Blattgold für Else - Berliner Siegessäule wird bis zum Frühjahr 2011 von Flügelspitze bis zum Keller saniert und wirbt weithin für Berlin



Die Weihe der Siegessäule auf dem Berliner Königsplatz durch Wilhelm I. wurde 1873 durch eine Medaille gefeiert.



Die in das mächtige Fundament eingelassenen Bronzereliefs schildern Episoden aus den so genannten Einigungskriegen von 1864, 1866 und 1870/71 – hier Verwundung und Tod auf dem Schlachtfeld: (Fotos: Caspar)

Die Siegessäule im Mittelpunkt des Großen Stern hat dringend eine Verjüngungskur nötig; diese beginnt demnächst, wenn der Frost beendet sein wird. Experten rechnen mit 120 Gramm Blattgold, die der preußischen Siegesgöttin auf der Spitze des Kriegerdenkmals im Berliner Tiergarten aufgelegt wird. Bei den 4,3 Millionen Euro teuren Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten geht es nicht nur die Neuvergoldung der Skulptur sowie der Kanonen und Girlanden, die den Aussichtsturm schmücken. Einbezogen sind auch die mit Mosaiken geschmückte Säulenhalle, auf der die Siegessäule steht, sowie die am Großen Stern aufgestellten Denkmäler des Reichskanzlers Otto von Bismarck und der preußischen Generale Albrecht von Roon und Hellmuth von Moltke.

Gutachten haben ergeben, dass die Statik der der 8,32 Meter hohen Viktoria mit der Schuhgröße 92 nicht gefährdet ist, wohl aber müssen locker gewordene Bleche und Verschraubungen gefestigt werden. Außerdem werden marode Steinverkleidungen ausgetauscht und Fugen neu abgedichtet. Da die Verkleidung des innen begehbaren Treppenhauses aus carrarischem Marmor über und über beschmiert ist, muss sie gereinigt und mit einem Graffitischutz versehen werden. Auf dem Programm steht die Reinigung und Konservierung der in den mächtigen Unterbau eingelassenen Bronzereliefs, und da der Sockelbereich mit den toskanischen Säulen ein schadhaftes Dach aus Kupferblech hat, muss auch dieses abgedichtet werden. In das Sanierungsprogramm eingeschlossen sind die vier Torhäuser am Großen Stern, durch die man unterirdisch zur Siegessäule gelangt, sowie eine flache, 600 Meter lange Steinmauer, die die weitläufige Anlage umgibt. Bereits ab Ende 2010 soll ein Besuch des Monuments möglich sein, von dem man einen wunderbaren Blick in den Tiergarten und auf die ganze Stadt hat, die gesamten Arbeiten sollen im Frühjahr 2011 abgeschlossen sein.

Während der Arbeiten wird „Goldelse“, wie die Berliner die Siegessäule nennen, durch farbige Bauplanen umhüllt. Auf ihnen können weder Auto- noch Getränke- oder Parfümhersteller für ihre Erzeugnisse werben. Vielmehr nutzt das Land Berlin im Rahmen seiner Hauptstadtkampagne die Einhausung, um für wichtige Ereignisse in der Stadt wie das Wissenschaftsjahr 2010 oder die Internationale Tourismusbörse Stimmung zu machen. Ein weiteres Thema ist die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika.

Die Siegessäule erinnert an die preußisch-deutschen Kriege von 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und seine mittel- und süddeutschen Verbündeten sowie 1870/71 gegen Frankreich. Mit ihnen wurde durch „Blut und Eisen“, wie Reichskanzler Otto von Bismarck sagte, unter preußischer Führung der Weg zur deutschen Einheit geebnet, die 1871 durch Proklamation König Wilhelms I. in Versailles zum deutschen Kaiser vollzogen wurde. Ursprünglich hatte der Monarch den Bau einer etwas bescheideneren Gedenksäule zur Erinnerung an den Krieg von 1864 angeordnet. Doch dann wurde das für den Königsplatz im Spreebogen bestimmte Monument immer wuchtiger und höher. Am 2. September 1873, dem dritten Jahrestag der Entscheidungsschlacht von Sedan gegen die Franzosen, hat der deutsche Kaiser und König von Preußen das Denkmal auf dem Königsplatz eingeweiht. Seit dem Ende der Monarchie 1918 heißt dieser Raum vor dem Reichstagsgebäude Platz der Republik.

Dass das Kriegerdenkmal nicht mehr hier steht, sondern zwei Kilometer weiter am Großen Stern, hat mit den Umbauplänen von Hitler und seines Stararchitekten Albert Speer zu tun. Ihrer gigantomanischen Vision von der „Welthauptstadt Germania“ mit riesigen Staats- und Parteibauten und breiten Avenuen standen die Siegessäule, die von Kaiser Wilhelm II. gestiftete Siegesallee sowie Bismarck und die Generalsfiguren im Wege.

Die Siegessäule hatte den Zweiten Weltkrieg mit erheblichen Blessuren überstanden. Die alliierten Besatzungsmächte verlangten nach dem Ende des Nazistaates ihren Abbruch, sahen sie doch in ihr ein besonders verwerfliches Zeugnis des preußisch-deutschen Militarismus. Vor allem für die Franzosen war das Monument, auf dessen Reliefs unter anderem die Kapitulation der Truppen von Kaiser Napoleon III. dargestellt ist, unerträglich, und so verlangten sie die Sprengung. Das geschah zwar nicht, wohl aber wurden die als besonders provozierend empfundenen, zudem noch stark beschädigten Sockelreliefs entfernt und nach Frankreich geschafft. Im Zeichen der deutsch-französischen Versöhnung gab Paris 1984 die als Kriegstrophäen in einem Militärmuseum zwischengelagerten Bronzeplatten dem damaligen Regierenden Bürgermeister von West-Berlin und späteren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zurück. In einer Metallwerkstatt restauriert, nicht aber rekonstruiert, wurden die mit Inschriften wie „Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“ versehenen Reliefs wieder in den Sockel eingefügt.

Wenn man im Laufe des Jahres 2011 die rundum sanierte Siegessäule erklommen hat, kann man von der Aussichtsplattform einen wunderbaren Rundblick auf den Tiergarten und darüber hinaus in alle Himmelsrichtungen auf Berlin genießen. Von oben mutet der stark befahrene Verkehrsknotenpunkt Großer Stern winzig an, geradezu niedlich wirkt in einer kleinen Grünanlage ein aus drei Standbildern von Bismarck, Roon und Moltke bestehendes Ensemble. Es ist nicht daran gedacht, so verlautet aus dem Berliner Senat, die auf und am Großen Stern stehenden Monumente an ihren Ursprungsort vor und neben das Reichstagsgebäude zurückzuführen und damit die Umgestaltungen aus der Nazizeit zückgängig zu machen. Wenn am 1. April 2015 der 200. Geburtstag von Otto von Bismarck gefeiert wird, werden Verehrer des „eisernen Kanzlers“ an den Großen Stern pilgern und vor dem dann gereinigten und restaurierten Bronzedenkmal Kränze ablegen.

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