Tonscherben zum Sprechen gebracht -
Was Berliner Archäologen in den vergangenen 15 Jahren ans Tageslicht förderten



Von der Bauakademie stammende Terrakottaplatten warten im Museum, dass man sie für den Wiederaufbau des Schinkel-Baues verwendet.



Archäologen vermögen es, gemeinsam mit Nachbardisziplinen uralten Tonscherben und anderen Hinterlassenschaften interessante Informationen zu entlocken. (Fotos: Caspar)

Bevor Bagger und Baufahrzeuge anrücken, schwärmen Archäologen aus und graben sich ins Erdreich. Der Bauboom nach dem Fall der Mauer brachte den Berliner Bodendenkmalpflegern viel Arbeit und manchen Verdruss, weil man sie verantwortlich machte, wenn es Verzögerungen gab. Da die Archäologen aber das Gesetz auf ihrer Seite haben und nach dem Verursacherprinzip die Bauherren die Grabungskosten übernehmen müssen, schauen sie solchen Anwürfen gelassen entgegen. Was in Spandau und Köpenick, Marzahn und Mitte, Pankow und Lichterfelde und an vielen anderen Orten ans Tageslicht gelangte, wird bis zum 7. Januar 2007 im Langhansbau des Charlottenburger Schlosses gezeigt. Das Motto der Sonderausstellung „Vom Rand und aus der Mitte“ beschreibt die die ganze Stadt verstreute Lage dieser Hinterlassenschaften und meint auch, dass die vielen Einzelfunde, von den Fachleuten gehörig zum Sprechen gebracht, ein recht anschauliches Bild vom Leben, Arbeiten und Sterben unserer Altvorderen ergeben.

Berlins Landeskonservator Jörg Haspel und Landesarchäologe Wilfried Menghin erfüllen sich mit der vom Landesdenkmalamt und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen gestalteten Dokumentation einen großen Wunsch. Kann doch endlich einmal auf 200 Quadratmetern gezeigt werden, wie die Alt-Berliner ausgesehen haben, wo sie wohnten und welche Werkzeuge sie benutzten, aber auch unter welchen Krankheiten sie litten und natürlich wie man sie bestattet hat und welche Beigaben ihnen ins Grab gelegt wurde.

Mit der von angehenden Designern und Architekturstudenten der Fachhochschule Düsseldorf einfühlsam gestalteten Sonderausstellung erhalten Besucher erstmalig in dieser kompakten Form spezifische, durch archäologische Fundstücke untermauerte Einblicke in die wechselvolle Geschichte Berlins und dem, was hier vor der Stadtwerdung existierte. Das zeitliche Spektrum reicht von der frühesten Besiedlung der Region vor über 10 000 Jahren bis fast an die Gegenwart. Älteste Stücke sind Steinwerkzeuge mit scharfen Kanten und mühevoll gebohrten Löchern. Die jüngsten Fundstücke stammen von Schinkels Bauakademie, die beim Abriss des DDR-Außenministeriums entdeckt wurden. Die Terrakottafragmente können einmal wichtig werden, wenn es an den Wiederaufbau des Backsteinhauses gehen sollte. Dazwischen sieht man sorgsam aus unzähligen Scherben zusammengesetzte Keramik- und Glasgefäße, Schmuck und Hausrat aus Bronze und anderem Metall, aber auch Skelettreste und Dinge, die man früher auf die Müllhalde warf, nicht ahnend, dass sie einmal wissenschaftliche Bedeutung bekommen.

Wilfried Menghin zufolge ist die Schau Ergebnis „gewinnbringender und gar nicht selbstverständlicher Zusammenarbeit zwischen Denkmalpflegern und Museumsleuten“. Die Gestalter hätten mit Erfolg die „eher dröge Geschichtslandschaft mit ihren immer gleichen Scherben und Knochen aufgemuntert“ mit dem Ziel, auch geschichtsferne Leute ins Museum zu locken. Indem die Schau Mittel und Methoden von Nachbardisziplinen wie Geowissenschaften, Anthropologie, Biologie oder Zoologie einbezieht, werde gezeigt, welchen geistigen Gewinn es bringt, wenn stumme Zeugen der Vergangenheit zum Sprechen gebracht werden. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte am Spandauer Damm 22 in Charlottenburg ist Dienstag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt 3, ermäßigt 1,50 Euro.

Helmut Caspar

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