Blick in vergangenen Zeiten
Archäologen finden in Abfallgruben und auf Müllkippen gelegentlich auch alte Münzen



Bescheidene Silberpfennige wurden in Abfallgruben neben Martin Luthers Elternhaus in Mansfeld gefunden.



Dem berühmten Reformator zu Ehren und zu Jubiläen hat man zahlreiche Medaillen und Münzen geprägt. Eine Auswahl ist ist weiteren Zeugnisse der Lutherzeit und danach in der Wittenberger Lutherhalle zu sehen.



Wie die vermutlich aus Friesland stammende Goldmünze aus dem zweiten Viertel des 7. Jahrhunderts in die Nähe von Mainz gelangte, kann nicht gesagt werden.



Bei Ausgrabungen Bleibullen wie diese von Papst Martin IV. zu finden, kommt nicht alle Tage vor. Das Siegel erzählt von Beziehungen zwischen Rom und dem heutigen Sachsen-Anhalt.



Die Umwicklung der Münzen mit Golddraht und ein kleiner Anhänger lassen vermuten, dass die in Gützkow ans Tageslicht gelangten Geldstücke wohl als Wertgegenstände oder Rohmaterial gehortet wurden.

Fotos/Repros: Caspar

Archäologen lieben Abfallgruben,
Müllkippen und ähnliche Örtlichkeiten. Sie finden dort Dinge, die einstmals weggeworfen wurden und doch viel über Lebensweise, Kultur und Wirtschaft und Alltag vergangener Generationen erzählen. Bauforschungen liefern ein neues Bild von der der Herkunft des Reformators Martin Luther und sein Elternhaus in der Bergstadt Mansfeld. Hans Luther, der Vater des Reformators, war ein wohlhabender Bergwerksbetreiber und Hüttenunternehmer, der gut zu leben verstand und über erheblichen Landbesitz verfügte. Die Familie lebte nicht in einem bescheidenen Haus, wie man bisher annahm, sondern besaß ein stattliches Gehöft mit Wohngebäuden, Stallungen und Lagerhäusern.
Bei den Grabungen geborgene Essensreste in Form von Tierknochen, zerbrochenes Geschirr aus Glas und Keramik, Gegenstände aus Metall, kostbar verzierte Kacheln und Fliesen und auch verloren gegangene Münzen unterstreichen, dass Martin Luther keineswegs aus ärmlichen Verhältnissen stammte. Dass er sich, aus „gutem Haus“ kommend, gegen den Wunsch seines Vaters der Theologie zuwandte und Geistlicher wurde, führte zu Konflikten, die sich auf die Biographie des späteren Reformators auswirkten.
In Wittenberg ließ der Reformator die ihm vom sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen zur Verfügung gestellten Baulichkeiten erweitern und repräsentativ mit allem ausstatten, was ein gutbürgerlicher Professorenhaushalt damals benötigte. Was bei Um- und Ausbauten nicht mehr gebraucht wurde und was man in den Jahrhunderten nach Luthers Tod bei weiteren Baumaßnahmen für überflüssig hielt, landete zur Freude heutiger Archäologen in Abfallgruben und Müllkippen und hilft, neues Licht in die Biographie und Lebensweise des berühmten Wittenbergers zu werfen. Die im ehemaligen Augustinerkloster an der Wittenberger Collegienstraße gelegenen Staatliche Lutherhalle erzählt davon und zeigt in einer Schatzkammer zahlreiche Münzen und Medaillen aus dem 16. Jahrhundert und danach.

Papstsiegel in Sachsen-Anhalt
Vermutlich aus einer Latrinengrube stammend, fanden Forscher in Schadeleben (Saalkreis) eine aus Blei bestehende Bulle des Papstes Martin IV., der von 1281 bis 1295 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche war. Das Siegel mit der Inschrift MARTINUS PP IIII und rückseitig den Köpfen der Apostel Paulus und Petrus hing vermutlich an einer Urkunde, die schon längst vergangen ist. Es ist ein interessanter Beleg für die Beziehungen vom fernen Rom nach Sachsen-Anhalt. Wie M. Planert in einem Bericht der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ (Heft 2/2025) schreibt, könnte das Siegel bei einer Latrinenentleerung oder als verlorener Talisman an seinen Fundort gelangt sein. „Bleibt der einstige Empfänger der Urkunde auch im Dunkel der Geschichte, so stellt die Bleibulle doch einen eindrucksvollen Beleg für die Kommunikation des Heiligen Stuhls im späten 13. Jahrhundert mit der Mitte Deutschlands dar.“ Solche Siegel hätten der Beglaubigung päpstlicher Urkunden gedient und seien bei Martin IV. in großer Zahl überliefert. Die in archäologischen Zusammenhängen entdeckten Bleisiegel, die man nach dem lateinischen Wort Bulla oder Bulle für Blase entdeckten Siegel hingegen besäßen Seltenheitswert. Gründe seien laut Plänert die Wiederverwendung des aus Tierhaut gefertigten Pergaments sowie des Bleis, nachdem die Schriftstücke ihre Bedeutung verloren hatten. Die meisten Funde dieser Art stammten aus Gräbern und Latrinen.
Bei solchen Siegeln sei es üblich gewesen, die Seite mit den bärtigen Bildnissen der Apostel beizubehalten. Wenn aber ein neuer Papst gewählt wurde, habe man lediglich die Seite mit der Inschrift erneuert. Bei der Anfertigung der Bullen hat man eine Siegelschnur zwischen zwei Metallplättchen gelegt und mit Hilfe eines Siegelstempels durch mechanischen Druck untrennbar verbunden. Die Siegelschnur ließ sich nicht mehr herausziehen. Gut erhaltene Bleibullen befinden sich samt Urkunden in Archiven, doch wenn sie bei archäologischen Grabungen ans Tageslicht gelangen, ist ihr Zustand wegen des unedlen Metalls zumeist schlecht. In Deutschland findet man päpstliche Bullen aus Blei, in Südosteuropa sind solche aus Byzanz und aus Ländern rund um das Mittelmeer nachgewiesen.

Frühmittelalterliches Gold
Weiter geht es in der genannten Zeitschrift nach Rheinland-Pfalz, wo im Bereich von Worms eine seltene Goldmünze des Frühmittelalters gefunden wurde. Es handelt sich um einen 1,25 g schweren und 13 mm großen Tremissis, das heißt um das Drittelstück eines Solidus aus spätrömisch-byzantinischer Zeit. Solche Geldstücke adaptierten byzantinische Münzbilder und liefen in West und Mitteleuropa um. Das vorliegende Exemplar zeigt eine stilisierten und verfremdete Kaiserbüste und darum eine unleserliche Umschrift. Auf der Rückseite ist innerhalb eines Perlkranzes um eine Umschrift zusehen. Das Kreuz mit zwei Querbalken steht auf einer Basis, die als Erdglobus gedeutet wird.
Die Goldmünze lässt sich aufgrund ihrer Rückseiten dem sogenannten Nietap-Typ zuweisen, der nach einem Schatzfund in den Niederlanden benannt ist. Die Münzen wurden vermutlich in Friesland im zweiten Viertel der siebten Jahrhunderts hergestellt, schreiben L. Blöcke und J. Dolata. Die Münze weist auf wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem nördlichen Oberrheingebiet und dem Nordseeraum hin und ist für Rheinhessen als Besonderheit zu werten. Es dürfte sich um einen so genannten Verlierfund handeln, da keine Begleitfunde aus derselben Zeit entdeckt wurden. Edelmetalldepot im Norden
In Gützkow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gelang dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Thomas Marlow ein sensationeller Fund. Er aus einem massiven, spitzoval aufgewickelten Draht, in dem fünf übereinander gestapelte Solidi aus der späten Römerzeit fixiert waren. Insgesamt wiegt der Fund etwas über 93 Gramm. Allein der Spiraldraht entspricht mit 70 Gramm dem Wert von etwa 16 Solidi. Der Schatz gilt als das bisher größte Edelmetalldepot des fünften Jahrhunderts nach Christus in dem nördlichen Bundesland. Vor der Entdeckung des Gützkower Fundes waren in Mecklenburg-Vorpommern lediglich fünf oströmische Goldmünzen aus der gleichen Zeit bekannt. Der Fund unterstreicht, dass die Region in dieser Zeit besiedelt und nicht, wie bisher angenommen, nahezu menschenleer war.
Der Gützkower Fund besteht aus einem um 462 in Rom geprägten Solidus des Honorius, hinzu kommen zwei Solidi des Valentinianus III. und ein Solidus des Libius Severus. Eine absolute Seltenheit ist der Solidus des Libius Severus, für den es keine Parallelen aus dem rechtsrheinischen Deutschland gibt. Bei einer Prägungen des Valentinianus III. sind Lötspuren einer verloren gegangenen Aufhängung oberhalb der Kaiserbüste zu erkennen. Ursprünglich besaß das Goldstück ähnlich wie andere spätrömische Münzen und Medaillons aus dem Barbaricum, also der nach römischer Vorstellung von „Barbaren“ bewohnten Gebiete jenseits des Limes in Nord-, Mittel- und Südosteuropa, eine Öse, um sie als Schmuck tragen zu können. Der Goldfund von Gützkow wurde etwas abseits einer Siedlung entdeckt. Die geografische Lage ist interessant, war die Peeneregion in der Völkerwanderungszeit ein wichtiger Raum für Kontakte zwischen Skandinavien und Mitteldeutschland.

3. April 2025