Er wurde nur 34 Jahre alt, nahm sich vor 199 Jahren am Kleinen Wannsee im
heutigen Berliner Bezirk Zehlendorf das Leben und wird 2011 groß gefeiert –
Heinrich von Kleist. Dem Dichter und Publizisten widmet die Heimatzeitschrift
„Die Mark Brandenburg“ mit Blick auf das Kleistjahr 2011 eine ganze Ausgabe.
Wolfgang de Bruyn, der Direktor des Kleist-Museums in Frankfurt an der Oder,
stellt zu Beginn die in der ehemaligen Garnisonschule eingerichtete Sammlung
sowie den sich anschließenden Neubau vor. In beiden Häusern sind wertvolle
Handschriften von Kleist und Zeitgenossen, dazu Bücher, Gemälde, Skulpturen,
Möbel und andere Hinterlassenschaften zu sehen, und sie bieten mit einer
umfangreichen Bibliothek und einem Archiv gute Bedingungen, um sich mit dem
Leben und Werk des Dichters und seines literarischen Umfeld zu beschäftigen.
Der Verfasser berichtet aus der Baugeschichte des Museums und würdigt das für
5,4 Millionen Euro errichtete Gebäude daneben als wichtige Ergänzung. Dem
unbehausten Dichter, der auf der Suche nach Liebe, Bildung, Arbeit, Glück und
Abenteuer quer durch Europa reiste, der sein Leben immer wieder neu und
erfolglos entwarf, werde in seiner Geburtsstadt mit dem neuen Haus endlich eine
würdige Heimstatt gegeben, die erstmals auch das Museum und die Geschäftsstelle
der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft unter einem Dach vereint.
Was der junge Kleist in der Garnison- und Universitätsstadt an der Oder mit um
1800 knapp 10 000 Einwohnern tat, wie seine Beziehungen zur Familie seines
Frankfurter Regimentskommandeurs August Wilhelm Hartmann von Zenge und dessen
Tochter Wilhelmine beschaffen waren und warum er, aus einer vornehmen
Offiziersfamilie kommend, den ungeliebten Dienst in der preußischen Armee
quittierte, ist Gegenstand eines Beitrags von Hans-Jürgen Rehfeld. Wilhelmine
beschrieb den Freund als melancholisch und finster, doch habe es ihm in der
Gesellschaft bei den Zenges gefallen. Kleist nahm lebhaften Anteil an der
Ausbildung und "Veredlung" der Freundin und gab ihr nützliche Bücher zum Lesen.
Eine Ehe mit ihr zu schließen, gelang jedoch nicht, und so wurde das Verlöbnis
wieder aufgelöst.
Kleist ging auf Reisen, Frankfurt war nur noch
Zwischenstation, und auch die Liebe zu Wilhelmine vermochte es nicht, ihn in
die Oderstadt zurückzubringen, notiert der Autor.
Mit Betrachtungen über Kleists Jahre in Potsdam schließt sich ihm Martin
Maurach an.
Heinrich von Kleist war in der preußischen Residenz- und Garnisonstadt stationiert.
Er brachte es bis zum Seconde-Leutnant und beendete 1799 seine militärische
Laufbahn, um sich ganz seinen literarischen Ambitionen mit allen damit
verbundenen Unwägbarkeiten hinzugeben. An der Großen Stadtschule bereitete sich
der junge Adlige auf seine Studien an der Frankfurter Viadrina vor. Das Haus in
der heutigen Friedrich-Ebert-Straße steht noch und weist mit einer Tafel auf
den berühmten Schüler hin.
Vergeblich hoffte Kleist auf eine Anstellung beim
preußischen Staat, die es ihm ermöglicht hätte, eine Familie zu gründen. Doch
das gelang nicht, und so befielen den jungen Mann schon damals
Selbstmordgedanken, wie übrigens anderen Angehörigen seiner Schicht auch, die
mit dem repressiven Sozialklima im damaligen Preußen nicht zurecht kamen.
Im kommenden Jahr wird ausführlich Gelegenheit sein, Kleists literarisches Werk
zu würdigen. „Die Mark Brandenburg“ tut das eher am Rand und stellt dafür in
einem Beitrag von Wolfgang Barthel verschiedene Rittergüter in der damals
sächsischen Oberlausitz und an anderen Orten vor, auf denen Angehörige des
großen Kleist-Clans saßen und zu denen Kleist lose Beziehungen unterhielt. In
abschließenden Beiträgen befassen sich Horst Häker mit Kleists Aufenthalt in
Berlin und Eberhard Siebert mit den nicht ganz geklärten Umständen, die zum
Freitod des Dichters und seiner Freundin Henriette Vogel führten.
Als Herausgeber und Autor der "Berliner Abendblätter" war ihm nur kurzfristiger
Erfolg beschieden. Amüsant zu lesen sind noch heute dort publizierte Anekdoten
und sogar Kriminalgeschichten, für die der Berliner Polizeipräsidnt Gruner
einige Zeitlang Informationen lieferte. Als das bei Lesern beliebte, von der
Regierung als nicht opportun beurteilte Journal eingestellt wurde, hatte Kleist
nicht nur einen Sack voll Schulden. Es war ihm auch eine wichtige Aufgabe aus
der Hand geschlagen worden. Er fühlte sich nach diesem Schlag verbittert und
einsam, war aber als Dichter weiterhin tätig. Angesicht der misslichen
politischen Lage in Preußen zwischen französischer Besetzung 1806 und den
Befreiungskriegen von 1813 bis 1815, die Kleist nicht mehr erlebte, sah dieser
für sich nur noch den Weg in den Tod. Seine Seele sei so wund, schrieb der
Verfasser der „Hermannschlacht“, des „Käthchen von Heilbronn“, des
„Zerbrochenen Krugs“, des "Prinzen Friedrich von Homburg" und anderer
Bühnenstücke sowie von zahlreichen anderen Arbeiten in einem Abschiedsbrief,
„dass mir, ich möchte fast sagen, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das
Tageslicht wehe tut, das darauf schimmert“. Heinrich von Kleist und seine
Gefährtin wurden an der Stelle ihres Selbstmords in zwei Särge gelegt und in
einem Grab still bestattet, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt.
Das Grab am Kleinen Wannsee blieb erhalten und ist eine Pilgerstätte von
Kleist-Freunden aus aller Welt. Die Inschrift „Er lebte sang und litt / in
trüber Zeit / er suchte hier den Tod / und fand Unsterblichkeit“ fasst
tröstlich das Leben dieses großen, unvollendet gebliebenen Dichters zusammen.
Erst 2003 haben Kleist-Verehrer einen Stein auf das Grab gelegt, das
gerechterweise auch an Henriette Vogel erinnert.
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