Wenn Kunst in die Jahre kommt...
Ausstellung der Preußischen Schlösserstiftung im Potsdamer Neuen Garten würdigt Leistungen der Restauratoren


Viele Bildhauerarbeiten wie diese beschädigte Sandsteinvase aus dem 18. Jahrhundert müssen zum Restaurator. Die neue Ausstellung zeigt Schäden und Hilfsmaßnahmen.


Metallfiguren bestehen nicht aus einem Stück. Um Kopien herzustellen, müssen Abformungen hergestellt werden. (Fotos: Caspar)

Selbst die schönsten Kunstwerke, die edelsten Materialien unterliegen schnöden Alterungsprozessen. Sie bekommen mit den Jahren und Jahrhunderten Patina und verlieren zunehmend an Glanz. Das wäre erträglich und deutet auf hohes Alter, weshalb man solche Prozesse als naturbedingt hinnimmt. Viel schlimmer ist, dass diese Zeugnisse der Kunst- und Kulturgeschichte unter Feuchtigkeit, Wärme, Abrieb, Mikroorganismen und anderen Einflüssen bröckeln und bersten, dass sie auch unter den großen Besucherströmen und ihren Ausdünstungen leiden, ja dass sie leider auch von Vandalen zerstört und beschmiert werden. Solche Objekte müssen dann mühevoll geleimt, gestützt, gelötet, ergänzt, gefestigt oder sonst wie wieder in Ordnung gebracht werden, und das geschieht sehr vorsichtig nach umfassenden Bestandsaufnahmen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen.

Die 53 Restauratorinnen und Restauratoren der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg verfügen über langjährige Erfahrungen auf diesem Gebiet. In der neuen Ausstellung „Marmor, Stein und Eisen bricht – Die Kunst zu bewahren“, die bis zum 17. September 2006 in der Orangerie des Potsdamer Neuen Gartens gezeigt wird, stellen sie ihr ganzes Können unter Beweis. Der dem bekannten Hit von Drafi Deutscher mit dessen ausdrücklicher Genehmigung entlehnte Titel der Dokumentation macht darauf neugierig, wie Bildwerke aus scheinbar unverwüstlichen Materialien zerschleißen und durch Restauratorenkunst gerettet und erneuert werden.

Bewahrung des Authentischen
Von der Ausstellung erhofft sich der Generaldirektor der Preußischen Schlösserstiftung, Hartmut Dorgerloh, reges Besucherinteresse und gesteigerte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für die komplizierten Prozesse bei der Pflege und Erhaltung unseres kulturellen Erbes. „Wir wollen zeigen, was alles getan werden muss, um Kunstwerke aus der Gefahrenzone zu holen und ihnen ein langes Leben zu schenken. Dafür stehen uns im Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung. Doch ist diese Summe angesichts der großen Aufgaben des Kunstschutzes innerhalb der Schlösserstiftung zu gering“, so Dorgerloh. Ein wichtiges Ziel der Schau sei erreicht, wenn die Öffentlichkeit angesichts der Gefahren, die Kunstwerken aus unterschiedlichsten Gründen drohen, sensibel mit diesen umgeht und ihnen mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit schenkt. In dieser Richtung gebe es noch manche Defizite zu überwinden.

Ein ganzer Saal des ehemaligen königlichen Pflanzenhauses ein paar hundert Schritte vom Marmorpalais des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. entfernt ist den unter Wind und Wetter, Hagel, Schnee und Frost leidenden Skulpturen gewidmet. Hier wird gezeigt, wie kostbare Arbeiten aus Sandstein, Marmor oder Terrakotta, aber auch aus dem im 19. Jahrhundert viel verwendeten, aber leider sehr empfindlichen Zink sowie Objekte aus Bronze und Eisen gereinigt, konserviert und restauriert werden. „Bei vielen Stücken müssen wir entscheiden, ob es zu verantworten ist, sie weiter unter freiem Himmel, etwa als Attikaschmuck oder auf Denkmalpodesten in den Schlossgärten, stehen zu lassen oder sie durch Kopien zu ersetzten“, sagt Ausstellungskuratorin Kathrin Lange, die als Steinrestauratorin weiß, was man Bildwerken unter freiem Himmel zumuten kann und wo es notwendig ist, sie ins Depot zu nehmen. „Es geht immer um Rettung der Substanz und die Bewahrung des Authentischen, wenn wir uns mit einem Objekt, sei es eine Steinskulptur, ein Bild, eine Grafik oder ein Möbelstück, befassen. Fantasievolle Zutaten sind in unserem Metier unerlaubt, Materialgerechtigkeit und handwerkliches Können hingegen oberstes Gebot“. Manchmal sei es unumgänglich, eine alte Skulptur komplett durch eine Kopie zu ersetzen. In der Ausstellung würde daher eine berühmte französische Marmorgruppe aus der Mitte des 18. Jahrhunderts gleich zweimal gezeigt - zunächst das schon stark lädierte Original von Lambert Sigismund Adam und dann die originalgetreue Kopie, die nach Abbau der Ausstellung im Rondell an der Großen Fontäne unterhalb von Schloss Sanssouci aufgestellt werden soll. Noch in diesem Jahr will die Schlösserstiftung einige besonders kostbare Figuren aus königlicher Zeit in einem „Lapidarium“, also in einem Steinmuseum, unweit des Neuen Palais der Öffentlichkeit zugänglich machen.

In einem anderen Raum wird geschildert, wie Alterungs- und Zerstörungsprozesse bei Textilien, Möbeln, Gemälden oder auch Uhren und Porzellanen aufgehalten und behoben werden können. So sieht man unter anderem, was bei der Restaurierung des mit Halbedelsteinen und anderen Fundstücken ausgestatteten Muschelsaals im Potsdamer Neuen Palais zu beachten ist, welche Mühe es macht, historische Wandbespannungen wiederherzustellen, oder auch kleine Fehlstellen auf Gemälden schonend zu retuschieren. Besucher erleben auch, wie zerstörte Porzellanfiguren zusammengekittet oder Intarsien auf kostbaren Möbelstücken ergänzt werden. Nachgebaut ist auch der Arbeitsplatz eines Vergolders, und wer möchte, kann sich auch mit den Techniken vertraut machen, derer sich Stuckateure und Metallsgestalter bedienen.

Weitere Sonderschauen
Wer es genau wissen will, kann sich Führungen durch die Ausstellung anschließen und dabei auch mit Restauratoren ins Gespräch kommen. Außerdem bietet die Schlösserstiftung ein umfangreiches Begleitprogramm und weitere Sonderschauen in anderen Schlössern wie Babelsberg oder Rheinsberg an. Über Einzelheiten wird auf der Internetseite www.die-kunst-zu-bewahren.de berichtet. Zur Ausstellung ist im Leipziger Verlag Koehler & Amelang ein Begleitband (264 Seiten, 250 Abb., 24,90 Euro) mit der Schilderung schwieriger Restaurierungsarbeiten erschienen. In ihrem Besuchermagazin „Porticus“ schildert die Schlösserstiftung ebenfalls, was zu tun ist, damit eben nicht Marmor, Stein und Eisen und viele andere Kunstobjekte unter der Last ihres Alters leiden und in sich zusammenbrechen. Die Ausstellung ist bis 17. September dienstags bis Sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 6, ermäßigt 4 Euro.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Märkische und Berliner Schlössergeschichten"