Das Haus der toten Tiere -
Der über 200 Jahre alte „Trichinentempel“ auf dem Charité-Gelände muss dringend saniert werden



Wenig vorzeigbar ist der „Trichinentempel“ auf dem Berliner Charité-Gelände. Wie das Anatomische Theater einmal aussehen soll, zeigt die bereits restaurierte Probeachse an der linken Ecke.



Weitgehend original ist der wie ein antikes Amphitheater gestaltete Hörsaal der königlich-preußischen Tierarzneischule. (Fotos: Caspar)

Schädel toter Pferde, Rinder und Schafe, abgeschlagene Löwenköpfe und Felle, die wie Girlanden aufgehängt sind, Helme mit reichem Federschmuck oder Köpfe sterbender Krieger – im 18. Jahrhundert war solcher Schmuck als Schlusssteine über Fenstern und Türen beliebt. Wie Wahrzeichen deuteten sie an, welche Bestimmung ein Haus hat und wer es bewohnt. Mit eben jenen tierischen Attributen wurde auch das Anatomische Theater der königlich-preußischen Tierarzneischule auf dem Charité-Gelände geschmückt. Sein Architekt war einer der ganz Großen seiner Zunft - Carl Gotthard Langhans der Ältere, der Erbauer des Brandenburger Tores. Das Lehrgebäude wurde 1790 „zum Besten des Landes, der Cavallerie, der Marställe und Gestüte“ errichtet. Denn gut ausgebildete Tierärzte wurden in der preußischen Armee und Landwirtschaft dringend zur Seuchenvorsorge, Pferde-, Rinder- und Schafzucht sowie zur Pflege kranker Tiere gebraucht. Und das ließ sich die Regierung einiges Kosten.

Generationen angehender Veterinärmediziner wurden in dem volkstümlich auch „Trichinentempel“ genannten Haus ausgebildet, das vor 200 Jahren in einer kaum bewohnten Gegend vor der Stadt stand. Die Bezeichnung ist nicht aus der Luft gegriffen, denn das Haus der toten Pferde ist wie ein antiker Tempel gestaltet. In ihrer Ausbildung hatten die künftigen Tierärzte ständig mit solchen Parasiten zu tun, und außerdem sprach sich der Spottname leichter aus als der offizielle Titel „Anatomisches Theater der königlichen Tierarzneischule“.

Berlins ältestes akademisches Lehrgebäude ist ein Pflegefall. Risse in der Fassade, abblätternde Farben, ein undichtes Dach und klappernde Fenster fordern dringende Sanierung. Wer durch das Portal geht, kommt in den Hörsaal, der mit seinen steil ansteigenden Sitzreihen an ein antikes Amphitheater erinnert. Tageslicht fällt durch die verglaste, durch eindringendes Wasser jedoch verdunkelte Kuppel. Auch die Ausmalungen, die mit Hirten, Schafen und Rindern idyllisches Landleben schildern, zeigen Feuchtigkeitsschäden. Eine Hubvorrichtung im Fußboden, mit der man bei Lehrveranstaltungen Tierkadaver aus dem Präpariersaal im Untergeschoss heraufhieven konnte, ist bereits verloren. Original erhalten ist hingegen neben dem Hörsaal die Bibliothek mit Wandschränken nach Langhans’ Entwurf. Auch hier schmücken Tierschädel samt Blumengirlanden das Mobiliar.

Der architektur- und wissenschaftsgeschichtliche Wert und der schlechte Zustand des Anatomischen Theaters lässt weiteres Warten nicht zu. „Die Gesamtsanierung des weitgehend original erhaltenen Hauses ist eine große Herausforderung, die die Humboldt-Universität und die Freie Universität als Nutzer nicht allein bewältigen können. Daher springen wir mit Fördergeldern für erste Maßnahmen ein“, sagt Peter Schabe von Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die in Berlin über einhundert gefährdete Bauwerke und Anlagen durch Geldzuwendungen fördert. Angefangen wurde bereits mit der farblichen Wiederherstellung einer Probeachse an der Nordwestfassade. Hier sind schon Risse geschlossen und Fehlstellen ausgebessert. Statt Grau in Grau leuchtet helles Ocker.

Peter Schabe zufolge hat die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2005 für diese Maßnahme 64 000 Euro bereitgestellt, weitere 50 000 Euro werden 2006 für die Fassadeninstandsetzung bis einschließlich des Portals aufgewandt, ergänzt durch Erträge aus einer Stiftung speziell für das Anatomische Theater und weitere Mittel der Humboldt-Universität und von der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin.

Da die bisher zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen, wird zu Spenden aufgerufen. Es geht um die Rettung eines Gebäudes, das vor über 200 Jahren auf das Modernste auch mit einer Apotheke und einem Laboratorium ausgestattet war, ergänzt durch „Ställe für Pferde, Hornvieh, Schaafe, Schweine und Hunde“, wie es in einer Beschreibung von 1795 heißt. Das Haus verfügte über eine Hufeisensammlung, Schmiede und eine „Gallerie der Präparate und Skelette“. In seiner Umgebung gab es unter schattigen Bäumen Koppeln, „um kranke Thiere bei schicklicher Witterung ins Freie führen zu können“. Viele Nebengebäude sind verloren, doch das Wichtigste, der „Trichinentempel“, steht. Dass sein Zustand im Moment wenig vorzeigbar ist, sollte nicht hingenommen werden.

Spendenkonto Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Stichwort Anatomisches Theater, 2 616 130 07 bei der Dresdner Bank, BLZ 370 800 40, Anfragen bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Repräsentanz Berlin, unter der Rufnummer 030/25898633.

Helmut Caspar

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