Von Byzanz in die Uckermark
Bei Ausgrabungen in Biesenbrow gefundene Goldmünzen in Angermünde ausgestellt

  

Der Goldfund von Biesenbrow war lange Zeit nur durch den Bericht eines Lehrers aus dem Jahr 1885 bekannt. Lange war fraglich, ob er tatsächlich existiert, doch bestätigten Nachgrabungen seine Existenz.



In der Bibliothek von Angermünde lassen die etwa je 4,4 Gramm wiegenden Goldmünzen ahnen, wie der Fund von Biesenbrow ursprünglich zusammengesetzt war. Ergänzende Informationstexte in der Vitrine liefern Einblicke in die Fundgeschichte.



Als die spätrömischen Goldmünzen bei Gützkow in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt wurden, waren sie von 70 Gramm schweren Golddraht umwickelt.

Fotos: Patrick Pleul (dpa), Landesamt Denkmalpflege, Archäologie in Deutschland Heft 3/2019

Im Land Brandenburg werden immer wieder bei Ausgrabungen und oder zufällig Münzen und andere Hinterlassenschaften unserer Vorfahren entdeckt. Sie gestatten Einsichten in die Lebensweise, Geldwirtschaft und Handelswege in vergangenen Jahrhunderten, über die keine Chroniken und Urkunden erzählen, und berichten auch von Krisen, Kriegen und anderen Katastrophen. Manchmal haben die Münzen einen langen Weg aus anderen Teilen Europas bis zu den Fundplätzen im deutschen Norden zurück gelegt, und man kann darüber spekulieren, wer sie transportiert und warum man sie der Erde anvertraut, eingemauert oder auf andere Weise versteckt hat. Viele Schätze gingen in der Vergangenheit verloren, weil man ihren wissenschaftlichen Wert nicht erkannte und man sie als Edelmetall einschmolz und zu barem Geld machte. Glücklicherweise aber kam seit der Barockzeit viele Funde in die Münzkabinette und Museen, und so kann man heute eine Auswahl im Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster zu Brandenburg an der Havel und an anderen Orten wie dem Berliner Münzkabinett betrachten.

Bei der Präsentation des kleinen, aber historisch wichtigen Fundes erklärte Brandenburgs Kulturministerin Sabine Kunst: „Heute können wir eine ganz ungewöhnliche Entdeckung auf einem alten, fast vergessenen Fundplatz vorstellen. Neben wissenschaftlicher Neugier und Beharrlichkeit ist der Fund Ergebnis erfolgreicher Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung, der bodendenkmalpflegerischen und musealen Arbeit des Landesamtes für Denkmalpflege sowie ehrenamtlicher Tätigkeit“. Landesarchäologe Franz Schopper lobte das Engagement aller Beteiligten, das den jetzt präsentierten Fund erst ermöglichte. Der Archäologe Felix Biermann verwies auf die gute Kooperation der Brandenburgischen Denkmalpflege und Archäologie mit der Universität Göttingen.

Münzen aus einem zwischen 1840 und 1885 nahe dem Dorf Biesenbrow entdeckten Fund byzantinischer Goldsolidi waren im November 2011 bei Nachgrabungen in den Tiefen eines Ackers an Tageslicht gelangt. Sie gehören zu einem ehemals großen Schatz, den Landarbeiter im späten 19. Jahrhundert zum Einschmelzen an Goldschmiede verkauft hatten, obwohl die Fundunterschlagung verboten war und das Berliner Münzkabinett Belohnungen bei Ablieferung versprochen hatte. Einige Münzen wurden vom Berliner Münzkabinett und dem Märkischen Museum Berlin angekauft. Damals durchgeführte Nachforschungen waren wenig erfolgreich. Das Thema galt lange Zeit als erledigt, war aber nicht vergessen.

Die von Felix Biermann veranlassten Recherchen führten zum alten Fundplatz und lösten neue Grabungen aus. Dabei wurden acht Goldmünzen und ein Schatzgefäß aus Ton entdeckt. Mit den Neufunden wurden alte Berichte des Lehrers Wilhelm Dalichow von einem gewaltigen byzantinischen Goldschatz bestätigt. Er wirft ein interessantes neues Licht auf dramatische Ereignisse, die sich im 6. Jahrhundert im Norden des heutigen Brandenburg abgespielt haben. Wie die aus Konstantinopel und Rom stammenden Goldstücke in die damals noch unbewohnte Uckermark gelangten, ist unbekannt.

Der Bernauer Numismatiker Lothar Tewes widmete sich über Jahrzehnte der Rekonstruktion des legendären Goldfundes. Aus Händlerbeständen erwarb er 27 originale Solidi aus der damaligen Zeit, die ein authentisches Bild von der Zusammensetzung des verlorenen Schatzes zeichnen. Dank der Unterstützung durch die Bürgerstiftung der Sparkasse Uckermark, den Landkulturverein Biesenbrow „Die Erben von Kummerow e. V.“ und privater Spender konnte die Stadt Angermünde diese einzigartige Sammlung erwerben.

Im Unterschied zu anderen Gegenden in Deutschland sind Goldmünzenfunde in Mecklenburg-Vorpommern eine Ausnahme, schon gar nicht solche aus der Spätantike. In Gützkow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) gelang dem ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Thomas Marlow eine sensationelle Entdeckung. Der Fund besteht aus einem massiven, spitzoval aufgewickelten Draht, in dem fünf übereinander gestapelte Solidi aus der späten Römerzeit befestigt waren. Insgesamt wiegt der Fund etwas über 93 Gramm. Allein der Spiraldraht entspricht mit 70 Gramm dem Wert von etwa 16 Solidi. Der Schatz gilt als das bisher größte Edelmetalldepot des 5. Jahrhunderts nach Christus in dem nördlichen Bundesland.

Der Fund besteht aus einem um 462 in Rom geprägten Solidus des Honorius, hinzu kommen zwei Solidi des Valentinianus III. und ein Solidus des Libius Severus. Für die Goldmünze des weströmischen Kaisers Libius Severus gibt es keine Parallele aus dem rechtsrheinischen Deutschland. Bei einer Prägung des Valentinianus III. sind Lötspuren einer verloren gegangenen Aufhängung oberhalb der Kaiserbüste zu erkennen. Die Umwicklung der Münzen mit Golddraht lässt vermuten, dass die Münzen wohl nicht als Zahlungsmittel, sondern als Wertgegenstände oder Rohmaterial gehortet wurden. Die Lage des Fundortes ist interessant, denn die Peeneregion war in der Völkerwanderungszeit ein wichtiger Raum für Kontakte zwischen Skandinavien und Mitteldeutschland.

LITERATURHINWEIS
Siehe auch Beitrag von Lothar Tewes, Jürgen Müller, Fritz Meyerling und Eckhard Walther "Byzantinisches Gold aus Biesenbrow - Rekonstruktionsversuch eines uckermärkischen Münzschatzes aus der Zeit des beginnenden Mittelalters". In: Beiträge zur brandenburgisch-preußischen Numismatik. Numismatisches Heft 12 (2004), S. 25-39

12. Juli 2025