Schmähliches Ende unter der Guillotine -
Am 2. November 1755, vor 250 Jahren, wurde Marie Antoinette, Königin von Frankreich, geboren



Ein Bild aus besseren Tagen: Königin Marie Antoinette als Königin von Frankreich, dargestellt von dem Maler Jean Baptiste André Gautier d’ Agoty (Ausschnitt).



Der Henker zeigt der Menge den Kopf der am 16. Oktober guillotinierten Marie Antoinette. Deutsche Medaille auf die „Schauer und Abscheu erregende That“ von 1793 oder danach. (Repros: Caspar)

Von den vielen Königinnen von Frankreich sind kaum noch die Namen bekannt. Sie führten ein sich von Fest zu Fest, von Geburt zu Geburt hinziehendes, im Grunde aber ereignisloses Leben im goldenen Käfig, wurden von ihren Männern oft betrogen und waren von politischer Gestaltungsmöglichkeit ausgeschlossen. Gelegentlich landeten sie in einem abgelegenen Schloss oder in einem Kloster fern von der Hauptstadt. Ihre wichtigste Aufgabe war es, einen Thronfolger zu gebären. Bei der französischen Königin Marie Antoinette, die vor 250 Jahren, am 2. November 1755, in Wien als Tochter des römisch-deutschen Kaiserpaars Franz I. und Maria Theresia geboren wurde, war das anders. Sie war 1770 mit erst 15 Jahren, dem französischen Thronfolger angetraut worden, der 1774 als Ludwig XVI. als Nachfolger seines wegen unzähliger Amouren berüchtigten Großvaters Ludwig XV. den Thron bestieg. Und sie war es, die im Revolutionsjahr 1793 die Guillotine besteigen musste und geköpft wurde, nachdem ihr Mann ebenfalls unter dem Johlen der Menge seinen Kopf verloren hatte.

Ludwig XVI. wird als kraft- und entschlusslos geschildert. Absolut regierend und keine Macht neben sich duldend, war er der sich verschärfenden Staats- und Finanzkrise nicht gewachsen und agierte auch im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, gegen englische Truppen kämpfend, ohne Fortune. Er brauchte sieben lange, quälende Ehejahre, bis er nach Überwindung einer Phimose endlich mit seiner Gemahlin ein Kind zeugen konnte. Statt sich um die Staatsgeschäfte zu kümmern, reagierte der König, ein Hüne von Mann mit durchschnittlichem Verstand, seine Körperkräfte bei der Jagd und in seiner exquisit eingerichteten Metallwerkstatt ab oder verkroch sich in seiner Bibliothek. Wenn jemand in Frankreich etwas zu sagen hatte, dann war es seine junge, schöne, leichtlebige Frau. Um sie scharte sich ein Klüngel geld- und machtgieriger Hofschranzen, und wer ihr am besten zum Munde redete, hatte Aussicht auf Ämter und hohe Zuwendungen aus der Staatskasse, über deren maroden Zustand sich die in Saus und Braus, sozusagen wie „Gott in Frankreich“ lebende Marie Antoinette kein Gedanken machte. So schlitterte Frankreich unter der Regentschaft Ludwigs XVI. in eine Staats- und Finanzkrise ungekannten Ausmaßes, und Marie Antoinette half kräftig mit, sie durch Ausgaben für endlose Feste und kostspielige Bauten noch zu verschärfen. Die Königin hatte keine Ahnung über die wahren Zustände, und sie wollte auch nichts davon wissen. Als man ihr die Armut im Lande schilderte, soll sie geantwortet haben, wenn die Leute kein Brot hätten, dann mögen sie doch Kuchen essen. Von ihrem Gottesgnadentum restlos überzeugt, schlug sie sogar die guten Ratschläge ihrer sorgenvoll nach Frankreich blickenden Mutter Maria Theresia, sich zu mäßigen und auf ihren Ruf zu achten, leichtfertig in den Wind. Kritik perlte an der sich für unantastbar haltenden Marie Antoinette ab wie Wasser von einer Ölschicht, und so nahm sie auch die bedrohlichen Pamphlete nicht wahr, die schon lange vor der Revolution gegen „Madame Defizit“ veröffentlicht wurden.

Als das Volk von Paris am 14. Juli 1789 das berüchtigte Staatsgefängnis, die Bastille, stürmte, waren sich Ludwig XVI. und Marie Antoinette des Ernstes der Lage nicht bewusst. Erst langsam dämmerte ihnen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, dass sie sich in Sicherheit bringen müssten. Ein schlecht vorbereiteter Fluchtversuch endete im Juni 1791 kurz vor der Grenze. Man hatte den als Dienstboten verkleideten König erkannt, weil sein Bild auf allen französischen Münzen prangte. Das Paar wurde unter Spottgeschrei im Triumphzug nach Paris gebracht und bald darauf ins Gefängnis gesteckt.

Bis zu ihrem schmählichen Ende hoffte das nach Ausrufung der Republik im September 1792 seiner Krone beraubten und nun zu einfachen Bürgersleuten mit dem Nachnamen Capet degradierten Paar, dass ausländische Armeen dem Treiben der Jacobiner ein Ende setzen, dass das Revolutionsregime, durch Aufstände im Inneren geschwächt, in sich zusammenfällt und die Königsherrschaft restauriert wird. Nichts dergleichen geschah, und der Wert des ehemaligen Königs und seiner Frau als Geisel der französischen Republik im Krieg gegen die ausländischen Interventionsarmeen sank von Monat zu Monat.

Als Marie Antoinette im Herbst vor ihren Richtern stand, warf man ihr alles Schlechte dieser Welt vor – Landesverrat und geheime Zusammenarbeit mit dem Feind, also den ausländischen Mächten, die mit Waffengewalt die Königsherrschaft in Frankreich wiederherstellen wollten und mit ihren Drohungen, Paris in Schutt und Asche legen und blutige Rache üben zu wollen, nun erst recht die Lage zuspitzten und radikale Revolutionäre auf den Plan riefen. Marie Antoinette wurde die Ausbeutung der Staatskasse für das persönliche Luxusleben und die Bezahlung zahlreicher Günstlinge vorgehalten, ja man schreckte auch nicht vor der – unbewiesenen - Anschuldigung zurück, sie habe inzestuöse Beziehungen zu ihren eigenen Kindern gehabt, sei überhaupt eine „gekrönte Hure“ ohne jeden Anstand gewesen und schon deshalb todeswürdig. Wer sich in dieser aufgeheizten Situation für die „Witwe Capet“ einsetzte, wie man die ehemalige Königin nun nannte, hatte damit zu rechnen, den eigenen Kopf zu verlieren. Versuche des schwedischen Grafen Hans Axel von Fersen, den einzigen wirklichen Geliebten, den Marie Antoinette hatte, die abgehärmte und ihrem Schicksal ergebene Gefangene zu befreien, scheiterten.

Als Marie Antoinette nach einem Schauprozess am 16. Oktober 1793, bis zuletzt um königliche Haltung bemüht, in Paris öffentlich hingerichtet wurde, ordneten die kaiserlichen Verwandten in Wien und andere gekrönte Häupter Hoftrauer an, gingen im Übrigen aber weiter ihren Geschäften nach und arrangierten sich schon bald mit der französischen Republik, die auch durch den Krieg nicht in die Knie gezwungen werden konnte. Johann Wolfgang von Goethe, bestimmt kein Freund der Revolution, kommentierte das Ende Ludwigs XVI. mit den auch für andere gescheiterte Existenzen dieser Kategorie zutreffenden Worten; „Warum denn wie mit einem Besen / Wird so ein König hinausgekehrt? / Wärens Könige gewesen / Sie ständen noch alle unversehrt“.

Die seinerzeit ins Ausland geflüchteten Brüder Ludwigs XVI. konnten erst 1814/15, nach dem Ende der Napoleonischen Ära, die Königsherrschaft wiederherstellen. Unter der Regentschaft von Ludwig XVIII. und Karl X. wurden rührselige Geschichten über das Ende des Königspaares in Umlauf gesetzt und dieses für seine heroische Haltung förmlich in den Himmel gehoben, und jetzt konnte man auch an denjenigen Rache üben, die damals für die Todesstrafe gestimmt hatten. Die Gebeine der Guillotinierten wurden nicht gefunden. Erst im Jahr 2000 hat man das in eine Glaskapsel eingeschlossene Herz des 1795 zehnjährig verstorbenen Sohnes von Ludwig XVI. und Marie Antoinette als zweifelsfrei diesem zugehörig identifiziert und 2004 feierlich in der Königsgruft der Kirche Saint-Denis bei Paris bestattet. Monarchisten nannten den Knaben Ludwig XVII., weshalb sich der nächste Bourbonenkönig, ein jüngerer Bruder des hingerichteten Ludwig XVI., den Namen Ludwig XVIII. zulegte, um nach dem Motto „Der König ist tot, es lebe der König“ monarchische Kontinuität zu unterstreichen.

Siehe auch den Artikel über Marie-Antoinette in der Reihe
"Mythen der Geschichte".

Helmut Caspar

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