„Dat Wort is Fleisch geworden...“
Was Münzen und Medaillen der Täufer über das „Neue Jerusalem“ in Münster erzählen



In Münster und Osnabrück wurde 1648 der Westfälische Friede geschlossen, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Im Friedenssaal des Rathauses wurde der Spanisch-Niederländische Friedens als Teil des Westfälischen Friedens geschlossen. Das Stadtzentrum von Münster erlitt durch alliierte Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg schwere Schäden. Beim Wiederaufbau wurden historische Fassaden und alte Straßenzüge zurück gewonnen.



Jan Beukelszoon, genannt Jan van Leiden, und seine Ehefrau Elisabeth Wandscherer werden auf dem Kupferstich aus der Zeit um 1641 gemeinsam mit einem Wiedertäufertaler von 1534 als König und Königin gefeiert.



Nach der Hinrichtung des Täuferkönigs gab es große Nachfrage nach seinem Porträt. Die Gussmedaille von 1535 verbindet das Bildnis des Jan van Leiden mit seinen Insignien.


Die Taler von 1534 dienten auch zur Verbreitung der täuferischen Lehre und wurden im 17. Jahrhundert mit alten beziehungsweise neu geschnittenen Stempeln und den Kennbuchstaben P und K nachgeprägt.



Im Turm der Lambertikirche zu Münster sind drei eiserne Körbe befestigt, in denen lange Zeit die Leichen von hingerichteten Führern der Täuferbewegung zur allgemeinen Abschreckung vor neuem Aufruhr zur Schau gestellt wurde.


Im 19. Jahrhundert hat man Szenen aus der Zeit der Täuferherrschaft dramatisch ausgemalt, hier die Krönung des Jan van Leiden und wie er Elisabeth Wandscherer, eine seiner 16 (!) Ehefrauen, köpft. Der Überlieferung zufolge soll sie darauf hingewiesen haben, dass das Volk im belagerten Münster hungert, währen ihr „König“ in Saus und Braus lebt.



Mit der fünfteiligen Notgeldserie von 1921 nach Entwürfen des Paderborner Grafikers Josef Dominicus betrieb die Stadt Münster Eigenwerbung. Vor allem für Sammler bestimmt, zeigen sie Ereignisse und Gestalten der Täuferbewegung, hier das Bildnis des Kaufmanns und Bürgermeisters Bernd Knipperdollinck und wie aus dem ehemaligen Schneider Jan van Leiden ein König wurde.

Fotos/Repros: Caspar

Anfang dieses Jahres
wurde Reinhardsbrunn bei Friedrichroda (Thüringen) und an anderen Orten an die Entstehung der Täuferbewegung vor 500 Jahren erinnert. Ein Gedenkstein ist sechs der ersten Täuferinnen und Täufer gewidmet, die 1525, als im Römisch-deutschen Reich der Bauernkriegs gegen die unselige Fürstenherrschaft tobte, wegen ihrer Überzeugung hingerichtet wurden. Die Gruppe ließ sich erst im Erwachsenenalter taufen, um damit ein aktives und selbstbestimmtes Bekenntnis zum Glauben abzulegen. Etwa zeitgleich mit den Hinrichtungen fanden am 21. Januar 1525 in der Schweiz die ersten Taufen dieser Art statt. Weil sie die Kindstaufe ablehnten, wurden die Täufer von katholischer und protestantischer Seite verfolgt, und viele opferten ihrem Bekenntnis das Leben. Heute gehen weltweit die Mennoniten, Amischen, Hutterer und andere Glaubensrichtungen auf die Täufer von damals zurück.

Beispiel für festen Glauben
Das Interesse an den grausam hingerichteten Führern der Täuferbewegung war und ist groß. So verwundert es nicht, dass die Ereignissen und Gestalten von damals auch lange Zeit später thematisiert und ausgemalt wurden, wie eine in den Jahren 2000 und 2001 laufende Ausstellung des Stadtmuseums Münster sowie zwei illustrierte Begleitbände belegen. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche und populäre Veröffentlichungen über die Wiedertäufer, dazu kommen Romane, Theaterstücke und Kompositionen, und auch die Souvenirindustrie hat bis heute die Täufer fest im Griff.
Skulpturen, Grafiken und Gemälde zeigen Bildnisse der Anführer jenes „Neuen Jerusalem“, das eifrige Reformatoren errichtet hatten, um der ganzen Welt ein Beispiel für festen Glauben und ein gottgefälliges Leben zu geben. Die durch Verrat ermöglichte Eroberung des Täuferreichs 1535 durch Söldner des Bischofs von Münster, Franz von Waldeck, und dessen erbarmungslose Rache setzten dem Experiment ein Ende. In der alten Bischofsstadt Münster sind die Ideen und Taten der Wiedertäufer bis heute präsent, ebenso, was ihre Feinde taten, um ihre Herrschaft niederzuschlagen und in Misskredit zu bringen.
Der 25jährige Jan van Leiden umgab sich mit einem Hofstaat, entfaltete königlichen Prunk und leistete sich mehrere Ehefrauen. Er ließ sich zwei goldene Kronen, einen goldenen Siegelring mit seinem Königswappen, goldene Ketten mit daran befestigten Wiedertäufertalern sowie ein Zepter als Zeichen seiner Würde anfertigen und ist mit ihnen auf Gemälden und Grafiken abgebildet. Eines dieser Bilder zeigt, wie Jan van Leiden seine Ehefrau Elisabeth enthauptet, nachdem sie ihn wegen seines luxuriösen, ja königlichen Lebens öffentlich kritisiert hatte.

Schmuck und Erkennungszeichen
Die Täufer haben numismatische Spuren in Gestalt von Medaillen mit den Bildnissen des selbsternannten Königs Jan van Leiden sowie die berühmten Wiedertäufertaler mit der Aufschrift „Dat Wort is Fleisch geworden un wanet in uns“ und weitere Zeugnisse dieser Art hinterlassen. Sie dienten als Schmuck und als Erkennungszeichen der „Apostel“, die Bewohner benachbarter Städte missionieren und um Hilfe für die von von Bischof Franz von Waldeck belagerte Stadt Münster bitten sollten. Der Bischof neigte wie andere Landesfürsten der Lutherschen Reformation zu und förderte sie in seinem Herrschaftsbereich. Nachdem aber die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47 den „Papisten“ in Gestalt von Karl V. und seinen Verbündeten unterlagen waren, musste er seine Pläne zur Einführung der Reformation und Umwandlung geistlicher Territorien in weltliche Fürstentümer aufgeben.
Die auf beiden Seiten nur mit Inschriften bedeckten Taler ergänzen auf eindrucksvolle Weise die Urkunden und Flugblätter, Augenzeugenberichte, Porträts, Kupferstiche und Holzschnitte sowie Zeugnisse der Alltagskultur, Waffen und archäologischen Fundstücke. Sie stellen eindrucksvolle Belege täuferischer Selbstdarstellung und wie die Gegenseite ihr Gottesreich sah. Die aus Gold und Silber gefertigten Wiedertäufertaler kommen auch als Nachprägungen des 17. Jahrhunderts vor. Es gibt zahlreiche Abgüsse und Fälschungen, denn immer dann, wo es keine Originale gab, half man sich mit Kopien und Nachbildungen.

Nachprägungen und Notgeldscheine
Spezialisten können sie anhand von Signaturen und anderen Merkmalen einzelnen Stempelschneidern zuordnen. Gesandte bei den 1645 bis 1648 in Münster und Osnabrück laufenden Verhandlungen zum Westfälischen Frieden nahmen silberne Nachprägungen als Souvenirs mit, die der bischöfliche Münzmeister Engelbert Ketteler analog zu den Wiedertäufertalern von 1534 anfertigte und mit „K“ zeichnete. Andere Nachprägungen mit dem Buchstaben „P“ weisen auf den münsterschen Münzmeister Hermann Potthof, der Originalstempel verwendet hat. Daneben gibt es Kombinationen von alten und neu geschnittenen Stempeln.
Nach den von Heinrich Aldegrever geschaffenen Porträts des 1535 gefangen genommenen und Anfang 1536 hingerichteten Jan van Leiden entstanden ausdrucksstarke Bildnismedaillen mit dem Brustbild des „Iohan van Leiden ein Koninck der Wederdoper zo Monster“. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und später hat man Nachgüsse angefertigt. Dass diese Andenken gehenkelt und gelocht wurden, deutet auf ihre Verwendung als Halsschmuck.
Bliebe noch zu sagen, dass Münstersche Notgeldscheine im Wert von zwei Mark aus dem Jahre 1921 von dem Paderborner Grafiker Josef Dominicus geschaffen wurden. Auf diesen etwas düster wirkenden Noten hatten sich einige sachliche Fehler eingeschlichen, die auf eine gewisse Unkenntnis des Künstlers über die Vorgänge von damals weisen.

31. Januar 2025