Tod im Feuer aufgrund falscher Anschuldigungen - Gedenkstein an der Mollstraße in Berliner Bezirk Mitte erinnert an Justizmord vor 500 Jahren



Der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz erinnerte an ein grauenhaftes Verbrechen vor 500 Jahren an Juden und fordert am Gedenkstein neben dem Haus Mollstraße 11 zu Toleranz und Mitmenschlichkeit auf. (Foto: Caspar)

Vor 500 Jahren wurden 41 Juden aus Berlin und der Mark Brandenburg vor der kurfürstlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin öffentlich verbrannt. Man hatte sie zu Unrecht der Hostienschändung und ritueller Morde beschuldigt. Daran erinnert ein Gedenkstein neben dem Wohnhaus Mollstraße 11 im Berliner Bezirk Mitte. In einer Gedenkstunde wies Kulturstaatssekretär André Schmitz auf den Justizmord und seine Folgen vor einem halben Jahrtausend hin.

Die in der Doppelstadt Berlin-Cölln geführten Prozesse von 1510 waren der Anfang für eine Reihe von Ausschreitungen, die zur Vertreibung jüdischer Bewohner aus der Mark Brandenburg führten. Der Gedenkstein stammt aus den Jahren 1934/35 und wurde vom Rabbiner Martin Salomonski an der Rückseite eines heute nicht mehr vorhandenen jüdischen Altersheims errichtet. Wie durch ein Wunder überstand die Inschriftenplatte die Nazi- und Kriegszeit, so dass sie 1988 an der heutigen Stelle in Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin neu errichtet werden konnte. Im oberen Teil der Schrifttafel verkündet ein hebräischer Text in deutscher Übersetzung: „Hier ruhen die reinen Gebeine von Mitgliedern unserer ältesten Gemeinde Berlin. Sie wurden getötet und verbrannt als Märtyrer zur Heiligung Seines Namens am 12. Aw des Jahres 5270 [19. Juli 1510]. Dieser Stein wurde errichtet auf ihrer Ruhestätte durch Me’ir, Sohn des Herrn Abraham Salomonski, im Jahre 695 [1934/35] nach der kleinen Zählung“. Eine darunter angebrachte Tafel erklärt auf deutsch: „Im Jahre 1510 wurden 38 Berliner Juden wegen angeblicher Hostienschändung verbrannt. Ihre Gebeine sind hier bestattet.“

André Schmitz wies darauf hin, dass der Schauprozess von 1510 und die öffentliche Verbrennung der zu Unrecht schwerster Verbrechen beschuldigten Männer auf der Hinrichtungsstätte am heutigen Straußberger Platz die erste nachgewiesene Judenverfolgung im Reich der Hohenzollern war. Endpunkt seien im 20. Jahrhundert die Verfolgung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden durch die Nationalsozialisten. „Jeder von uns ist aufgefordert dafür zu sorgen, dass sich Toleranz und Achtsamkeit gegenüber unseren Mitmenschen durchsetzen und Rassisten und Fremdenfeinde nicht an Boden gewinnen“, betonte Schmitz.

Über den auf dem Neuen Markt in Berlin unweit der Marienkirche geführten Hostienschändungsprozess berichtet bis 30. Januar 2010 eine Ausstellung in der Spandauer Zitadelle. Sie zeichnet anhand von Urkunden, zeitgenössischen Drucken und Gemälden die Beweggründe nach, die 1510 zu dem Mord an jenen Juden aufgrund falscher Anschuldigungen führten, und vermittelt Einsichten in die prekären politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse, unter denen Juden vor einem halben Jahrtausend in unserer Region leben mussten.

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