Seminare in schöner Form -
Wie ein Berliner Professor aus einem uckermärkischen Schloss eine europäische Begegnungsstätte machte



Neogotisch überformt wurde das Schloss Wartin im frühen 19. Jahrhundert, hier die Seite zum Hof.



Lob kommt von der Ministerin Johanna Wanka für das Engagement von Hans-Joachim Mengel und seinen Verein. (Fotos: Caspar)

Die Uckermark ist ein dünn besiedeltes Gebiet mit schwacher Wirtschaftskraft. Hingegen herrscht an historischen Bauwerken kein Mangel. Vor allem haben sich ungeachtet von Kriegen und Katastrophen zahlreiche aus dem Mittelalter stammende Kirchen in Städten und Dörfern erhalten. Zu diesem einzigartigen Schatz kommen Schlösser und Herrenhäuser, aber auch historische Stadtkerne und malerische Dorfanlagen. Dieses Erbe ist Lust und Last zugleich, denn viele Bauten befinden sich nach Jahrzehnten falscher oder fehlender Nutzung in einem bedenklichen Zustand. Als einzige Lösung liegt der Abriss nahe, doch werden auch schwierigere Wege, der der Sanierung, Restaurierung und Umnutzung, beschritten. Und da waren einige Uckermärker, ob alteingesessene oder zugereiste, bereits erfolgreich.

Die Sanierung und Restaurierung dieser Zeugnisse der Vergangenheit ist jede Mühe wert und wird auch durch Landes-, Kreis- und Privatmittel nachhaltig unterstützt. Gelegentlich wird besonderes Engagement auch öffentlich anerkannt. So wurde bereits 1993 der Berliner Professor Hans-Joachim Mengel für seine Mühen um das desolate Schloss und den Park Wartin östlich von Prenzlau im Landkreis Uckermark mit dem Brandenburgischen Denkmalpflegepreis geehrt. 1990 hatte der Jurist und Politologe in der Zeitung von Schlössern und Herrenhäusern gelesen, die zum Verkauf stehen. Er bemühte sich um das Schloss Wartin und erhielt den Zuschlag. Erhebliche öffentliche Mittel flossen in die Sanierung des 1695 errichteten, um 1830 als Mittelpunkt eines Rittergutes in normannisch-gotisierendem Stil umgestalteten Herrensitzes.

Collegium Wartinum
Hans-Joachim Mengel gründete im Frühjahr 1991 den gemeinnützigen Verein „Europäische Akademie e. V.“ mit dem Ziel, im Schloss Wartin eine Arbeits- und Begegnungsstätte für Wissenschaftler, Künstler und Studenten zu schaffen, „die ihnen in ungewohnter Umgebung die Möglichkeit bietet, unbelastet vom üblichen Wissenschaftsbetrieb, aber auch im direkten Kontakt mit den Menschen der Region produktiv neue Gedanken zu entwickeln“, wie er sagt. Dieses „Collegium Wartinum“ hat sich in der Zwischenzeit als Begegnungsstätte gut etabliert. Wissenschaftler und Studierende kommen aus Frankfurt an der Oder, Berlin und Greifswald, aber auch aus Polen, Russland und von noch weiter her. Mengel hält nach eigenem Bekunden Seminare über Politikwissenschaft, Geschichte, Landeskunde, Umweltthemen oder Fragen an das zusammenwachsende Europa. Das geschieht nach eigenem Bekunden „in schöner Form“, und dazu bietet das Schloss mit seinem in der warmen Jahreszeit auch als eine Art Hörsaal genutzten Garten das passende Ambiente.

Als das Schloss in den dreißiger Jahren von den Nationalsozialisten in eine Gauleiterschule umfunktioniert wurde, ging man ziemlich ruppig mit ihm um. Um zusätzlichen Raum für die NS-Funktionäre zu gewinnen, wurde in die große Eingangshalle eine Zwischendecke aus Stahlbeton eingezogen. „Man gelangte in das Haus wie durch einen Tunnel, und daher war es unerlässlich, diese Zwischendecke wieder zu beseitigen. Ausserdem war die barocke Treppe aus der Zeit um 1690 nicht mehr erlebbbar. Diesen Eingriff haben wir wieder rückgängig gemacht. Nach und nach wurden die Räume restauriert, und zum Vorschein kam ein interessantes Zeugnis märkischer Schlossbaukunst und Innenarchitektur des 19. Jahrhunderts“, sagt Roland Schneider vom Landesdenkmalamt, der als Gebietsreferent für den Landkreis Uckermark tätig ist und das dort versammelte architektonische Erbe bestens kennt.

Begehrlichkeiten abgeschmettert
Für Professor Mengel war es eine Genugtuung und Bestätigung, dass er auf dem richtigen Weg ist, als er vor 13 Jahren den Brandenburgischen Denkmalpreis erhielt und neulich Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka bei einer Rundfahrt durch die Uckermark im Schloss Wartin begrüßen konnte. War doch die Existenz der Bildungsstätte gefährdet, als vor drei Jahren ein Berliner Windradbauer ein Auge auf das Schloss warf. Der Gemeinde wurde „jeder Preis“ in Aussicht gestellt, wie Mengel sagt, doch konnten er und seine Freunde die Begehrlichkeiten abschmettern. Immerhin ist der Professor als vehementer Gegner von Windradanlagen bekannt, und hätte man ihn aus Wartin vertrieben, dann wäre auch ein unbequemer Mahner und Warner weg gewesen. „Zum Glück ist es dazu nicht gekommen. Das Haus ist mit seiner Zweckbindung als Europäische Akademie auf ewig gesichert, und das ist ein zusätzlicher Ansporn, die Sanierung innen und außen weiter voranzutreiben“, sagt Hans-Joachim Mengel. Er stimmt mit der Denkmalpflege überein, die äußerste Vorsicht bei der Rückführung des Gebäudes auf seinen ursprünglichen Zustand fordert.

Café und Paradiesgärtlein
Denkmalpfleger Schneider hört dieses Bekenntnis des Schlossherren gern. Er hebt hervor, dass im Schloss auch dann Seminare veranstaltet wurden, als es noch Baustelle war. Irgendwo habe sich immer Platz für Unterricht, Essen, das von Mengel oft persönlich gekocht und angerichtet wird, und Übernachtung, natürlich auch für Feste, bei denen sich spontan Musiker aus dem Kreis der Gäste zusammenfinden. Für die nächste Zeit plant Mengel die Einrichtung eines Restaurants und Cafés, um auch Tagesgästen, die das Schloss „nur so“ besichtigen möchten, bewirten zu können. Zur Besichtigung wird immer auch ein Rundgang durch den mit Hilfe von ABM-Kräften wieder in einen vorzeigbaren Zustand versetzten Garten hinterm Schloss gehören. Mit sicherem Blick erkannte neulich Landeskonservator Detlef Karg, der von Beruf Gartendenkmalpfleger ist, beim Ortstermin mit Ministerin Wanka und dem stellvertretenden Landrat Reinhold Claus, dass die Anlage einem „Paradiesgärtlein“ der Spätrenaissance nicht unähnlich ist. Sein Professorenkollege Mengel nahm diesen Hinweis dankbar auf mit dem Versprechen, den verheißungsvollen Begriff künftig bei seinen Führungen oder wenn mal wieder eine Theateraufführung, ein Dorffest oder eine Ausstellung anstehen, verwenden zu wollen.

Helmut Caspar

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