Licht und Schatten der Goldenen Zwanziger - Geschichtsspektakel „Historiale“ erinnert in der kommenden Woche an die aufregenden Jahre zwischen 1918 und 1933



Wieland Giebel (links) und Johannes Großer erwarten zur Historiale 2010 wieder tausende Geschichts- und Kulturfans.



Claire Waldoff, hier ihre Büste vor dem Friedrichstadtpalast, führt mit ihren Gassenhauern in die Gefühls- und Lebenswelt der Zwanziger Jahre ein. (Fotos: Caspar)

Als vor vier Jahren der in eine historische Uniform gesteckte französische Kaiser Napoleon I. durch das Brandenburger Tor ritt und damit an den Einzug des Siegers in einem Krieg gegen Preußen zweihundert Jahre zuvor erinnerte, war ein neues Geschichtsspektakel in Berlin geboren – die Historiale. In diesem hat es sich in die so genannten Goldenen Zwanziger vorgearbeitet, in jene aufregenden Jahre zwischen Ende der Monarchie 1918 und der Errichtung der Nazidiktatur 1933. Was sich in dieser Periode in Berlin abspielte und welche Licht- und welche Schattenseite sie hatte, ist vom 23. bis 29. August Gegenstand von etwa 120 Veranstaltungen. Einer der Schauplätze ist wie schon in den vergangenen Jahren bei den vorangegangenen Geschichtsspektakeln das Nikolaiviertel im Bezirk Mitte. Dort wird es unter freiem Himmel bei hoffentlich gutem Wetter vom Freitag, dem 27. August, bis Sonntag, dem 29. August einen mit zahlreichen Ständen bestückten historischen Markt geben wird und zu einem reichhaltigen Musikprogramm mit Andrej Hermlin und dem Swing Dance Orchestra und anderen Künstlern eingeladen. Auf der Bühne vor der Nikolaikirche stehen ferner zwölf historische Persönlichkeiten auf neugierige Fragen Rede und Antwort.

Wie Veranstalter Wieland Giebel, der Chef der Berlin Story, und Organisator Johannes Großer bei der Vorstellung des Programms mit etwa 120 Punkten erklärten, schlüpfen Laiendarsteller in die Maske von Albert Einstein, Lilian Harvey, Brigitte Helm, Thomas Mann, Claire Waldoff, Heinrich Zille und anderen Prominenten der damaligen Zeit und geben Einsichten in ihre Gedanken- und Erlebniswelt. Wer nicht aufpasst, gerät zwischendurch in eine Polizeirazzia, die von echten Polizisten in historischen Uniformen veranstaltet wird. Muße braucht man beim Rundgang über den Markt, auf dem Kostüme und Trödel aus den Zwanzigern feilgeboten, aber auch Verlage und Antiquariate ihre zu dieser aufregenden, durch Krisen und Bürgerkrieg, Aufbruch und Aufschwung und am Ende durch einen gnadenlosen Kampf aller gegen alle gekennzeichnet war.

Ein anderer Veranstaltungsort ist der Sitz der Berlin Story Unter den Linden 26, wenige Kilometer vom Nikolaiviertel entfernt. Dort gibt es am 23. und 24. August ab 20 Uhr großes historisches Kino zu sehen, so die berühmten Filme „Berlin: Die Sinfonie einer Großstadt“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. Am 25. und 26. August wird zu einem Historiale-Kongress über die „Goldenen Zeiten in Berlin“ eingeladen. Er gibt Interessenten Gelegenheit, mit Historikern, Museumsleuten, Politikern und anderen Experten ins Gespräch zu kommen und gedanklich dem Phänomen der Goldenen Zwanziger zu nähern. Dabei soll die Vielschichtigkeit der spannungsgeladenen Epoche in der Kunst, Architektur, Literatur, Film, Theater und anderen Bereichen hervorgehoben, aber auch gezeigt werden, warum dieses Aufblühen nicht lange dauerte. Auch hier kommen Prominente von damals wie Alfred Döblin und Fritzi Massary zu Wort, gespielt von Enthusiasten von heute. Die Vortragsthemen reichen von Polizei und Justiz in der Weimarer Zeit bis zum Ringen der Frauen um Gleichberechtigung und ihre Teilhabe an den öffentlichen Dingen. Vermittelt werden auch Einsichten in das jüdische Berlin in den Jahren vor dem Holocaust und in das Leben, das Franzosen und andere Zuzügler in der deutschen Hauptstadt führten. „Alles in allem ein interessanter, anregender Cocktail an Einsichten und Informationen. Ihm gesellen sich ausschweifende Tanznächte und andere Events bei uns in der Berlin Story hinzu“, sagt Wieland Giebel.

Der Erfolg des seit 2006 zu unterschiedlichen Themen, zuletzt über die Kaiserzeit, immer Ende August/Anfang September veranstalteten Geschichtsfestivals lässt den Verleger und Buchhändler optimistisch in die Zukunft schauen. Für die kommenden Jahre stünden schon die Themen fest – 2011 Berlin als Hauptstadt der Spione, 2012 Friedrich der Große, der vor 300 Jahren geboren wurde, 2013 Berlin unterm Hakenkreuz und 2014 Berlin nach dem Sieg über den französischen Kaiser Napoleon I. 1814/1815. Mit seinem Einzug durch das Brandenburger Tor genau wie 200 Jahre zuvor hatte 2006 die Historiale ihren Anfang genommen, und da Berliner Leben, Geschichte und Kultur unendlich viele Facetten haben, gehen Wieland Giebel und dem Historiale-Team noch längst nicht die Ideen aus.

Informationen zum Programm im Internet unter www.historiale.de oder telefonisch unter 030/20454673. Zur Historiale 2010 erschien im Verlag Berlin Story das Buch von Michael Bienert und Elke Linda Buchholz „Die Zwanziger Jahre in Berlin – Ein Wegweiser durch die Stadt“ (278 S., zahlr. Abb., 19,80 Euro). Helmut Caspar

Zurück zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"