Reichtum verpflichtet –
Berliner Münzkabinett erhielt Medaillen mit dem Bildnis des Mäzens James Simon



Kabinettdirektor Bernd Kluge, Kunsthändler Bernd Schultz und der Kustos für Medaillen am Berliner Münzkabinett, Wolfgang Steguweit, begutachten die Neuzugänge mit dem Bildnis von James Simon.



Aus dem Goldfund von Abukir gelangten dieser Medaillon und vier weitere Stücke mit Simons Unterstützung in das Berliner Münzkabinett. (Fotos: Caspar)

Die Büste der altägyptischen Königin Nofretete zählt zu den bekanntesten Kunstwerken der Staatlichen Museen zu Berlin und ist geradezu eine ihrer Ikonen. Zur Zeit wartet das von deutschen Archäologen entdeckte Bildwerk mit weiteren Zeugnissen aus der Pharaonenzeit im Alten Museum am Lustgarten auf seinen Umzug in das Ende des Zweiten Weltkriegs zerstörte Neue Museum auf der Museumsinsel, das gerade wieder aufgebaut wird und dessen Eröffnung für 2009 geplant ist. Hätte es nicht den Berliner Mäzen James Simon (1851-1932) gegeben, könnten sich Museen nicht mit der schönen Königin und weiteren archäologischen Fundstücken schmücken. Der reiche Baumwollhändler, Sammler und Kunstförderer hatte als Gründer der Deutschen Orient-Gesellschaft jene Ausgrabungen im ägyptischen Tell el-Amarna finanziert, in der Nofretete und andere Kostbarkeiten zum Vorschein kamen, und daher wurde ihm 1913 bei einer Fundteilung das Hauptstück, die Büste der schönen Königin, überlassen. Der im kaiserzeitlichen Berlin sehr angesehene Mäzen, der sich bei der Anlage seiner Sammlungen von dem renommierten Museumsdirektor Wilhelm von Bode beraten ließ, bewahrte das farbig gefaßte Bildnis und viele andere Kunstwerke zunächst in seiner Villa an der Tiergartenstraße 15 a auf. Doch schon bald erhielt es einen Ehrenplatz im Neuen Museum und eroberte schnell die Herzen der Kunst- und Altertumsfreunde. 1920 erhielten die Staatlichen Museen zu Berlin die Büste der Nofretete von Simon als Geschenk.

Das Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz erhielt im September 2006 drei Medaillen mit dem Bildnis von James Simon aus den Händen von Bernd Schultz, dem Mitinhaber des Berliner Auktionshauses Villa Grisebach und Mitglied des James-Simon-Kreises. Geschaffen von Johannes Grützke, Wilfried Fitzenreiter und Claus Korch, ehren die Bronzegüsse einen Berliner Kunstförderer jüdischen Glaubens, für den Reichtum die Verpflichtung zu sozialem und kulturellem Engagement war. „Wir möchten, daß jeder deutsche Bildungsbürger wieder weiß, wer James Simon war. Er hat den Berliner Museen nicht nur die Büste der Nofretete geschenkt und auch jene Ausgrabungen finanziert, die das Ischtartor und die Prozessionsstraße von Babylon ans Tageslicht brachten. Darüber hinaus hat Simon den Museen seiner Heimatstadt auch hochkarätige Gemälde und Skulpturen sowie volkskundliche Gegenstände gestiftet“, betonte Schultz in der Feierstunde. Die von Johannes Grützke geschaffene Medaille wird künftig neben einem namhaften Geldbetrag an Träger des James-Simon-Preises für herausragende Leistungen auf sozialem und kulturellem Gebiet vergeben. Eine vergrößerte Version ist in eine Gedenktafel eingelassen, die die Fassade der Landesvertretung von Baden-Württemberg in der Tiergartenstraße 15 a schmückt. Simon, dessen Villa hier einmal stand, habe für Gemeinsinn gestanden, „der 1933 gewaltsam zerstört wurde“, ist auf der Platte zu lesen.

Auch das Berliner Münzkabinett hat James Simon einiges zu verdanken, weshalb die Medaillen mit seinem Bildnis jetzt mit doppelter Freude entgegengenommen wurden. Als Kabinettdirektor Bernd Kluge an die Förderung der Sammlung erinnerte und als Beispiel den von Simon unterstützten Ankauf von fünf Goldmedaillonen aus dem berühmten Fund von Abukir sowie die Überlassung von rund 400 Münzen und Medaillen an das 1904 eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum, das heutige Bodemuseum, erwähnte, sagte Bernd Schultz mit Blick auf die ausgelegten Antiken, der von ihm vertretene James-Simon-Kreis werde über weitere Unterstützungsmaßnahmen für das Berliner Münzkabinett nachdenken. 1902 waren Arbeiter in Abukir nordöstlich von Alexandria auf einen spektakulären Goldfund gestoßen, bestehend aus 20 außergewöhnlich großen Goldmedaillonen sowie etwa 600 regulären Goldmünzen aus der Zeit um 220 bis 300 nach Christus und mehreren Goldbarren. Der um das Jahr 300 nach Christus vergrabene Hort wurde damals sofort an lokale Händler verkauft und tauchte alsbald auf dem europäischen Kunstmarkt auf. Das Berliner Kabinett konnte mit Unterstützung von Simon und weiteren Sponsoren fünf der zwischen 48 und 60 Millimeter großen Medaillone kaufen. Ohne diese Hilfe hätte es die erforderlichen 120 000 Goldmark nicht aufbringen können. Die Stücke sind nicht nur wegen ihrer Größe und des Materialwerts von großer Bedeutung, sondern auch wegen der auf ihnen dargestellten Porträts Alexanders des Großen und weiterer Motive. Es wird angenommen, daß die Medaillone anläßlich der mit Sport- und Kulturwettkämpfen verbundenen Alexanderspielen in Beroia an prominente Würdenträger, hohe Beamte und siegreiche Athleten vergeben wurden. Wie Karsten Dehmer vom Berliner Münzkabinett erklärt, habe sich vor über hundert Jahren die spektakuläre Bedeutung der Medaillone auch in der Höhe des schließlich gezahlten Kaufpreises niedergeschlagen. Die hohe Summe von 120 000 Goldmark – ein Arbeiter habe im Jahr durchschnittlich 900 Mark verdient – habe in Kombination mit einem anfänglich gehegten Fälschungsverdacht gegen die Medaillone bei dem für den Ankauf zuständigen Kurator Heinrich Dressel zunächst für schlaflose Nächte gesorgt.

James Simons vielschichtiges mäzenatisches Wirken beschränkte sich keineswegs auf Wissenschaft, Kunst und Kultur, sondern erstreckte sich auch und vor allem auf soziale Belange. So engagierte sich der Baumwollhändler sowohl finanziell als auch ehrenamtlich für zahlreiche Hilfs- und Wohltätigkeitsvereine, Krankenhäuser sowie Kinder- und Waisenheime. Es gehört zur Tragik im Leben von James Simon, daß es mit seinem Unternehmen im und nach dem Ersten Weltkrieg bergab ging. So sah sich der Sammler zu Kunstverkäufen an die Staatlichen Museen zu Berlin veranlaßt. Sie erinnerten ehrfurchtsvoll an ihrer Förderer, doch als die Nazis 1933 an die Macht kamen, breiten sie den Mantel des Totschweigens über ihn, indem sie alle Hinweisschilder auf den jüdischen Kunstförderer entfernen ließen. Da Simon schon 1932 gestorben war, mußte er diese Schmach nicht mehr erleben. Nach dem Untergang des Nazireiches blieb der auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee in Berlin bestattete Mäzen weitgehend vergessen. Lediglich wird durch eine Gedenktafel am Stadtbad Mitte, dessen Bau Simon von finanziert worden war, und durch eine Büste auf der Museumsinsel an den Kunstfreund erinnert. Die Staatlichen Museen wollen die Eingangshalle des Neuen Museums auf der Museumsinsel, in das alsbald die Nofretete und ihr Hofstaat Einzug halten werden, nach James Simon benennen und damit beitragen, daß man sich einer der ganz großen Gestalten des Berliner Kultur- und Kunstlebens auch an zentraler Stelle in der Hauptstadt wieder erinnert.

Helmut Caspar

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