Goldhut, Nofretete, Kupferbarren
Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte lädt zum Gang in die Vergangenheit ein



In DDR-Zeiten konnte man sich zu mehr als einer Sicherung der Ruine des Neuen Museum nicht aufraffen, die anderen Häuser auf der Museumsinsel wurden saniert und restauriert, so gut es damals möglich war.



Mitte der 1950er Jahre kehrten die wichtigsten Kunstwerke unter dem Motto „Der Menschheit bewahrt“ aus der Sowjetunion nach Berlin, Dresden, Gotha und andere Städte der DDR zurück. Auch das Berliner Münzkabinett konnte seine Schätze wieder in Empfang nehmen, allerdings vermisst es seine bedeutende Bibliothek, die Russland nicht herausgeben will.



Im Oktober 2009 wurde das wieder aufgebaute Neue Museum als Heimstatt des Ägyptischen Museums und des Museums für Vor- und Frühgeschichte wiedereröffnet.



Wie durch ein Wunder blieben im Niobidensaal des Neuen Museums Ausmalungen, Stuckaturen und die gusseisernen Deckenbinder erhalten. Er vermittelt einen Eindruck davon, wie prächtig das Neue Museum eingerichtet war.



Der Arzt und Politiker Rudolf Virchow sorgte dafür, dass dem Museum für Vor- und Frühgeschichte zahlreiche Funde aus dem In- und Ausland zugewiesen wurden. Die Büste der altägyptischen Königin Nofretete ist einer der Besuchermagneten im Neuen Museum. Dass sie nach Berlin gelangte, ist dem Mäzen James Simon zu verdanken. Das 2019 eröffnete Eingangsgebäude für die Museumsinsel ist nach ihm benannt.



Heinrich Schliemann schenkte 1881 den berühmten, aus vielen Goldgegenständen bestehenden Schatz des Priamos dem damaligen Völkerkundemuseum in Berlin. Weil das „Troja-Gold“ 1945 von der Roten Armee als Kriegsbeute mitgenommen wurde und sich immer noch in Russland befindet, kann das Museum für Vor- und Frühgeschichte nur Kopien zeigen.



Der 1996 erworbene Berliner Goldhut ist ein 74 Zentimeter hoher Kegel. Die Ornamentik des bei rituellen Zeremonien verwendeten Kopfschmucks wird als Kalendarium gedeutet.



Den hohen Stand der Metallgewinnung und –verarbeitung in uralten Zeiten demonstrieren in Gräbern und an anderen Orten gefundene Schmuck- und Gebrauchsgegenstände, aber auch Waffen und Helme.

Fotos: Caspar

Im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört,
war das Neue Museum auf der Berliner Museumsinsel jahrzehntelang ohne Dach und mit offenen Mauern Wind und Wetter ausgesetzt. In den späten achtziger Jahren, als die DDR noch existierte, gab es Pläne, den Verfall des von dem Architekten Friedrich August Stüler zwischen 1841 und 1859 errichteten Hauses unter Zuhilfenahme alter Fotos und Pläne weitgehend zu rekonstruieren. Doch kamen die Staatlichen Museen nicht sehr weit, andere Projekte hatten Vorrang. Die nach der Wiedervereinigung 1990 in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zusammengefassten Staatlichen Musen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz gewannen 1997 den britischen Architekten David Chipperfield für den Wiederaufbau des Neuen Museums in der Kombination von altem Gemäuer und originaler Innenausstattung mit neuen, dem Altbau angepassten Zutaten.

Freistätte der Kunst und Wissenschaft
Die Berliner Museumsinsel zwischen Spree, Kupfergraben und Lustgarten entstand ab 1830 als Freistätte der Kunst und Wissenschaft. Von 2025, wo an die Grundsteinlegung des Alten Museums erinnert wird, bis 2030, wenn dessen Eröffnung vor 200 Jahren gefeiert wird, laden die Staatlichen Museen zu speziell diesen beiden Daten gewidmeten Ausstellungen, Tagungen und anderen Veranstaltungen ein. Dann wird auch Gelegenheit sein, sich genauer mit der Geschichte der einzelnen Häuser bekannt zu machen und auch den Baumeistern, Bildhauern und Malern näher zu kommen, die sich um die Gestaltung der Museumsinsel verdient gemacht haben. Da ist auch zu erfahren, wer von den preußischen Königen und deutschen Kaisern hinter den Museumsbauten stand, wie ihre Wiedergeburt nach dem Zweiten Weltkrieg verlief und was es mit der Rückgabe von Museumsgütern 1955 aus der Sowjetunion unter dem Motto „Der Menschheit bewahrt“ auf sich hatte.
Auf rund 8000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zeigen das Ägyptische Museum und die Papyrussammlung, das Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie die Antikensammlung der Staatlichen Museen im Neuen Museum Skulpturen, Keramiken, Gegenstände aus Metall und Glas, Inschriften, Münzen und vieles andere. Nach langer Abwesenheit haben die Sammlungen an ihrem Ursprungsort dreimal so viel Platz wie in ihren bisherigen Standorten. Ältestes Ausstellungsstück ist im Museum für Vor- und Frühgeschichte ein 700 000 Jahre alter Faustkeil aus der Altsteinzeit, die jüngsten Exponate wurden nach dem Zweiten Weltkrieg im Trümmerschutt gefunden beziehungsweise stammen von der Berliner Mauer. Gezeigt wird die weltberühmte Troja-Sammlung, die Heinrich Schliemann den Berliner Museen schenkte und deren Goldschatz als sowjetische Kriegsbeute nach wie vor in Moskau zurück gehalten wird. Zu den Highlights des Ägyptischen Museums gehören Opferkammern aus dem Alten Reich sowie die weltberühmte Büste der Nofretete und weitere Stücke der Amarna-Sammlung, die 1913 auf Grundlage einer offiziellen Fundteilung von dem Mäzen James Simon nach Berlin gebracht und den damals Königlichen Museen geschenkt wurden.

Historische Substanz blieb erhalten
Beim Wiederaufbau des Neuen Museums blieb so viel als möglich von der historischen Substanz erhalten. Was alt und was neu ist kann man gut erkennen. Wand- und Deckenbilder, Säulen, gusseiserne Träger, Mosaikfußböden und Reliefs entfaltet auch in ihrem torsohaften Zustand große künstlerische Wirkung. Die vielen Kriegsbeschädigungen wurden nicht übertüncht oder nach alten Fotos und Zeichnungen ergänzt. Alles ist so, wie David Chipperfield und seine Kollegen die Räume vorgefunden hatten. Für jeden Saal wurde ein eigenes Konzept entwickelt, „um den Zauber des alten Stülerbaues zu neuem Leben zu erwecken und den Geist des 19. Jahrhunderts in unsere Zeit hinüber zu retten“, wie der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, sagt. Alle Bau- und Restaurierungsmaßnahmen erfolgten in Abstimmung mit der Denkmalpflege, ein Prinzip, das auch bei den anderen Baumaßnahmen auf der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Museumsinsel gilt.
Einer der am besten erhaltenen Räume des Neuen Museums ist der Niobidensaal, bei dem Ausmalungen, Fußbodenmosaiken und vergoldeten Deckenträger wie durch ein Wunder erhalten blieben. Hingegen gingen an anderer Stelle ganze Gebäudeteile wie der Nordwestflügel und der Südkuppelsaal, aber auch die eindrucksvolle Treppenhalle durch Kriegsbomben, Brand und Witterungseinflüsse verloren. In diesen Räumen haben Chipperfield und weitere Architekten neue Bauformen in Anlehnung an die historischen Volumina und Strukturen entwickelt.

Großzügige Ankäufe und Schenkungen
Bis die „Tempelstadt der Künste“, wie das mit wirkungsvoller Förderung des preußischen Königshauses entstandene Bauensemble auch genannt wird, war das Areal hinter dem Lustgarten eine Brache, besetzt von Gärten und Lagerflächen. Im frühen 19. Jahrhundert erkannten kluge Köpfe, dass die Fläche unweit des Residenzschloss viel der Hohenzollern zu wertvoll ist, als dass man sie für die genannten Zwecke verwenden sollte. Planungen, die königlichen Sammlungen öffentlich zugänglich zu machen und durch großzügige Ankäufe durch den Staat und durch Schenkungen von privater Seite auszustatten, gehen ins späte 18. Jahrhundert zurück, konnten aber erst nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 verwirklicht werden.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Museen geschlossen, ihre wertvollsten Bestände hat man ausgelagert. Im Krieg erlitten die fünf Museumsbauten zum Teil starke Schäden. Danach hat man sie mit Ausnahme des besonders schwer getroffenen Neuen Museums saniert und restauriert, so gut es ging. Nach der Wiedervereinigung 1990, die den Zusammenschluss der über beide Teile Berlins verstreuten Museen und Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ermöglichte, wurde die Generalsanierung der „Insel“ in Angriff genommen. Sie steht seit 1999 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes, was die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu besonders vorsichtigem Umgang mit der historischen Bausubstanz verpflichtet.

Zentnerschwere Grab- und Schatzfunde
Besucher erleben im Neuen Museum anhand von zentnerschweren Grab- und Schatzfunden, wie unsere Vorfahren Kupfer und Zinn zu Bronze schmolzen und diese Legierung zu Waffen, Schmuck, Gefäße und Kultgegenstände verarbeiteten. Zu sehen sind viereckige oder kissenförmige Barren, die auch zerteilt vorkommen, ferner sogenanntes Beilgeld sowie Armringe, Sicheln und Stangen, die auch als eine Art Geld verwendet wurden, lange bevor die Lyder mit dem Prägen der ersten Elektronmünzen begannen. Je nach gewünschtem Gewicht wurden die Bronzen zerhackt, später verfuhr man auch mit Silber so. Münzfreunde kennen vor allem das „vormünzliche“ Geld (aes grave) aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert, dessen man sich zu Beginn der Römischen Republik bedienten. Diese unterschiedlich großen und schweren gegossenen Barren zeigen Motive wie das Rind (pecus, daher die Ableitung pecunia oder pekuniär), den Januskopf beziehungsweise andere Götterköpfe, den Vorderteil eines Schiffes (Schiffsschnabel) und anderes. Wie in der Ausstellung weiter zu erfahren ist, orientierte man sich bei der Bewertung der Barren nach deren Gewicht. Serienuntersuchungen ergaben, dass in der Bronzezeit offenbar mehrere Gewichtssysteme nebeneinander existiert haben. Am gebräuchlichsten waren die Grundeinheiten von 26 und 63 Gramm. Hervorzuheben ist, dass viele in Form von Beilen und anderen Werkzeugen hergestellte Barren aus „Bleibronze“ wegen der „weichen“ Zusammensetzung des Metalls als solche unbrauchbar waren. Da die Erzlagerstätten im alten Europa und angrenzenden Gebieten auf wenige Orte beschränkt waren, pflegten die Völker einen ausgedehnten Tauschhandel, doch gelangten auch durch Kriegszüge oder Geschenke die begehrten Rohstoffe und metallenen Wertgegenstände in entlegene Gegenden, wo sie häufig als Opferbeigaben vergraben oder in Gewässern versenkt wurden. Wie die Ausstellung zeigt, wurden mit diesem regen Austausch auch künstlerische Fertigkeiten, technische Kenntnisse, religiöse Bräuche und ethische Wertvorstellungen transferiert. Dies erklärt, warum sich bronzene Waffen, Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände äußerlich ähneln, obwohl sie aus ganz entgegen gesetzten Himmelsrichtungen stammen.
Das Museum für Vor- und Frühgeschichte zeigt in seiner Eisenzeit-Abteilung Münzen der Völkerwanderungszeit und des frühen Mittelalters und betont dabei, dass das europäische Münzwesen dieser Periode durch spätantike Traditionen und oströmisch-byzantinische Vorbilder geprägt war. Maß aller Dinge war der goldene Solidus beziehungsweise sein Drittelstück, der Triens. Diese Münzen dominierten bis Mitte des 7. Jahrhunderts den Geldverkehr teils in Form byzantischer Importe, teils als Nachahmungen oder autonome „nationale“ Prägungen. Die Ausstellung zeigt Beispiele für diese Goldprägung, aber auch für die silberne Pfennigprägung, die ab dem 8. Jahrhundert eine größere Rolle spielte. Dass Mittel- und Nordeuropäer in der Bronzezeit komplizierte Metalltechniken beherrschten, zeigen unter anderem Beigaben aus dem 1899 entdeckten Königsgrab von Seddin (Kreis Prignitz) und andere in der Erde und in Gewässern aus rituellen Gründen versenkte Schätze. Auch sie zählen zu den besonderen Anziehungspunkten der Ausstellung.

9. Mai 2025