„Deutsche an einen Tisch“ - Berliner Geldfabrik prägte Münzen, die nicht lange opportun waren

Im ehemaligen Münzgebäude am Molkenmarkt werden heute Ausstellungen gezeigt, hier sind auch Künstlerateliers eingerichtet.

Die Medaille aus der Zeit nach 1990 zeigt die repräsentative Front der Berliner Münze am Rolandufer und im Hintergrund das Rote Rathaus. Dazu auch die Hammerprägung und bei der Münzproduktion eingesetzte Maschinen.

Die 1946 und 1948 in München und Berlin geprägten Pfennige sehen fast so aus, als würden sie noch aus der NS-Zeit stammen.

Auf der Strecke blieben Münzentwürfe aus der Frühzeit der DDR, die wie hier das Brandenburger Tor mit dem Kölner Dom kombinieren beziehungsweise deutschen Wohlstand für die Zeit beschwören, dass Deutschland unter kommunistische Herrschaft nach sowjetischem Vorbild gerät.

In manchen Haushalten blieben die „Aluchips“ genannten Kleinmünzen der DDR mit und ohne die Aufschrift DEUTSCHLAND und auch die Fünfziger von 1950 erhalten. Die Probe v on 1949 ist extrem selten und teuer.

Die Staatlichen Musen zu Berlin und die Schadow Gesellschaft Berlin erlösen den klassizistischen Münzfries von Johann Gottfried Schadow aus seinem Dornröschenschlaf in den Katakomben des Kreuzbergdenkmals und lassen ihn auf der Berliner Zitadelle unter den Augen der Besucher restaurieren. Die Neuaufstellung in der Bastion Königin erfolgt in den kommenden Jahren. Die undatierte Medaille der Staatlichen Münze Berlin ehrt den Bildhauer und zeigt ein Detail seines berühmten, lange vergessenen Meisterwerks, das um 1800 der Fassade der Königlichen Münze auf dem Werderschen Markt unweit des Berliner Schlosses eingefügt wurde und es nicht verdient, dass man es der Öffentlichkeit vorenthält.
Fotos: Caspar
Die ehemalige Preußische Staatsmünze am Molkenmarkt im Zentrum Berlins, die mit der sächsischen Münzanstalt in Muldenhütten bei Freiberg für die Sowjetische Besatzungszone zuständig war, war im Krieg teilweise zerstört und musste danach so weit hergerichtet werden, dass man die Geldproduktion wieder aufnehmen konnte. Teile des riesigen Gebäudekomplexes, der von 1936 bis 1942 als Reichsmünze nach Plänen der Architekten Fritz Keibel und Arthur Reck am Molkenmarkt und am Rolandufer errichtet, wegen des Krieges aber nicht vollendet worden war, lagen in Trümmern. Das Berliner Münzgebäude war in der Nazizeit deshalb so großzügig geplant worden, weil es künftig die alleinige Reichsmünze beherbergen sollte. Dieser Fall ist aber nicht eingetreten.
Maschinen aus dem Schutt gezogen
Arbeiter der Berliner Münze zogen nach dem Krieg die Maschinen aus dem Schutt und richteten sie wieder her, so weit das möglich war. Nachdem die Preußische Staatsmünze am 1. Juli 1947 in Münze Berlin umbenannt und der Zentralfinanzverwaltung der Sowjetischen Besatzungszone unterstellt worden war, konnte man mit der Geldproduktion beginnen. Das in Berlin und anderen Münzstätten in den westlichen Besatzungszonen produzierte Hartgeld aus Zink unterschied sich zunächst von dem aus der NS-Zeit nur dadurch, dass der Adler auf der Rückseite kein Hakenkreuz mehr in den Klauen hielt. Eine seltene Variante des Berliner Groschens von 1947 trägt in der „7“ einen Querstrich, der aber nicht der Vorschrift entsprach. Als der „slawische“ Querstrich entdeckt wurde, stoppte die Alliierte Kommandantur die Produktion und ließ neue Stempel mit einer normalen Zahl verwenden. Die beanstandeten Stücke wurden bis auf geringe Reste eingeschmolzen und erzielen heute, sollten sie vom Münzhandel angeboten werden, enorme Preise.
Was die Mitarbeiter der Berliner Münze empfanden, als sie endlich ihre Tätigkeit beginnen konnten, schilderte der Schlosser Arthur Kusch so: „Als Ende 1947 die Produktion von Zinkmünzen wieder aufgenommen wurde, löste sich eine Welle der Begeisterung und ein Aufatmen unter allen Beschäftigten nach dem Chaos der vergangenen Jahre. Es ist heute unvorstellbar und kaum zu beschreiben, wenn ein bisher toter Maschinensaal wieder zum Leben erweckt wird. Das Stampfen bzw. Laufen der Prägemaschinen war Musik in unseren Ohren“. Es begann eine umfangreiche Produktion von Pfennigen und Markstücken aus Aluminium sowie Fünfzig-Pfennig-Münzen aus Aluminium-Bronze, die ab 1966 durch eine bis 1990 laufende Serie von Gedenkmünzen aus Silber beziehungsweise Kupfer-Nickel ergänzt wurde.
Vom Molkenmarkt nach Reinickendorf
Nach der deutschen Wiedervereinigung verließ die in Staatliche Münze Berlin umbenannte Geldfabrik Anfang 2006 ihren alten Standort am Molkenmakt in der Mitte der Stadt und zog in den Bezirk Reinickendorf, wo sie an der Ollenhauerstraße 97 in einer ehemaligen Glasfabrik bessere und großzügigere Räume erhielt und auch ein kleines Museum einrichten konnte. Der Umzug war nötig, weil die nach dem Krieg und in den folgenden Jahrzehnten reparierten Gebäude des VEB Münze Berlin unpraktisch und marode waren. Ihre Sanierung und Ertüchtigung für die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts hätten Unsummen verschlungen.
Die bis 1953 in gewaltigen Stückzahlen geprägten Aluminiumpfennige und der Bronze-Fünfziger von 1950 mit der Fabrik und einem Pflug davor tragen die Staatsbezeichnung DEUTSCHLAND. Die Angabe drückte die Hoffnung der SED- und Staatsführung in Ostberlin und ihrer sowjetischen Befehlsgeber in Moskau aus, eines Tages die Macht in ganz Deutschland zu übernehmen, natürlich unter kommunistischen Vorzeichen. Diesem Ziel diente zeitweilig eine massiv von der SED betriebene „gesamtdeutsche“ Propaganda. Sie malte unter dem Motto „Deutsche an einen Tisch“ und „Deutschland einig Vaterland“ die Vision aus, dass eines Tages die Sonne des Sozialismus und Kommunismus „schön wie nie“ über ganz Deutschland aufgeht, um eine Zeile aus der DDR-Hymne von Johannes R. Becher zu zitieren. Zum anderen wurde unterstrichen, dass die DDR neben der Bundesrepublik Deutschland ein souveräner Staat ist, der als einziger das „wahre demokratische und freiheitliche Deutschland“ repräsentiert. Das war mit der Bundesrepublik nicht zu machen, die den zweiten deutschen Staat konsequent „Sowjetzone“ nannte.
Honeckers aggressive Abgrenzungspolitik
Von Deutschland wollten der 1971 als Nachfolger von Walter Ulbricht an die Spitze der SED und bald darauf der DDR gelangte Erich Honecker nichts mehr wissen. Er betrieb eine aggressive Abgrenzungspolitik, die sich ganz auf die Belange der DDR konzentrierte, aber 1989 in die Sackgasse und seinem eigenen Untergang führte. Die Aluminiummünzen mit der politisch nicht mehr opportunen Landesbezeichnung liefen weiter um, und wer hätte damals genauer angeschaut, wenn er nicht auf den Anachronismus aufmerksam gemacht worden wäre?
Die Bundesrepublik Deutschland begann 1952 mit der Ausgabe von silbernen Gedenkmünzen. Erst vierzehn Jahre später brachte die DDR ebenfalls solche Erinnerungsstücke heraus. Ziel der Gedenkprägungen war neben der politischen Selbstdarstellung natürlich die Erwirtschaftung von harten Devisen durch Verkauf in den Westen und den Intershop-Läden. Inzwischen war das Münzensammeln zu einer Art Volkssport geworden. Überall in der DDR bildeten sich unter dem Dach des Kulturbundes Sammlergruppen, die mit Ausstellungen, Publikationen und eigenen Medaillen auf sich aufmerksam machten und so in Erinnerung bleiben.
Unbändiger Drang nach „Westmark“
Produziert im VEB Münze der DDR grenzten sich die DDR-Gedenkmünzen klar von den bundesdeutschen Ausgaben durch ihre schüsselförmige, scharfrandige Form ab. „Der muldenförmig vertiefte Münzrand war von Anfang an vorgegeben. Er war wohl international selten, man versprach sich davon eine gewisse Attraktivität. Der Vorzug bestand in der Möglichkeit, den Entwurf stärker plastisch durchzugestalten und größere Reliefhöhen im Teller zu gewinnen“, schrieb Axel Bertram, der künstlerische Leiter des Emissionsprogramms. Nachteilig sei der Zwang zu konzentrischen Kompositionen gewesen, damit seien „unkonventionelle, pointierte Anordnungen“ ausgeschieden.
Der unbändige Drang nach „Westmark“ trieb auch in diesem Segment eigenartige Blüten. So wurden unterschiedliche Versionen ein und desselben Themas hergestellt, mal in einer vergleichsweise hohen Auflage, mal in geringer Stückzahl und manchmal auch in einem von der Norm abweichenden Metall. Erst nach der Wiedervereinigung wurden manche Geheimnisse um die DDR-Münzen gelüftet. Bei bei der Sichtung von Akten der Staatsbank der DDR und der Berliner Münze stellte sich heraus, dass die offiziell bis 1990 veröffentlichten Prägezahlen häufig nicht stimmen. Denn von verschiedenen Ausgaben wurden tausende Stücke wieder eingeschmolzen, um Silber für neue Emissionen zu gewinnen. Ein anderer Grund war, dass viele in großen Auflagen hergestellte Sondermünzen liegen blieben, weshalb auch sie den Tod im Tiegel erlitten. Das ist nun alles Geschichte, übrig sind die zum Teil sehr ansprechend gestalteten DDR-Münzen, die sich bei Sammlern großer Beliebtheit erfreuen und deren Preise sich, von extreme Seltenheiten abgesehen, auf einem mittleren Niveau bewegen.
28. Oktober 2025