Was Taler selten macht
Münzjournale und Kataloge aus dem frühen 18. Jahrhundert sind auch heute lesenswert

Ein „Antiquitet oder Müntz-Narr“ verlustiert sich beim Anblick von Münzen. Nur wer vermögend war, konnte sich ein solches Hobby und die dazu gehörigen Zeitschriften und Kataloge leisten. Die von 1729 bis 1750 von Johann David Köhler publizierte Zeitschrift „Der Wöchentlichen Historischen Münz-Belustigung“ enthält eine Fülle von lesenswerten Abhandlungen über antike, mittelalterliche und neuzeitliche Münzen sowie Medaillen aus dem In- und Ausland. In größeren Bibliotheken und Münzkabinetten kann man die Folianten studieren und für Betrachtungen numismatischer und allgemein historischer Art gut nutzen.

Das Münzensammeln war vor 300 Jahren und lange danach eine edle und kostspielige Sache. Händler beschafften Raritäten aller Art, und das funktionierte noch ohne Telefon, e-Mail und Internet. Die Stiche feiern das Münzensammeln mit typisch barockem Allegorienprunk.

Johann David Köhlers Historische Anmerkungen über Medaillen und Münzen fanden eine interessierte Leserschaft. Münzbelustigungen oder und Talerkabinette enthalten interessante, oft längst vergessene Informationen.

Auf Michael Lilienthals barocker Werteskala rangierten Taler und vergleichbare Münzen als Raritäten, wenn sie mit einer besonderen Historie verbunden waren.

Die braunschweigische Pfaffenfeindtaler von 1622 und die Krone mit dem Bildnis des englischen Lordprotektors Oliver Cromwell von 1655, bei dem der Stempelriss am Hals als Hinweis auf sein baldiges Ende gedeutet wurde.
Fotos/Repros: Caspar
Obwohl es Hinweise gibt, dass schon in der Antike Münzen gesammelt wurden, weil man sie schön fand oder weil sie ein besonderes Ereignis, eine berühmte Person feiern, weil sie selten waren oder man sie „kurios“ fand – erst richtig kam das Münzensammeln in der Renaissance auf. In jener Zeit also, da sich Gelehrte und Künstler die Kultur und Kunst der alten Griechen und Römer neu entdeckten und nach Zeugnissen aus diesen Zeiten suchten. Da nimmt es nicht Wunder, dass dabei auch das Geld dieser untergegangenen Völkerschaften ins Blickfeld rückte. Von da ab war es nicht weit, dass Münzkabinette systematisch angelegt und die ersten Kataloge mit Münzabbildungen und –beschreibungen veröffentlicht wurden. Und auch der Münzhandel kam langsam in Gang, wie alte Verkaufs- und Versteigerungskataloge und Lebenserinnerungen von Numismatikern, allen voran Johann Wolfgang von Goethe, belegen.
Vom Nutzen der Münzkunde
Waren zunächst antike Münzen beliebt, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts auch neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann dem zeitgenössischen Prägungen. Im frühen 18. Jahrhundert errang die Numismatik akademische Ehren. So starteten 1738 an der Universität in Halle an der Saale die ersten Vorlesungen über antike Münzen. In ihnen erfuhren Studenten, welchen Nutzen die Münzkunde hat und warum die Gepräge aus grauer Vorzeit als Geschichtsquellen bedeutsam sind und wie man ihnen Informationen über das Leben und Denken untergegangener Völker entlocken kann.
Natürlich hatte die Beschäftigung mit Münzen und Medaillen auch große politische Bedeutung, denn Fürsten konnten unter Verweis auf lange Ahnenreihen ihre vornehme Abkunft und die Legitimität ihrer Herrschaft unter Beweis stellen und diese manchmal mit ein bisschen Schummelei bis zu den alten Römern zurück datieren. In Frankreich ließ der Sonnenkönig Ludwig XIV. nicht nur eine bedeutende Medaillenserie zu seiner eigenen Verherrlichung prägen, sondern sie auch in einem mehrbändigen, überaus kostbar illustrierten Katalog publizieren. Mit seinen Sammlungen versetzte der Sonnenkönig seine Mit- und Nachwelt in Erstaunen, und da große und kleine Fürsten den Hof von Versailles nachahmten, legte auch sie ihre ganze Ehre darein, ebenfalls mit kostbaren Münz- und Medaillensammlungen zu glänzen. So verdankt auch das Berliner Münzkabinett im Bodemuseum auf der Museumsinsel seine Existenz dem Bestreben brandenburgischer Kurfürsten und preußischer Könige, die metallen Hinterlassenschaften der Altvorderen systematisch zur Lehre und Erbauung zu versammeln.
Gelehrte Freizeitbeschäftigung
Wer vor 300 Jahren Geld hatte und Münzen sammelte, befand sich in allerbester Gesellschaft. Die gelehrte Freizeitbeschäftigung gehörte neben der Jagd, dem Tanzen und Fechten, der Reitkunst, Baukunst, Schifffahrt und anderen Beschäftigungen zu den ritterlichen Tugenden und wurde der „politischen Jugend“ anempfohlen. Ein 1702 in Hamburg gedrucktes Buch mit dem Titel „Der Geöfnete Ritter-Platz“ verweist auf verschiedene Wissensgebiete und lobt den großen Nutzen des Münzensammelns sowie des Besuchs der „vornehmsten Cabinetten und Kunst-Kammern“.
Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, gelegentlich auch nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann den zeitgenössischen Geprägen. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesem Namen dicke Kataloge mit barock-weitschweifigen und sich heute sehr kurios lesenden Beschreibungen gedruckt. Die mit erstaunlich präzisen Kupferstichen ausgestatteten Folianten sind heute große bibliophile Kostbarkeiten von begrenztem wissenschaftlichem Wert, denn natürlich ist die Forschung nicht stehen geblieben, und es gibt bessere und neuere Kataloge und Auflistungen, die ziemlich umfassend über das numismatische Erbe informieren. Auf der anderen Seite wären manche Hintergründe vergessen, hätte man sie nicht vor Urzeiten aufgeschrieben und publiziert. Die weitschweifigen Texte sind nicht jedermanns Sache. Erstaunlich ist die fotografische Genauigkeit bei der Wiedergabe der betreffenden Prägungen.
Kontroverse um geprägte Form
In der Barockzeit wurde an fürstlichen Höfen einiges Geld ausgegeben, um die bereits in der Renaissancezeit angelegten Sammlungen zu hüten und zu mehren und in aufwändigen Büchern mit vielen Kupferstichtafeln zu publizieren. Natürlich konnten nur solche Personen Münzen sammeln, die es sich leisten konnten, alte Silbertaler oder Golddukaten beiseite zu legen, um sich an ihrem Anblick zu erfreuen. Das fand nicht immer Beifall bei den Zeitgenossen, manche hielten Münzsammler schlicht für verrückt und hatten kein Verständnis dafür, dass sie die „geprägte Form“, um einen Begriff von Johann Wolfgang von Goethe zu benutzen, beiseite legten und über sie Bücher und Zeitschriftenartikel verfassten.
Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, gelegentlich auch nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann den zeitgenössischen Geprägen. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesem Namen dicke Kataloge mit barock-weitschweifigen und sich heute sehr kurios lesenden Beschreibungen gedruckt. Die mit erstaunlich präzisen Kupferstichen ausgestatteten Folianten sind heute große bibliophile Kostbarkeiten von begrenztem wissenschaftlichem Wert, denn natürlich ist die Forschung nicht stehen geblieben, und es gibt bessere und neuere Kataloge und Auflistungen, die ziemlich umfassend über das numismatische Erbe informieren. Auf der anderen Seite wären manche Hintergründe vergessen, hätte man sie nicht vor Urzeiten aufgeschrieben und publiziert.
Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen
Als Orientierungshilfe für ihr Steckenpferd standen Sammlern gedruckte Kataloge und auch schon die ersten Münzzeitschriften zur Verfügung. Berühmt wurden die in Nürnberg zwischen 1729 bis 1750 von Johann David Köhler veröffentlichten „Wöchentlichen Historischen Münzbelustigungen“, in denen Münzen und manchmal auch Medaillen barock-umständlich und jedesmal mit einem Titelkupferstich des betreffenden Stücks vorgestellt wurden. Waren zunächst antike Münzen bei Sammlern beliebt und wurden sie, wenn man keine Originale bei der Hand hatte, auch schon mal nachgeahmt oder frei erfunden, so wandte man sich im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts auch neueren Münzen zu - erst denen aus dem Mittelalter und dann dem zeitgenössischen Metallgeld. So kamen Taler-, Dukaten- und Groschenkabinette in Mode. Für sie hat man unter diesem Namen dicke Kataloge mit ausführlichen Beschreibungen gedruckt.
Geschichtliches Interesse fanden im frühen 18. Jahrhundert die „Blechmünzen“ genannten Brakteaten des Mittelalters und anderes Silbergeld aus grauer Vorzeit, aber auch die seit dem späten 15. Jahrhundert geprägten Taler und vergleichbare Geldstücke. Dass man sich mit solchen Münzen befasste, war neu und gewöhnungsbedürftig, denn Taler gab es erst seit gut 300 Jahren, und viele Stücke, die wir heute als Raritäten schätzen und teuer bezahlen, klapperten damals in gewöhnlichen Geldbeuteln und waren relativ gut zu beschaffen. Es gab Sammler, die an ihnen Gefallen fanden so wie man auch heute Münzen unserer Tage sammelt, und wenn sie Glück hatten, konnten sie erstklassige Münzen zum Metallwert und vielleicht für einen geringen Aufschlag kaufen. Mit einiger Ausdauer ließ sich so eine schöne Sammlung zeitgenössischer und auch älterer Silberstücke anlegen.
Werteskala von 1 bis 12
Eines dieser Bücher wurde von dem Pfarrer Lilienthal verfasst und trägt den barock-langatmigen Titel „Vollständiges Thaler-Cabinet das ist Historisch-critische Beschreibung derjenigen zweylöthigen Silber-Münzen, welche unter dem Namen Der Reichs-Thaler bekannt sind“. Der Band hat in der dritten Auflage von 1735 nicht weniger als 450 Seiten und dazu noch drei Register. Erfasst sind über 1500 Taler und talerförmige Münzen. Aus Kostengründen hat man auf Kupferstich-Abbildungen verzichtet. Die Aufzählung beginnt bei den Geprägen der römisch-deutschen Kaiser und der russischen Zaren, geht über zu den Münzen aus den Königreichen Frankreich, England, Schweden, Ungarn, Böhmen, Dänemark, Polen und Preußen. Der Katalog erfasst ferner die Taler der deutschen Kurfürsten, gefolgt von den geistlichen Fürsten mit dem Papst an der Spitze. Mit den Silbermünzen der Fürsten, Markgrafen, Pfalzgrafen und anderen Standesherren sowie mit städtischen Ausgaben schließt das Nachschlagewerk ab. So gut es geht, wird jedes Stück beschrieben, und so ist es mit einiger Mühe möglich, bestimmte Objekte zu identifizieren.
Als Bewunderer des Altdorfer Münzforschers Johann David Köhler hat Lilienthal keine Bedenken, dessen Bewertungskriterien in seinem Talerbuch nachzudrucken. Demzufolge sind 1. die ausländischen Taler seltener als die einheimischen, ausgenommen die französischen Taler sowie die sächsischen und lüneburgischen. 2. sind die Taler aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert unstreitig unter die raren zu zählen, ausgenommen die Schlickischen Joachimsthaler und die alten sächsischen Klappmützentaler. 3. sind die Taler der geistlichen Stände in Deutschland seltener als die der weltlichen, von den salzburgischen Talern abgesehen. 4. sind die Taler mit vielen Köpfen rarer als mit nur einem, ausgenommen die Stücke aus Sachsen. 5. sind die Taler mit einer Fürstin darauf, mit Ausnahme der russischen Münzen, selten, ebenso solche mit Mann und Frau oder Mutter und Sohn. 6. „Die Thaler von ausgestorbenen Häusern oder Örtern, so das Münz-Regale verloren haben, machen sich ebenfalls rar.“ Das gleiche gilt 7. für Herren, die nur kurze Zeit regiert haben, und 8. für Fürsten und Herren, „so einen unglücklichen Ausgang ihres Unternehmens und Lebens gehabt“, also auf nicht natürlichem Wege Regierungszeit und Leben beendet haben. Der Punkt 9 nennt „symbolische Taler“ zu den Raritäten, die in verschiedener Zeit nacheinander geprägt wurden und doch zusammen gehören und schwer zusammenzubringen sind, und 10. „Thaler, so andern zum Schimpf geschlagen sind, oder dadurch man auf andre gestichelt hat, machen sich rar“, womit Spottmünzen und umgravierte Stücke satirischen Inhalts gemeint sind. 11. werden Taler, „worauf sehr notable Fehler der Eisenschneider, oder besondre Zeichen von gerissenen Stempeln zu sehen, oder welche andre sonderliche Marquen haben, für rar erachtet, weil man allerhand Praesagia und Bedeutungen daraus macht“. Für selten werden an 12. Stelle jene Taler erachtet, welche einen besonderen Beinamen wie Brömsen-Taler oder Bettler-Taler tragen.
22. Juni 2025