Mehr als ein simples Bürogebäude -
Kunstfreunde beklagen Baustillstand im Schadowhaus unweit des Brandenburger Tors



Johann Gottfried Schadow schaut von der Fassade seines Wohn- und Atelierhauses auf die Besucher herab. (Foto: Caspar)

Vor kurzem ritt ein nachgemachter Napoleon mit seinem Tross durch das Brandenburger Tor. Schade, dass er seinen Zug und mit ihm die vielen Zuschauer nicht in die nahe gelegene Schadowstraße gelenkt hat. Wäre er dorthin geritten, dann hätte er sicher am Schadowhaus Halt gemacht und hinauf zum Schöpfer der Quadriga vom Brandenburger Tor gegrüßt, die der richtige Kaiser der Franzosen vor 200 Jahren als Kunstbeute Paris entführen ließ. Die Schaulustigen hätten sich dann vielleicht gefragt, was das für ein merkwürdiges Haus ist, von dessen Fassade der berühmte Bildhauer, ein Käppchen auf dem Kopf, herunter schaut. Sie hätten erfahren, dass das 200 Jahre alte Gebäude eines der wenigen authentischen Künstlerhäuser ist, die Berlin nach Bombenkrieg und Abrissorgien noch besitzt.

Alles andere muss man beim Deutschen Bundestag erfragen, dem das Schadowhaus in der stillen Schadowstraße seit 1997 gehört. Das 200 Jahre alte Dach ist – gottlob - dicht, von dort droht dem Gebäude mit malerischem Innenhof und Querflügel keine Gefahr. Der Bundestag hat es reparieren lassen, weil er das klassizistische Bauwerk, in dem der Schöpfer der Quadriga und vieler anderer berühmter Bildwerke bis zu seinem Tod 1850 gewohnt und gearbeitet hat, für über elf Millionen Euro in ein Bürohaus verwandeln möchte. Das hätte zur Folge, dass nicht nur schusssichere Fenster eingebaut, sondern die ehemals kostbar dekorierten Wohn- und Arbeitsräume des Meisters und seiner Nachkommen umgebaut und verkabelt, also durchlöchert werden wie ein Schweizer Käse. Und außerdem wäre für interessierte Kunstfreunde höchstens am Tag des offenen Denkmals Gelegenheit, das Haus von innen zu betrachten.

Besorgte Bürger schreiben mit Blick auf die herausragende Bedeutung dieses Gebäudes und seiner von Restauratoren da und dort nach Beseitigung hässlicher Farbschichten sichtbar gemachten ursprünglichen Ausmalung Protestbriefe an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, an den Landeskonservator Jörg Haspel und andere prominente Amtsinhaber. Dabei ist auch die Schadow Gesellschaft Berlin e. V., die in den vergangenen Jahren durch die Wiederaufstellung zweier von ihrem Namensgeber geschaffener Denkmäler auf dem ehemaligen Wilhelmplatz im Bezirk Mitte ermöglichte. Wertvollstes Kulturgut werde unangemessen behandelt, Baustillstand im Schadowhaus und seine Nutzung als Bürogebäude mit allen damit verbundenen Einschränkungen seien nicht hinzunehmen, lautet der Tenor dieser Protestschreiben. Mit seiner kostbaren klassizistischen Fassade, aber auch mit seiner einzigartigen Ausmalung und dem Fresko „Die Künste am Brunnen der Poesie“ von Eduard Bendemann, das ein beredtes Zeugnis deutsch-jüdischen Zusammenlebens im Berlin des 19. Jahrhunderts ablegt, stelle das Schadowhaus ein besonderes Kleinod berlinischer Kunst- und Kulturgeschichte dar, unterstreicht der Vorsitzende der Schadow Gesellschaft, Andor Koritz, in einem auch von Vereinsmitgliedern unterzeichneten Brief an Lammert. Wenn die Bauarbeiten erst nach Ende der Frostperiode fortgesetzt werden, hätte das hätte fatale Folgen für die fragile Bausubstanz, weil das Haus auskühlt und auch die Sucharbeiten der Restauratoren nicht fortgesetzt werden, betont Koritz. Er und andere besorgte Bürger dringen darauf, durch Wiederaufnahme der Innenarbeiten Schaden von dem Haus abzuwenden und ein Konzept zu erarbeiten, das den Bedürfnissen des Bundestages, aber auch der kunstinteressierten Öffentlichkeit gerecht wird. Das schlösse die Besichtigung dieses einzigartigen Künstlerhauses und seine Nutzung für kulturelle Veranstaltungen ein. Jetzt liegt es an Lammert und seinen Beamten, ob sie Johann Gottfried Schadow die ihm zukommende Reverenz erweisen. Sie sollten die Innenausbauten zügig, aber denkmalgerecht aufnehmen und mit der Schadow Gesellschaft Berlin, der Akademie der Künste, deren Direktor der Bildhauer war, den Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz, die viele seiner Arbeiten besitzen, und anderen Einrichtungen neu über die Verwendung dieses Kleinods nachdenken. Es als simples Bürohaus zu nutzen, wäre zu wenig.

Helmut Caspar

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