Heine fehlte der kämpferische Gestus -
Warum der Dichter 1958 aus der Berliner Mitte in den Prenzlauer Berg abgeschoben wurde



Heinrich Heine hat am 13. Dezember 2002 im Kastanienwäldchen nahe der Neuen Wache seinen Platz eingenommen, der ihm 1958 verwehrt wurde. (Foto: Caspar)

Richtfest am Hegelplatz - Humboldt-Universität baut für 20 Millionen Euro neues Institutsgebäude Die Humboldt-Universität breitet sich um Umfeld der Straße Unter den Linden aus und baut am Hegelplatz nach Plänen des Architekturbüros Abelmann Vielain Pock ein neues Haus für die Germanistischen Institute und das Nordeuropa-Institut. Am vergangenen Montag (22.2.06) konnte das Richtfest gefeiert werden. Wie der Präsident der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Christoph Markschies, sagte, koste das Bauvorhaben zwischen dem Universitätshauptgebäude und der Museumsinsel etwa 20 Millionen Euro. Die Finanzierung werde je zur Hälfte über eingesparte Mieten nach dem Umzug in den Neubau beziehungsweise über Bundesmittel gesichert. Mit dem jetzt entstehenden Gebäudeensemble am Hegelplatz erhalte die Universität einen weiteren lebendigen Denk-Ort in Berlins Mitte. Hier fänden die Geisteswissenschaften optimale Studien- und Arbeitsbedingungen. Das Ensemble setzt sich zusammen aus zwei bestehenden Gebäuden – einem Plattenbau aus den 1970er Jahren und einem Gründerzeitbau - sowie zwei Neubauten zusammen. Auf etwa 8.800 Quadratmetern Hauptnutzfläche werden hier 45 Seminarräume, ein Hörsaal, drei PC-Pools mit insgesamt 1.500 Plätzen für die Studierenden sowie die Fachbereichsbibliothek, ein Veranstaltungssaal und die gesamte Institutsverwaltung untergebracht, außerdem lädt ein Café im Erdgeschoß zum Verweilen ein. Die Fertigstellung des Bauvorhabens ist für den Herbst 2006, rechtzeitig zum Start des Wintersemesters, geplant. Helmut Caspar BU: Der berühmte Berliner Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) wird mit einer Büste auf dem Hegelplatz zwischen Humboldt-Universität und Museumsinsel geehrt. Foto: Caspar -------------------------------------------------------------------------------- Im Volkspark am Weinberg (Bezirk Mitte) steht auf einer kleinen Anhöhe das Denkmal des Dichters Heinrich Heine, der in Berlin studiert und der Stadt in seinen „Briefen aus Berlin“ ein wunderbares literarisches Denkmal gesetzt hat. Das 1956, zu Heines einhundertstem Todestag, von Waldemar Grzimek geschaffene Bronzemonument zeigt den jungen Mann in bequemer Kleidung mit offenem Hemdkragen. Er sitzt auf einem Stuhl ohne Lehne, als ob er gerade ein Gedicht deklamiert. Das Gesicht ist offen, die Augen schauen ein wenig belustigt. Seine Beine hat der Dichter, dessen 150. Todestag am 17. Februar festlich begangen wird, weit von sich gestreckt. Der Bildhauer war sich bewusst, dass seine Figur keine „behäbig dasitzende Gestalt“ sein konnte. „Wenn ich einen freiheitlichen, temperamentvollen Streiter, der doch Eleganz und Lebensgenuss bejahte, wiedergeben wollte, so konnte ich ihm keinen Frack anziehen, und seine monumental ausladenden Gebärden mußten Merkmale des feminin Empfindsamen an sich haben“, schrieb Grzimek.

Mit dieser Konzeption kam der Bildhauer allerdings bei den DDR-Oberen nicht gut an. Ihm wurde vorgehalten, „sein“ Heine sei viel zu feingliedrig und zu intellektuell dargestellt, keineswegs als großer Sänger und Streiter des deutschen Vormärz, und auch nicht als kraftvoller Freund von Marx und Engels, sondern als Dichter eher unverbindlicher Liebeslieder. Weil das Denkmal den Erwartungen der damaligen Führung und offiziellen Kunstkritik nicht entsprach, die einen kämpferischen Gestus erwartet hatte, wurde es kurzerhand im Februar 1958 von der Straße Unter den Linden, wo es eigentlich hingehörte, auf seinen jetzigen Standort abgeschoben.

Um den niedrigen Sockel zieht sich ein Relief, das Lebensstationen Heines und Szenen aus seinem dichterischen Werk schildert, dazu auch Episoden aus der Revolution von 1848/9. Eine Inschrift an der Vorderseite des Denkmals zitiert den Dichter: „Wir ergreifen keine Idee, sondern die Idee ergreift uns und knechtet uns und peitscht uns in die Arena hinein, dass wir wie gezwungene Gladiatoren für sie kämpfen.“

Nach der Wiedervereinigung gab es Bestrebungen, das Denkmal vom Weinbergsweg ins Kastanienwäldchen neben Schinkels Neuer Wache Unter den Linden zurückzuführen. Der damalige Direktor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, betonte, das sei eine Wiedergutmachung zunächst für den Dichter, der preußische Zustände vielfach gegeißelt hat und in Berlin nicht immer freundlich behandelt wurde, aber auch für den Bildhauer, der unter der Verbannung seines Denkmals gelitten habe. Da sich das Heinedenkmal auf seinem jetzigen Platz im Prenzlauer Berg gut macht und der Standort auch schon ein Stück Geschichte ist, hat der Berliner Geschäftsmann und Mäzen Peter Dussmann einen Zweitguß veranlasst, der am 13. Dezember 2002 zu Heines 205. Geburtstag im Kastanienwäldchen neben der Neuen Wache aufgestellt wurde.

An Heinrich Heine erinnert die Inschrift vor dem Denkmal „Versunkene Bibliothek“ auf dem Bebelplatz zwischen Staatsoper und ehemaliger Königlicher Bibliothek. Die Gedenkstätte gilt der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten am 10. Mai 1933. Heine wird auf der bescheidenen Tafel vor der Glasplatte, durch die man die leeren Bücherwände sieht, mit den Worten zitiert: „Das war nur ein Vorspiel. Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“.

Helmut Caspar

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