Die Prunkleier der Königin Pu-Abi –
Ergebnisse der Musik-Archäologie
im Ethologischen Museum Berlin-Dahlem vorgestellt



Die im Grab einer mesopotamischen Königin gefundene Leier entstand um 2500 vor Christus. Eine Nachbildung wurde jetzt in Berlin zum Klingen gebracht. (Foto: Andy Lowings)

In Gräbern und ehemaligen Siedlungen werden überall auf der Welt neben Skeletten, Alltagsgegenständen, Schmuck und kultischen Objekten gelegentlich auch Musikinstrumente gefunden. Eine der jüngsten Entdeckungen solcher Musikartefakte gelang unlängst chinesischen Archäologen in der Provinz Jiahu, als sie in einem Grab mehr als 20 aus Tierknochen gefertigte Flöten entdeckten. Wie die 9000 Jahre alten Instrumente mit sorgsam gebohrten Grifflöchern gebaut waren und wie man auf ihnen spielte, lässt sich gut nachvollziehen, und man kann auch neue Flöten nach den alten Vorlagen bauen. Nur welche Melodien auf ihnen gespielt wurden und wie sich das anhörte, unterliegt Vermutungen. Lediglich aus der griechischen Antike sind so genannte Notationen überliefert. Sie erlauben es, solche nachzuspielen. „Angesichts der vielen Funde von Musikinstrumenten interessiert es schon, wie die Musikkultur der alten Völker beschaffen war und welche Instrumente es bei unseren Vorfahren es gab“, sagte die Musikwissenschaftlerin Ellen Hickmann (Hannover) auf dem 5. Symposium der Internationalen Studiengruppe Musikarchäologie, das noch bis Samstag im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin in Dahlem stattfindet. „Wir wollen Einzelheiten wissen, und deshalb führen wir auf diesen Tagungen Archäologen, Musikhistoriker und andere Fachleute zum Erfahrungsaustausch zusammen und werden die Ergebnisse auch publizieren“.

Rund 70 Experten aus 20 Ländern tragen auf der Tagung neue Erkenntnisse über den Instrumentenbau und das Musikspiel der alten Völker vor und hören sich dabei an, wie die Flöten, Klappern, Rasseln, Trompeten, Leiern, Zithern und Schlaginstrumente klingen. Selbstverständlich werden keine Originale aus Holz, Knochen oder Metall zu Gehör gebracht. Sie sind, wie der Schweizer Archäologe Hansjörg Brem am Beispiel einer aus Buchbaumholz bestehenden Panflöte aus der Römerzeit demonstrierte, viel zu fragil, als dass man sie zum Zwecke der Musikdarbietung in die Hand nehmen dürfte. Nachbauten helfen aber auch, doch die sind nicht leicht zu bewerkstelligen, weil alte Techniken verloren gegangen und erst wieder entdeckt werden müssen, wie weitere Redner darlegten.

Die wohl spektakulärste Kopie eines historischen Saiteninstruments wurde von dem britischen Musikenthusiasten Andy Lowings angefertigt. Es handelt sich um ein in einem Königinnengrab im irakischen Ur entdecktes Prunkinstrument aus Zedernholz. Die etwa 1,50 Meter hohe Leier wurde 2003 beim Irak-Krieg im Staatlichen Museum in Bagdad stark beschädigt. Die mit einem vergoldeten Stierkopf sowie Schmuckplättchen aus Perlmutt und Lapislazuli geschmückte Kopie besitzt wie die Vorlage acht aus Tierdärmen bestehende Saiten, die bei einem Konzert während der Tagung angeschlagen wurden und recht fremd und dumpf klangen. Da die Leier, die manche mit einer Harfe vergleichen, in dem Grab der Pu-Abi mit weiteren, freilich weniger kostbar dekorierte Saiteninstrumenten sowie silbernen Flöten gefunden wurde, kann man vermuten, dass die Königin eine Musikliebhaberin war. Damit sie im Jenseits auf ihre Leidenschaft nicht verzichten muss, hat man jene Instrumente neben ihren Leichnam gelegt.

Anlässlich der Tagung wurde im Ethnologischen Museum eine für auch für ganz normale Besucher bestimmte Bild- und Klanginstallation eingerichtet. Sie gewährt akustische Eindrücke aus Südamerika und zeigt, wie dort mehr und mehr von der Bildfläche verschwindende Blas-, Schlag- und Saiteninstrumente aussehen und gespielt werden und wie sie klingen. Darüber hinaus werden im Berliner Phonogramm-Archiv an der Arnimallee 8, ebenfalls auf dem Dahlemer Museumsgelände, historische Musikinstrumente ausgestellt, darunter Zeugnisse aus der präkolumbianischen Zeit. Die Ausstellung macht auf das auf der Unesco-Liste „Memory of the World“ vermerkten Tonsammlung neugierig, die ab 2007 einen neuen Ausstellungsraum bekommt. Auch in anderen Berliner Museen, etwa dem Vorderasiatischen und dem Ägyptischen Museum sowie in der Antikensammlung, spielen historische Musikinstrumente eine Rolle, entweder als Fundstücke oder abgebildet auf Wand- und Vasenmalereien oder auf Steinreliefs. Auf diese Zeugnisse eines längst untergegangenen, nur noch in archäologischen Hinterlassenschaften dokumentierten Musiklebens aufmerksam gemacht zu haben, ist ein anerkennenswertes Ergebnis der Tagung in Dahlem und der Arbeit der diesem Thema verbundenen internationalen Studiengruppe.

Helmut Caspar

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