Freier Sonntag in der Zitadelle
Sparauflagen haben verheerende Folgen für das Berliner Kulturangebot

Die Zitadelle Spandau bietet weiterhin kostenfreie Kulturangebote für alle an und bietet weiterhin den kostenfreien Museumsbesuch stets am ersten Sonntag im Monat am. Schon von weitem ist der zinnenbewehrte Juliusturm zu sehen, in dem während der Kaiserzeit der Reichskriegsschatz sicher verwahrt war.

An den Wänden des U-Bahnhofs Zitadelle kann man auf Reproduktionen alter Lagepläne sehen, dass Spandau von Bastionen umgeben war.

In der ehemaligen Exerzierhalle sind historische Waffen und Kanonen ausgestellt.

Bei Ausgrabungen entdeckte Ofenkacheln mit Herrscherbildnissen und viele andere Fundstücke werden im „Archäologischen Zeitfenster“ gezeigt.

Reste der um 1900 im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. aufgestellten Berliner Siegesallee - hier Friedrich II., der Große, im Kreis seiner Vorfahren und Nachfolger - und weitere Skulpturen sind im Lapidarium zu sehen.

Spandau blickt auf eine langjährige Rüstungs-, Industrie- und Wirtschaftsgeschichte. Stellvertretend für sie wird eine Setzmaschine und im Hintergrund ein automobiler Oldtimer gezeigt.

Hinter der dicken Tresortür verbergen sich keine Gold-Millionen mehr, aber man kann den Juliusturm besteigen und hat von oben einen wunderbaren Blick auf die Zitadelle, auf Spandau und weit in die Ferne.
Fotos: Caspar
Die Berliner Kulturlandschaft, und nicht nur sie, leidet unter kaum zu ertragenden Sparzwängen. Mehrere Milliarden Euro müssen in allen Ressorts aufgebracht werden, auch im Kulturbereich. Von Kürzungen betroffen sind die Theater und zwei Opernhäuser. Die Freie Szene wird zurück gefahren und auch die Museen müssen sich auf harte Zeiten einstellen. Als erstes fiel der vom Land Berlin subventionierte kostenlose Eintritt stets am ersten Sonntag im Monat dem Rotstift zum Opfer. Er hatte viele Berliner und Gäste der Stadt in die Museen gelockt, darunter auch solche, die das aus Kostengründen oder wegen „Schwellenangst“ nicht getan hätten.
Die große Nachfrage an den Museumsonntagen 2024 habe gezeigt, sagt Spandaus Bezirksstadträtin Carola Brückner, wie Zugangshürden zu kulturellen Angeboten auf der Zitadelle Spandau abgebaut und Gästen unterschiedlichen Alters kulturelle Teilhabe ermöglicht wurde. Das seien gute Gründe, um diesen Weg auf Bezirksebene weiterzuführen. Museumsleiterin Urte Evert ergänzt: „Wir sind dankbar, dass Spandau für die vielen Menschen kämpft, welche die Zitadelle an jenen Sonntagen besucht haben, und hoffen, dass sich auch auf Landesebene wieder eine Wertschätzung für kultureller Arbeit einstellt. Das Team der Zitadelle erklärt sich mit allen Museen solidarisch, die den Museumssonntag nun nicht mehr anbieten können.“ Der erste „Zitadellensonntag“ fand mit großem Erfolg am 2. Februar 2025 statt und bot zusätzlich zum kostenfreien Eintritt ein vielfältiges kulturelles Programm.
Konzerte, Volksfeste, Ausstellungen
Auf dem weitläufigen Gelände hinter dem mit dem kurbrandenburgischen Wappen geschmückten Eingangsgebäude finden regelmäßig Konzerte und Volksfeste statt, und auch das gastronomische Angebot lockt viele Gäste an. Die Festungsanlage ist ein Museumssandort der Extraklasse, quasi eine Museumsinsel der etwas anderen Art. Gezeigt werden in Dauer- und Sonderausstellungen Zeugnisse der Stadt-, Rüstungs-, Industrie- und Filmgeschichte. Weiter wird die lange Geschichte der Stadt und Zitadelle Spandau anhand von archäologischen Fundstücken sowie Skulpturen, Gemälden und Grafiken, aber auch von Erzeugnissen der Industrie und des Handwerks erzählt. In der ehemaligen Exerzierhalle sind historische Kanonen ausgestellt, und in einem früheren Proviantmagazin werden Skulpturen aus Marmor, Sandstein und Bronze aus dem 18. bis 20. Jahrhundert gezeigt, die aus politischen, konservatorischen und anderen Gründen von Berliner Straßen und Plätzen genommen und in einem extra für sie geschaffenen Lapidarium eine neue Heimstatt fanden. Ausgestellt sind unter anderem hochkarätige Bildhauerarbeiten von der Berliner Siegesallee, aber auch Zeugnisse politischer Staatskunst aus der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR. Als Neuzugänge sind die so genannten Thorak-Pferde aus Bronze zu sehen, die ursprünglich Hitlers Reichskanzlei schmückten und nach einer wahrhaft filmreifen Irrfahrt hier Asyl fanden.
Spandau war bis zur Bildung von Groß-Berlin 1920 eine selbstständige Stadt. Die Eingliederung in Reichshauptstadt verlief hier und auch in anderen Kommunen wie Charlottenburg, Wilmersdorf oder Köpenick nicht ohne Komplikationen. Gut mit der S-Bahn und der U-Bahn zu erreichen, sind die Stadt rund um die Nikolaikirche und die Zitadelle zu jeder Jahreszeit eine Reise wert. Die im 16. Jahrhundert nach Plänen des italienischen Festungsbaumeisters Rochus von Lynar erbaute Zitadelle ist die am besten erhaltene Festung dieser Art weit und breit. im Hauptgebäude wird das unter anderem das Befestigungsprogramm der brandenburgischen Kurfürsten im 16. und 17. Jahrhundert dokumentiert und auf weitere Festungen in Peitz und Küstrin verwiesen.
Goldschatz im Juliusturm
Manche Besucher fragen, warum der Juliusturm mit einer ungewöhnlich starken Tresortür gesichert ist und erfahren, dass in dem Gemäuer aus dem späten 16. Jahrhundert von 1874 bis 1919 der Reichskriegsschatz eingelagert war. Ein Gesetz hatte 1871 festgelegt, dass das Deutsche Reich eine Goldreserve von 40 Millionen Talern beziehungsweise 120 Millionen Mark „zu Ausgaben nur für Zwecke der Mobilmachung“ anlegt. Die für den Reichskriegsschatz verwendeten Goldmünzen zu 20 und zu zehn Mark waren 1873 in einem großen Kraftakt in Berlin mit dem Kopf Kaiser Wilhelms I. geprägt worden. Das Geld wurde in 1200 Kisten mit je 100 000 Mark verpackt und im uliusturm verwahrt. Ursprünglich sollte der Goldschatz in einem Keller des Berliner Schlosses eingelagert werden. Dann aber wurde entschieden, dass er im besser gesicherten Juliusturm der Spandauer Zitadelle aufbewahrt werden soll. Er wurde zum Inbegriff für sicher verwahrtes, aber unproduktives Staatsvermögen. Bereits in der Kaiserzeit hat man bemängelt und auch vorgerechnet, dass die vielen Gold-Millionen besser anderweitig „arbeiten“ sollten. Die Reichsregierung aber ließ nicht mit sich reden.
Um den 32 Meter hohen Juliusturm für seine neue Aufgabe zu ertüchtigen, waren zahlreiche Umbauarbeiten nötig. Aus Sicherheitsgründen hat man eine Kaminnische zugemauert, weil man befürchtete, Diebe könnten durch den Schlot einsteigen. Nach dem Ersten Weltkrieg musste das Deutsche Reich den 1913 mit Blick auf kommende Konflikte noch einmal um 120 Millionen Mark aufgestockten Reichskriegsschatz aufgrund des Versailler Vertrags an Frankreich abgeben, Unser Nachbarland hatte nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 Entschädigungen im Wert von fünf Milliarden Francs an das neue deutsche Kaiserreich zahlen müssen.
Archäologisches Fenster
Nur wenige Schritte vom Juliusturm können Besucher, unter denen sich auch viele Schulklassen befinden, in Spandaus älteste Vergangenheit eintauchen. In einem Schauraum können sie Ergebnisse archäologischer Grabungen aus Keramik, Stein, Metall und anderem Material betrachten. Zu sehen sind ferner Reste einer slawischen Holz-Erde-Mauer sowie einer steinernen Burgmauer und der Schlossanlage aus der Renaissancezeit. In dem Archäologisches Fenster genannten Gewölbe sind jüdische Grabsteine aufgestellt. Im Sommer 1510 fand eine beispiellose Hetzjagd auf Juden in Berlin und Brandenburg aufgrund eines konstruierten Prozesses wegen angeblicher Hostienschändung statt. Zahlreiche Juden wurden verfolgt und ermordet, und wer überlebte, musste das Land verlassen. Zu den Folgen des Pogroms gehörte auch die Zerstörung des Jüdischen Friedhofs in Spandau. Dessen Grabsteine hat man als Baumaterial für die Befestigungsanlagen benutzt. Mehr als 60 mittelalterliche Steine dokumentieren das reiche jüdische Leben im alten Spandau. Dass man die alten Steine als Baumaterial vermauert hat, sicherte ihnen das Überleben bis heute.
Kurfürsten, Könige und ein Leninkopf
Die in einem ehemaligen Magazingebäude aufgestellten Standbilder brandenburgischer Markgrafen und Kurfürsten sowie preußischer Könige aus Marmor mit all ihren Ministern und Militärs wurden von Kaiser Wilhelm II. als „Ehrengeschenk“ an die Berliner in Auftrag gegeben, von diesen aber als Puppenallee und Marmorameer verspottet. Das Ensemble schmückte den Berliner Tiergarten, überstand stark beschädigt den Zweiten Weltkrieg und wurde zunächst im Garten des Schlosses Bellevue, dem heutigen Amtssitz des Bundespräsidenten, vergraben. Nachdem die Arbeiten namhafter Bildhauer der Kaiserzeit wieder ans Tageslicht gelangt waren, hat man sie provisorisch im ehemaligen Wasserwerk am Halleschen Ufer im Bezirk Kreuzberg aufgestellt. Der Umzug in der Spandauer Zitadelle ging einher mit einer Neubewertung der Figurenfolge, die nur oberflächlich gereinigt, nicht aber ergänzt wurde, so dass man an ihr auch die schrecklichen Zerstörungen durch Krieg und Gewalt ablesen kann.
Neben Monarchen- und Kriegerdenkmälern kann man in dem Skulpturenmuseum auch Hinterlassenschaften aus der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR betrachten. In die Ausstellung aufgenommen wurde das Denkmal von Feliks Dzierzynski. Die Figur des Gründers der sowjetischen Geheimpolizei Tscheka schmückte ursprünglich die Bezirksleitung Berlin des Ministeriums für Staatssicherheit . Wie zum Hohn für alle Opfer von Stalins Terror- und Mördertruppe liest man auf der Rückseite: „Tschechisch sein kann nur ein Mensch mit kühlem Kopf, heißem Herzen und sauberen Händen“ sichtbar.
4. Februar 2025