Jedem Kranken ein eigenes Bett - Humboldt-Universität begeht dreihundertjähriges Bestehen der Charité



Das Königliche Lazarett in Berlin, auch Charité genannt, auf einem kolorierten Kupferstich aus der Zeit um 1740. (Repro: Caspar)

Die Humboldt-Universität bereitet für 2010 eine Serie von Gedenkveranstaltungen vor. Erinnert wird an die Eröffnung der Alma Mater vor 200 Jahren, im Herbst 1810, sowie an die Gründung der Charité vor 300 Jahren durch den preußischen König Friedrich I. Zu beiden Anlässen wird es zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen sowie Ausstellungen und Publikationen geben. Die 57 000 Bewohner der preußischen Haupt- und Residenzstadt Berlin waren 1710 von der Pest bedroht. Man befürchtete zahlreiche Tote, und so traf der König eilig Vorkehrungen, um die Auswirkungen der Epidemie einzugrenzen. Er ließ auf freiem Gelände außerhalb der Stadtmauern zwischen der Panke und dem Schönhauser Graben einen zweistöckigen Fachwerkbau errichten. Dieses Haus war die Keimzelle eines Klinikums, das in den folgenden 300 Jahren unter dem Namen Charité Weltruhm erlangte. Zwar blieb Berlin von der Pest verschont, doch das Krankenhaus mit vier Ecktürmen war nicht umsonst erbaut worden, denn in der Folgezeit wurde es als Lazarett, Arbeitshaus für Bettler und Arbeitslose sowie Alten- und Pflegeheim genutzt.

Diese Verwendung aber reichte dem Stadt- und Amtsphysikus Christoph Gottfried Habermaaß und weiteren Medizinern nicht aus. Sie schlugen dem seit 1713 regierenden Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. vor, in dem Gebäude ein Krankenhaus für die Berliner und eine praktische medizinische Unterrichtsanstalt einzurichten. Der Monarch stimmte zu und verfügte am Rand einer Kabinettsordre vom 9. Januar 1727 eigenhändig: „Es soll das Hauß die Charité heißen“. Dieser Name bezog sich auf die lateinische Bezeichnung Caritas für Nächstenliebe. Das Hospital war nicht nur für die Versorgung kranker Berliner zuständig, sondern auch für die Ausbildung von Militärärzten, die damals noch in den Kinderschuhen steckte. Mit dieser Orientierung reagierte der Soldatenkönig auf die Umwandlung Preußens in einen Militärstaat, wie man ihn sonst kaum in Europa antraf. Neu in der Charité war, dass jeder Kranke ein eigenes Bett bekam. Das war vor 300 Jahren nicht selbstverständlich, und so half die Annehmlichkeit, Genesungsprozesse zu fördern und Infektionsgefahren abzuwehren, was unter den obwaltenden Bedingungen natürlich nur bedingt gelang.

Schon bald zeigte sich, dass das Fachwerkhaus, welches einen Hof umschloss, viel zu klein war, um den großen Bedarf an Krankenbetten und Behandlungszimmern zu befriedigen. Da kein Neubau in Sicht war, weil Staatseinnahmen Bedürfnisse des königlichen Hofes und des Militärs decken mussten, wurden in der nahe gelegenen Friedrichstraße Wohnungen angemietet, in denen medizinischer Unterricht erteilt wurde. Das war auf die Dauer kein haltbarer Zustand, doch bekam die Charité erst im ausgehenden 18. Jahrhundert als Dreiflügelanlage ein neues Krankenhaus, das zugleich Ausbildungsstätte war und Alte Charité genannt wurde. Das Fachwerkhaus von 1710 hatte ausgedient und wurde abgerissen.

Die Gründung der Berliner Universität im Jahr 1809 und ihre Inbetriebnahme 1810 verschaffte der Krankenanstalt am Rand der königlichen Haupt- und Residenzstadt neue Entfaltungsmöglichkeiten, doch litt sie unter der räumlichen Entfernung von der im Prinz-Heinrich-Palais Unter den Linden untergebrachten Alma Mater und der Verteilung über mehrere Standorte quer durch die Stadt. Im Verlauf des 19. Jahrhundert entstanden an der Ziegelstraße und der Luisenstraße im heutigen Bezirk Mitte für damalige Verhältnisse großzügige Bauten für die Chirurgie sowie die Augenheilkunde, ferner Säle für den die akademische Unterweisung angehender Mediziner sowie zur Sektion von Leichen. Die jetzt Neue Charité genannte Einrichtung verfügte auch über Abteilungen zur Aufnahme von Patienten, die unter Geschlechtskrankheiten litten, sowie für Geisteskranke, wie man sagte, und für erkrankte Strafgefangene. Außerdem existierte auf dem weitläufigen Charitégelände an der Luisenstraße eine Tierarzneischule, in der Veterinäre, die so genannten Pferdeärzte, in einem eigens errichteten Hörsaalgebäude (spöttisch-respektvoll „Trichinentempel“) ausgebildet wurden. Pläne der Nationalsozialisten, die Universität einschließlich der Charité auf einem Gelände an der Heerstraße in der Nähe des Olympiastadions zu verlagern und dort eine neue Hochschulstadt zu schaffen, blieben wegen des Kriegsverlaufs liegen.

Bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg wurden 20 Prozent der Charitébauten zerstört und danach wieder aufgebaut. Wahrzeichen des Klinikums, das zugleich als Forschungs- und Ausbildungsstätte dient, ist der in den 1980-er Jahren errichtete, 86 Meter hohe Neubau mit tausend Betten und 24 Operationssälen. Heute besitzt die Charité, an der zahlreiche weltbekannte Mediziner wirkten, als hochmodernes und größtes Universitätsklinikum Europas einen Namen, der mit keinem anderen Klinikum in Deutschland zu vergleichen ist. Zurzeit gibt es dort rund 11 000 Vollzeitstellen. Der Etat der Charité im Jahr 2009 betrug rund 1,3 Milliarden Euro. Bei Studienplatzbewerbern steht die Charité hoch im Kurs, zur Zeit sind dort rund 7000 Studierende eingeschrieben, darüber hinaus gibt es zahlreiche Auszubildende für pflegerische Berufe.

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