Pharao auf der Museumsinsel - Wie tonnenschwere Figuren und Sarkophage vom Land am Nil nach Berlin gelangten

Das unter Friedrich Wilhelm IV. nach Plänen von Friedrich August Stüler erbaute Neue Museum beherbergt das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung sowie das Museum für Vor- und Frühgeschichte.

Beim Wiederaufbau des Neuen Museums konnte das bunt ausgemalte und mit Skulpturen geschmückte Treppenhaus nicht mehr wiederhergestellt werden. David Chipperfield entwarf einen neuen Zugang zu den einzelnen Etagen, der auch zum Verweilen einlädt.

Von 1843 bis 1855 errichtet, war das Neue Museum im Stil der Zeit üppig mit Wand- und Deckenbildern dekoriert, die den Besuchern eine Vorstellung von den Monumenten der Pharaonen und aus anderen Epochen vermittelten. Den bunt ausgemalten Ägyptische Saal und andere Räume kann man nur noch auf historischen Zeichnungen sehen, hier geschaffen 1850 von Eduard Gaertner.

Ägyptische Altertümer hatten in fürstlichen Kunstkammern, den Keimzellen heutiger Museen, einen festen Platz. Der Berliner Kupferstich (Ausschnitt) von 1704 zeigt im Berliner Schloss aufgestellte Antiquitäten. Im Hintergrund erkennt man Schränke, in denen das königliche Münzkabinett aufbewahrt wurde. Kleine Figuren ließen sich einfach nach Berlin transportieren, der Aufwand bei gewaltigen Objekten war entschieden größer.

Die steinernen Sarkophage nach Berlin zu transportieren war in der Frühzeit der Dampfschifffahrt und Eisenbahn nicht einfach.

Das Porträt von Nofretete besteht aus Kalkstein mit einem bunt und lebensecht bemalten Überzug aus Gips, der bis auf einige Beschädigungen gut erhalten ist. Die Verstümmelung von Pharaonenköpfen hatte politische und religiöse Gründe.

Im Bode-Museum wurde ein besonderer Saal mit Exponaten aus der Sammlung Simon wie vor hundert Jahren eingerichtet.
Fotos: Caspar
Lange bevor Mitte des 19. Jahrhunderts in Berlin die Ägyptologie erblühte und das Ägyptische Museum entstand, gab es in Frankreich, England, Italien und auch in Preußen Interesse an dem fernen und so geheimnisvollen Land am Nil. In Apotheken waren seine Hinterlassenschaften allgegenwärtig, denn zu Pulver zermahlene Mumien von Menschen, aber auch von mumifizierten Tieren samt Umhüllungen hat man bis ins 20. Jahrhundert hinein gegen alle möglichen Krankheiten verabreicht. Fürsten der Renaissance und Barockzeit waren stolz, wenn sie von Reisenden mitgebrachte Grabbeigaben und Porträts von Pharaonen in ihren Kunstkammern präsentieren konnten. Nur eines war im 18. Jahrhundert, als die Ägypten-Manie an Fahrt aufnahm, noch verwehrt – die Entzifferung der Hieroglyphen. Sie war erst möglich, nachdem 1799 in Memphis der „Stein von Rosette“ von Truppen unter dem Befehl von Napoleon Bonaparte, seit 1804 Kaiser Napoleon I., entdeckt worden war.
Das Fragment einer aus schwarzem Granit gefertigten Stele stammt aus der Zeit von Königs Ptolemaios V. Epiphanes, eines Nachfolgers Alexanders des Großen. Die Inschrift im oberen Teil des berühmten Sprachdenkmals besteht aus ägyptischen Hieroglyphen, in der Mitte liest man die ägyptische Gebrauchsschrift Demotisch, und im unteren Teil wird der Text in altgriechischer Sprache wiederholt. Der Inschriftenstein gelangter 1801 nach der Niederlage der Franzosen im Krieg mit England nach London ins Britische Museum. Dem französischen Sprachforscher Jean-François Champollion gelang 1822 anhand der Dreisprachigkeit die Entziffern der Hieroglypheninschrift. Er legte damit den Grundstein für die Erforschung der Geschichte und Kultur der alten Ägypter, die in Berlin unter der Herrschaft König Friedrich Wilhelms IV. zur Blüte gelangte. Vom Original des Steins von Rosette wurden Kopien zu Forschungs- und Ausbildungszwecken hergestellt. Eine solche kann man auch im Ägyptischen Museum bewundern, das im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel eingerichtet ist.
Preußen in Ägypten – Ägypten in Preußen
König Friedrich Wilhelm IV. finanzierte eine von Richard Lepsius geleitete Expedition nach Ägypten mit der damals ungeheuren Summe von 45 000 Talern aus seiner Privatschatulle. Aufschluss über die „wissenschaftliche Eroberung“ des Lands am Nil gibt das 2010 von Ingelore Hafemann im Kulturverlag Kadmos Berlin herausgegebene „Preußen in Ägypten – Ägypten in Preußen“. Die von Friedrich Wilhelm IV., genannt „Romantiker auf dem Thron“, finanzierte Ägypten-Expedition von 1842 bis 1845 fand nicht im luftleeren Raum statt, so ist zu lesen, sondern war eingebettet in einen politischen und geistigen Kontext und stand außerdem unter hohem Zeitdruck. Denn auch andere Länder hatten ihr Auge auf die von Pharaonen angeführte Hochkultur geworfen, und wer hier als erster aktiv und fündig wurde, hatte anderen Ländern einiges voraus.
Die herrschende Kaste in dem damals vom Osmanischen Reich beherrschten Ägypten traute offenbar den preußischen Forschern mehr zu als denen aus England und Frankreich. Sie ließ die Abgesandten von Friedrich Wilhelm IV. freizügig graben, malen und zeichnen und legten auch der Ausfuhr ihrer Fundstücke nichts in den Weg, gern üppige Bestechungsgelder entgegen nehmend. Die Altertümer gelangten auf dem Rücken von Eseln und auf Wagen zum Nil und von dort per Schiff über das Mittelmeer und den Atlantik bis nach Hamburg und zu anderen Häfen. Die Überfahrten waren nicht ungefährlich. Da es damals schon die Eisenbahn, hat man die oft viele Tonnen schweren Artefakte auf die Waggons verladen und nach Berlin gefahren. So sammelte sich an der Spree ein großer Schatz an ägyptischen Hinterlassenschaften an, für den ein angemessenes Haus, das Neue Museum, neben dem 1830 am Lustgarten eröffneten Alten Museum errichtet wurde.
König als Sohn der Sonne gefeiert
Jahrzehntelang war das im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörte Neuen Museum ohne Dach Wind und Wetter ausgesetzt. In den späten DDR-Jahren gab es Pläne, das Haus unter Zuhilfenahme alter Fotos und Pläne sowie geretteter Architekturelemente weitgehend originalgetreu zu rekonstruieren. Doch rückten die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz nach der Wiedervereinigung von diesem schwer realisierbaren Plan ab und gewannen 1997 den britischen Architekten David Chipperfield für den Wiederaufbau. Er kostete rund 212 Millionen Euro aufgebaut und war 2009 abgeschlossen.
Wie die aus Ägypten mitgebrachten Skizzen und Aquarelle für die Ausstattung dieses Hauses aufbereitet wurden und was dort in Rudimenten zu sehen ist, wird in dem erwähnten Buch ebenso behandelt, und es beschreibt auch den nicht ganz leichten Weg, den die Ägyptologie zurücklegen musste, bis sie sich in der Berliner Gelehrtenwelt etablieren konnte. Richard Lepsius hatte Glück, denn niemand Geringeres als der Weltreisende Alexander von Humboldt, der Diplomat und Ägyptologe Carl Josias von Bunsen sowie der Generaldirektor der Königlichen Museen Ignaz von Olfers erkannten sein Ausnahmetalent und gewannen den König als Förderer. Im Ägyptischen Hof des Neuen Museums wurde dieser denn auch in Hieroglypheninschrift als „Sohn der Sonne“ und als ein in der Tradition der alten Ptolemäer stehender Herrscher gefeiert. Kunst und Wissenschaft waren für den Monarchen, der bei der Niederschlagung der Revolution von 1848/49 eine unrühmliche Rolle spielte, wichtige Stützen seiner Herrschaft und ein Mittel, das preußische Prestige auf friedlichem Wege zu vergrößern.
Simon verschenkte Herrin der Lieblichkeit
Seit sie im Jahre 1912 in Amarna, 300 Kilometer südlich von Kairo, entdeckt und von ihren Ausgräbern nach Berlin gebracht wurde, zählt die Büste der altägyptischen Königin Nofretete zu den großen Berühmtheiten der Staatlichen Museen. Dass der Bildhauer Thutmosis nur ein Auge bemalt hat, tut ihrer Ausstrahlung keinen Abbruch. Offenbar handelt es sich um ein Arbeitsmodell, nach dem weitere Büsten angefertigt werden sollten. Die „Herrin der Lieblichkeit“, wie man die Königin nannte, starb im Jahre 1338 vor Christus. Gefunden wurde das 48 Zentimeter hohe Bildnis bei Ausgrabungen deutscher Archäologen in der königlichen Residenz Amarna. Aufgrund von Absprachen zwischen der ägyptischen und der kaiserlich deutschen Regierung gelangte die Büste nach Berlin, wo sie zunächst im Haus von Simon stand und von Kaiser Wilhelm II. betrachtet wurde, denn er hatte die Grabungen der Deutschen Orient-Gesellschaft finanziert und konnte die Büste für sich auswählen. Simon verdanken die Königlichen und ab 1918 Staatlichen Museen bedeutende Zuwendungen und Schenkungen. Eine Freifläche nahe der Museumsinsel und das 2019 eröffnete Eingangsgebäude für die einzelnen Häuser der Museumsinsel sind nach diesem großartigen Menschen- und Kunstfreund benannt.
Der reiche Baumwollhändler und Kunstsammler hatte als Gründer der Deutschen Orient-Gesellschaft jene Ausgrabungen im ägyptischen Tell el-Amarna finanziert, in der Nofretete und andere Kostbarkeiten zum Vorschein kamen. Bei der Anlage seiner Sammlungen ließ sich Simon von dem renommierten Museumsdirektor Wilhelm von Bode beraten. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, wurden alle Hinweisschilder auf Simon und seine Schenkungen entfernt, weil er Jude war. Dass er so viel für die Berliner Museen, aber auch für karitative Zwecke und das Bildungswesen geleistet hatte, zählte jetzt nicht mehr. Nach dem Untergang des Nazireiches war der 1932 auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee bestattete Mäzen weitgehend vergessen. Es dauerte Jahrzehnte, bis man sich seiner ehrenvoll erinnerte. Was das Ägyptische Museum und andere Sammlungen James Simon verdanken, wird in dem 2006 von Bernd Schultz herausgegebenen Buch „James Simon - Philantroph und Kunstmäzen“ ausführlich und mit vielen Bildern von Skulpturen, Gemälden sowie Münzen und Medaillen versehen dokumentiert.
13. Oktober 2025