Vom Viehmarkt zur Kathedrale des Konsums
Landesarchiv Berlin würdigt in neuer Ausstellung 200 Jahre Alexanderplatz

„Zweihundert Jahre Alexanderplatz“ – das Datum fand im vergangenen Jahr wenig Aufmerksamkeit. Lediglich eine von Geschichtsstudenten der Humboldt-Universität gestaltete Freiluftausstellung auf dem Alex wies darauf hin, dass am 10. November 1805 der Ochsenplatz, damals noch am Rand der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin gelegen, in Alexanderplatz umbenannt wurde. König Friedrich Wilhelm III. ehrte mit der Namensgebung einen vornehmen Gast - Zar Alexander I. von Russland, der sich gerade auf dem Weg in einen Krieg mit Frankreich befand und in Berlin und Potsdam Station machte. Wegen der umfangreichen Bauarbeiten auf dem Alex wurde die aus 20 bunten Postern bestehende Dokumentation nur bis Anfang November 2005 gezeigt. Jetzt kann man sich die mit historischen Texten und Bildern bestückten Tafeln im Landesarchiv Berlin erneut anschauen, ergänzt durch zahlreiche Bilder und Dokumente aus den Beständen dieser Sammlung.

Deutlich wird in der Schau, dass sich der ehemalige Viehmarkt und Paradeplatz recht schnell im Laufe des 19. Jahrhunderts in eine weltstädtische Drehscheibe, einen bedeutenden Verkehrsknotenpunkt und eine „Kathedrale des Konsums“ verwandelt hat, wie es auf einer der ausgestellten Tafeln heißt. „Gebaut wurde hier immer; deshalb spielen Ideen von bekannten Architekten in der Ausstellung eine große Rolle“, sagt Kurator Volker Viergutz. „Wir zeigen unter anderem Pläne des Architekten Peter Behrens von 1933 für ein Hochhaus auf dem Alex, das wie viele andere Ideen nicht verwirklicht wurde. Dazu kommen Bilder und Pläne von den Umbauten in der Nachkriegszeit, durch die ein ganz neuer Platz entstand, sowie für Hochhausbauten unserer Tage“.

Aufmerksamkeit verdienen überdies auch historische Aufnahmen der berühmten Kaufhäuser Tietz, Wertheim und Hahn, die das Gesicht des Alexanderplatzes vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg geprägt haben. Selbstverständlich wird auch Alfred Döblin gewürdigt, dessen berühmter Roman „Berlin, Alexanderplatz“ mit einer Erstausgabe von 1929 präsent ist. Im Gegensatz zu dem metropolitanen Flair auf dem Alex war dessen proletarisches Umfeld alles andere als großstädtisch, sondern eng, dunkel und von Elend geprägt. Zeichnungen von Heinrich Zille in der Ausstellung sind dafür ans Herz gehende Belege.

Mit Bildern und Texten macht die Schau darüber hinaus auf wichtige Ereignisse auf dem Alex aufmerksam. So wird der 4. November 1989 in Erinnerung gerufen, als Hunderttausende auf dem damals größten Platz in Ost-Berlin gegen die SED-Diktatur und für freie Wahlen demonstrierten, fünf Tage vor dem Fall der Mauer.

„200 Jahre Alexanderplatz“ bis 17. Februar 2006 im Landesarchiv Berlin, Eichborndamm 115-121, 13403 Berlin-Reinickendorf, Montag und Freitag 9-15 Uhr, Dienstag und Donnerstag 9-18 Uhr, Eintritt frei.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Museen, Denkmalpflege"