lehmann, denn die Arbeit als Modelleur wurde deutlich schlechter bezahlt als was die im Akkord arbeitenden Werksangehörigen erhielten. Bei Scheibe schuf Richter Vasen, Teller, Krüge und andere Keramiken. In den 1960er Jahren wechselte er zur Baustofffirma Handrich in Lauchhammer West, wo er Pflanzschalen, Springbrunnen und Tierfiguren schuf.
Ulf Lehmann betont, da in seinem Katalog das Hauptaugenmerk auf die Gussplaketten des Künstlers r liegt, sei Richters sonstiges bildhauerisches Schaffen unbearbeitet geblieben. Zu hoffen sei, dass seine Wiederentdeckung zur Aufarbeitung auch dieses Oeuvres führt. „Wollen wir Richter anhand seiner Plaketten charakterisieren, so ergibt sich das Bild eines Mannes, der für die Arbeit im Lauchhammerwerk lebte und dort stark eingebunden war. Zudem war er ein gläubiger Christ, sehr heimatverbunden und spielte sich für vielfältige sportliche Aktivitäten und die Geflügelzucht.
Kurt Richter erreichte nicht den Rang gut bezahlter und mit lukrativen Aufträgen bedachter DDR-Bildhauer, aber seine Plaketten zeigen das künstlerische Potenzial, das in ihm steckte. Dass er seine gusseisernen Kirchendarstellungen mit christlichen Bekenntnissen versah, dürfte ihm kaum das Wohlwollen der dem Kampf gegen die Kirche verschriebenen Staatspartei SED eingetragen haben.Katrin Fahron macht im Nachwort zum Katalog auf propagandistische Inhalte und Formen aufmerksam und vermutet, dass der Künstler diese Auftragsarbeiten, die interne Genehmigungsverfahren bei örtlichen Funktionären durchlaufen mussten, wie im Katalog abgebildete Dokumente zeigen, weniger sorgfältig ausgeführt hat als andere, die ihm inhaltlich und formal mehr am Herzen lagen, etwa Kirchen sowie Tierdarstellungen und solche aus der Welt des Sports.
6. April 2025