Spuren von Karies und Knochenkrankheiten -
Hinterlassenschaften aus dem mittelalterlichen Diepensee in Schönefeld ausgestellt / Grabungen noch bis Jahresende



Wenn die Knochen fachmännisch "befragt" werden, geben sie interessante Informationen über Lebensweise, Ernährung und Krankheiten. Die Schönefelder Ausstellung zeigt, wie es geht. (Foto: Caspar)

Dem Bau des neuen Hauptstadtflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI) fiel vor einiger Zeit das zur Gemeinde Schönefeld im Süden Berlins gelegene uralte Dorf Diepensee zum Opfer. Seine Bewohner haben sich in der Nähe von Königs Wusterhausen neu eingerichtet. Wo in Diepensee noch vor ein paar Jahren Bauerngehöfte und eine Kirche standen, pflügen heute Baggerfahrer den Boden um. Bevor die Bauleute das verlassene Dorf anrückten, haben Archäologen vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege das Erdreich untersucht. Sie bargen erstaunlich viele Überreste aus dem Mittelalter. Die Fundmasse, von der jetzt eine Auswahl im Schönefelder Rathaus gezeigt wird, erlaubt es, das Aussehen des mittelalterlichen Angerdorfes und die Lebensumstände seiner Bewohner zu rekonstruieren. Diepensee wurde um 1200 planmäßig angelegt und durch einen umlaufenden Graben geschützt, doch existierte es nur etwa 200 Jahre. Erst im 18. Jahrhundert wurde am alten Ort ein neues Dorf angelegt, eben jenes, das jetzt dem BBI gewichen ist.

Die ursprünglichen Bewohner errichteten am Anger ihre Kirche und legten einen Friedhof an, auf dem die Archäologen mittlerweile rund 500 Gräber fanden. Nicht weniger als 55 aus Holz oder Feldsteinen gebildete Hauskeller zur Aufbewahrung von Vorräten konnten freigelegt werden, nach Worten des Grabungsleiters Joachim Stark die bisher größte in einem mittelalterlichen Dorf Brandenburgs bekannte Zahl solcher Gewölbe. „Auf den Kellern standen bescheidene Fachwerkhäuser, die irgendwann einem Brand zum Opfer gefallen sein müssen. Verkohltes Holz und Lehm lassen auf eine solche Katastrophe schließen.“

Wie erhalten gebliebene Scherben oder Werkzeuge zeigen, war der Hausrat einfach. Textilien und Werkzeuge haben die Dörfler selbst hergestellt, hingegen wurden Töpfe und Glaserzeugnisse von fahrenden Händlern oder auf Märkten erstanden. Interesse verdienen in der Ausstellung die Keramikfunde. Die Töpfe und Schalen, in denen man Lebensmittel aufbewahrte oder Suppen auf offenem Feuer kochte, wurden sorgfältig aus den im Erdreich verborgenen Scherben zusammengesetzt. Die Archäologen schließen aus kleinen Keramikgewichten, dass im Dorf gesponnen und gewebt wurde.

Die Entdeckung der mittelalterlichen Kirche und des Friedhofs gehört zu den herausragenden Ergebnissen der Ausgrabungen, die am Jahresende abgeschlossen sein sollen. Reste der Kirchenfundamente aus Feldsteinen und Mörtel ergeben einen romanischen Saalbau. Sein Aussehen wird sich nicht wesentlich von dem der vielen anderen Feldsteinkirchen im Teltower Raum und im Fläming unterschieden haben, vermutet Joachim Stark. Während Dorfprominenz in der Kirche bestattet wurde, fand der große Rest außerhalb seine letzte Ruhe. Der weitgehende Verzicht auf Beigaben entspricht christlichem Brauch. Nur vereinzelt fanden sich persönliche Gegenstände im Grab, etwa Gürtelschnallen, Schmuck oder bei Kindern ein wenig Spielzeug. Auf einige Tote hat man Steine gelegt, vermutlich aus Furcht vor Wiedergängern und Vampiren. Diesen „gefährlichen Verstorbenen“, so Stark, sollte offenbar die Rückkehr in die Welt der Lebenden unmöglich gemacht werden.

Verglichen mit den ärmlichen Lebensumständen in anderen märkischen Dörfern waren die in Diepensee wohl nicht schlecht. Die Archäologen schließen das aus dem damals erstaunlich hohen Alter von über 60 Jahren, das einige Diepenseer erreichten. Nach der Untersuchung der Zähne und Knochen ergeben sich allerdings Mangelerkrankungen. So führte der vorwiegende Verzehr von Getreide und Hülsenfrüchte zu Karies und frühem Zahnausfall. Die Skelettreste, von Anthropologen gehörig zum „Sprechen“ gebracht, ergeben auch schmerzhafte Entzündungen, die den Menschen das Leben schwer gemacht haben. Dass es auch in Diepensee nicht immer friedlich zuging, offenbaren zwei Schädel mit tiefen Hiebverletzungen. Da die Kerben etwas zugewachsen sind, schließen die Archäologen messerscharf, dass die beiden Männer den Kampf einige Zeit überlebt haben.

Die Ausstellung im Rathaus Schönefeld, Hans-Grade-Straße 11 ist für die kommenden zwei Jahre montags 13-15, dienstags 9-12 und 13-18, donnerstags 13-15 und freitags 9-12 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.

Helmut Caspar

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