"Verflucht! Wollt's Ihr D greifen" -
Mozart kam im April und Mai 1789 am königlichen Hof in Potsdam nicht richtig zum Zuge



Gedenktafel am Haus Bassinplatz 10 in Potsdam



Mit der Melodie zu „Üb immer Treu und Redlichkeit“ erinnert das Glockenspiel auf der Potsdamer Plantage an Mozart. (Fotos: Caspar)

Im Revolutionsjahr 1789 war’s, da machte sich Wolfgang Amadeus Mozart in Begleitung des Fürsten Lichnowski auf den beschwerlichen Weg von Wien über Prag, Dresden, Leipzig nach Berlin und Potsdam. Der Komponist hatte davon gehört, dass es im fernen Preußen einen König gibt, der die Musik und die Musen liebt und eine offene Hand hat. Es wäre doch wunderbar, eine schöne Belohnung für eine Komposition in Form eines großen Geldbatzens zu bekommen oder gar eine Anstellung in der Hofkapelle, mag sich der ständig von Geldsorgen gepeinigte Künstler gedacht haben. Wie sollte er sich täuschen!

In Berlin angekommen, erfuhr er, dass im Theater am Gendarmenmarkt, einem Vorläufer von Schinkels Schauspielhaus, gerade „Die Entführung aus dem Serail“ gegeben wird. Mozart ging hin, allerdings incognito. Der Dichter Tieck erkannte ihn dennoch, und beschrieb ihn als „klein, rasch, beweglich und blöden Auges, eine unansehnliche Figur im grauen Überrock“. Dieser kleine Mann, alles andere als das Ebenbild des göttlichen Musenführers Apoll, der auf der Giebelspitze der Staatsoper Unter den Linden steht, war mit der Aufführung seines Stücks nicht ganz zufrieden. An einer Stelle hielt es ihn nicht mehr im Sessel. „Verflucht! Wollt’s Ihr D greifen“ rief er dem Orchester zu. Einige Spieler erkannten den Komponisten, und am nächsten Tag wurde er eingeladen, sein eigenes Singspiel zu dirigieren.

Das war zwar viel Ehre, doch mit seinem eigentlichen Anliegen, dem König aufzuspielen, hatte der Gast aus Wien weniger Glück. Denn König Friedrich Wilhelm II., der Neffe und seit knapp drei Jahren Nachfolger des Flöte spielenden Friedrich II., des Großen, weilte in Potsdam. So ging die Reise weiter. Mozart mietete sich in Potsdam am Bassinplatz 10 im Haus des Maurermeisters Blankenhorn ein. Eine Gedenktafel erinnert noch heute daran, dass der Gast aus Wien hier „im Frühjahr 1789“ gewohnt hat. Die näheren Umstände sind nicht bekannt. Briefe, die Mozart aus Potsdam an seine Frau Konstanze geschrieben hat, sind nicht erhalten. Aus zeitgenössischen Berichten können wir nur errechnen, dass er knapp zwei Wochen, vom 25. April bis 6. Mai 1789, in Potsdam weilte.

Dem wegen seiner Leibesfülle von den spottsüchtigen Berlinern auch „dicker Wilhelm“ genannten Monarchen wurde die Ankunft eines Menschen „nahmens Morzart, Capell-Meister aus Wien“ gemeldet. Dieser wünsche, „seine Talente zu Ew. Königlichen Majestät Füßen zu legen und daß er Befehl erwarte, ob er hoffen dürffe, daß Ew. Königliche Majestät ihn vorkommen lassen werde“. Der König, der außer Musik noch eine andere Leidenschaft, die Frauen nämlich, hatte und sich ansonsten ums Regieren wenig kümmerte, war ein begeisterter Cellospieler und beschäftigte eine prächtige Hofkapelle.

Statt die Chance zu nutzen, den Reisenden näher kennenzulernen und sich von seinen musikalischen Qualitäten zu überzeugen, befahl Friedrich Wilhelm II. seinem Cellolehrer Jean Pierre Duport, sich um den Wiener zu kümmern. Das war eine verhängnisvolle Entscheidung, denn Duport mochte Mozart nicht, dessen Musik er von ausgedehnten Reisen bereits kannte. Schnell gerieten die beiden aneinander. Über Einzelheiten gibt es mehr Spekulationen als gesicherte Nachrichten. So soll der königliche Cellolehrer von dem Gast aus Wien verlangt haben, mit ihm französisch zu sprechen. Die Anekdote wurde allerdings Jahrzehnte später in die Welt gesetzt. Wenn sie denn stimmt, dann war Duport bei Mozart an der falschen Adresse. Der dachte garnicht daran, dem Cellisten diesen Gefallen zu tun. „So ein welsche Fratz, der jahrelang in deutschen Landen deutsches Brod fräße, müsste auch deutsch reden oder radebrechen“, schrieb Mozart später.

Natürlich ging es um weitaus mehr als höfische Konversation. Der 15 Jahre ältere, von seiner Mitwelt als „größter Violoncellist unserer Zeit“ gelobte Duport mag befürchtet haben, dass er sich mit Mozart einen Floh in den Pelz setzen und vielleicht sogar seine eigene Stellung am preußischen Musikhimmel gefährden würde, sollte dieser erst einmal die Gunst des Königs erwerben. Deshalb kam eine persönliche Begegnung zwischen dem König und Mozart nicht zustande. Obwohl der Wiener vor der Königin spielen durfte und Aufträge von Friedrich Wilhelm II. für sechs Streichquartette und von der Prinzessin Friederike für sechs leichte Klaviersonaten mitnahm, erwies sich Mozarts preußischer Abstecher als Schlag ins Wasser. Nach Wien zurück gekehrt, gestand er einem Freund „Gott! Ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche; und wenn Sie bester Freund und Bruder mich verlassen, so bin ich unglücklicher und unschuldigerweise sammt meiner armen kranken Frau und Kind verloren“.

Obwohl Mozart in Potsdam unter seinem Wert behandelt wurde, ist er dort laut hörbar präsent. Auf Wunsch der Kronprinzessin und nachmaligen Königin Luise spielte das Glockenspiel der Garnisonkirche regelmäßig den Choral „Üb immer Treu und Redlichkeit“ mit der leicht abgewandelten Mozart-Melodie zur Arie „Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich“ aus der „Zauberflöte“. Ein Nachbau des 1945 verloren gegangenen Glockenspiels erinnert stets zur halben Stunden an den berühmten Pechvogel aus Wien.

Helmut Caspar

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