Mit dem Capanile hatte der König wenig Glück -
Münzturmdebakel kostete Andreas Schlüter vor 300 Jahren die Stellung als Schlossbaudirektor



Mit dem Bau des barocken Münzturms mit Glockenspiel und Grotte hatte Andreas Schlüter – hier einer der Entwürfe mit seitlichen Anbauten - nur Pech. Vor 300 Jahren musste er den ehrgeizigen Plan zu Grabe tragen. (Repro: Caspar)

Mit dem Plan, dem in einen prächtigen barocken Palast verwandelten ehemaligen Renaissance-Schloss an der Spree einen großen, weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, sind König Friedrich I. und sein Schlossbaumeister Andreas Schlüter vor dreihundert Jahren grandios gescheitert. Das schon zur Hälfte aufgeführte Bauwerk musste vor 300 Jahren, am 25. Juni 1706, abgebrochen werden. Schlüter, der ja eigentlich Bildhauer war, fiel in Ungnade.

Offensichtlich überstieg das, was der bauwütige König von ihm verlangte, nämlich einen hohen schlanken Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses „zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen“ zu errichten, seine Fähigkeiten. Da an dieser Stelle früher einmal ein anderer Turm stand, in dem eine Münzwerkstatt untergebracht war, sollte auch der mit einem Glockenspiel und einer Grotte ausgestattete Neubau ebenfalls Münzturm heißen. Mit 130 Metern sollte er das höchste Bauwerk Europas werden, und seinem königlichen Bauherrn viel Bewunderung einbringen.

Als Schlüters Münzturm bis zur Höhe von 40 Metern aufgeführt war, zeigten sich gefährliche Risse. Schlüter ließ seitliche Verstärkungen anstücken, um die Lasten abzufangen. Diese Anbauten sollten reichen Skulpturenschmuck bekommen und damit kaschieren, dass sie eigentlich nur Hilfskonstruktionen sind, um den Turm in der Senkrechten zu halten.

Der an seiner Basis verstärkte Münzturm wuchs langsam, doch als er 60 Meter und damit nicht einmal die Hälfte seiner geplanten Höhe erreicht hatte, war kein Halten mehr. Während der in den Niederlanden weilende König noch einen optimistisch klingenden Bericht seines Chefarchitekten las, neigte sich der Bau gefährlich zur Seite. Panisch ordnete Schlüter in der Nacht zum 25. Juni 1706 den Abbruch an. Jetzt war klar, dass das ehrgeizige Projekt gescheitert war. König Friedrich I., der die Welt durch ein Riesenbauwerk beeintrucken wollte, stand blamiert da.

Der König war entsetzt und berief eine Untersuchungskommission. Schlüters Einwand, dass die Planungen gut, das Erdreich aber instabil sei, wurden vom Tisch gewischt. Vorschläge des Unglücklichen, das Bauwerk durch neue Verstärkungen und Anbauten zu retten, hatten keinen Erfolg. Wutschnaubend entband der König Schlüter von seinen Pflichten als Schlossbaumeister, beschäftigte ihn jedoch weiter als Hofbildhauer. „Es hat mein Unglück bei diesem meinem Vornehmen auf mich gelauert…, indem bey meiner fleißigen und mühsamen Arbeit wider aller mein Vermuthen bey dem Thurm ein Eckpfeiler zu sinken …sich angefangen“, versuchte sich der unglückliche Künstler bei seinem Herren zu entschuldigen.

Der König hatte genug und befahl, das „übel geratene Bauwerk“ schleunigst zu beseitigen. Bei seiner Rückkehr aus den Niederlanden wolle er nichts mehr davon sehen.Dennoch gab Friedrich I. seine Vision nicht auf und beauftragte Schlüters Nachfolger und Kontrahenten Eosander von Göthe, der Stadt die ersehnte Höhendominante zu schenken. Der Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut und Geld fehlte. Schon seit längerer Zeit suchen Berliner Archäologen die Fundamente des Münzturms, die im Erdreich vor dem Palast der Republik vermutet werden. Sollte man sie finden, werden sie freigelegt und als bemerkenswertes Zeugnis barocker Baukunst und als Erinnerungsmal an den vom Pech verfolgten Andreas Schlüter der Öffentlichkeit präsentiert.

Helmut Caspar

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