„Rotes Gold“ aus märkischem Sand - Glasmacherei auf der Pfaueninsel
unter geheimnisvollen Umständen



Im Kunstgewerbemuseum am Kulturforum im Berliner Tiergarten sind einige der hochseltenen Kunckel- und Rubingläser ausgestellt. Der Deckelpokal mit preußischem Wappen in der Mitte entstand um 1720 in einer Potsdamer Glashütte, daneben stehen ein Teekännchen sowie Gläser mit silbervergoldeter Montierung.



Höchsten Luxusansprüchen genügte dieser Rubinglas-Pokal mit vergoldetem Adler obenauf und seitlichen Henkeln. Auch diese Arbeit aus der Zeit um 1700 wird in der Ausstellung des Kunstgewebemuseum am Kulturforum im Berliner Tiergarten gezeigt. (Fotos: Caspar)

Brandenburgische Kurfürsten und preußische Könige pflegten enge Beziehungen zu Alchemisten, Goldmachern und anderen mehr oder minder zwielichtigen Gestalten. Sie unterstützten Experimente zur Erzeugung von künstlichem Gold und Silber, um den Mangel an Bodenschätzen und insbesondere an Edelmetall wettzumachen und eine teure Hofhaltung sowie Kriege bezahlen zu können. Selbst ein Mann von klarem Verstand wie Friedrich II., der Große, investierte viel Geld in unfruchtbare Goldmacherexperimente. Da die Suche nach dem „Stein der Weisen“ nur Kosten verursachte, aber nichts einbrachte, lebten die Scharlatane sehr gefährlich. Manche endeten am Galgen, andere entzogen sich dem Zorn der Regenten durch Flucht. Das bekannteste Beispiel für das Scheitern als Goldmacher war der Apothekerlehrling Johann Friedrich Böttger, der 1701 in Berlin silberne Doppelgroschen in goldene Dukaten verwandelt haben soll. Bevor sich Preußens König Friedrich I. seiner bemächtigte, entwich der „Goldjunge“ nach Sachsen und wurde von August dem Starken gezwungen, mit Hilfe des imaginären Steins der Weisen künstliches Gold zu erzeugen. Das misslang, aber bei den Experimenten kam Böttger dem Geheimnis des Porzellans auf die Spur. So konnte 1710, vor nunmehr 300 Jahren, in Meißen die erste europäische Porzellanmanufaktur gegründet werden. Das Ereignis wird 2010 durch eine silberne Zehn-Euro-Münze gefeiert. Die Produktion des „weißen Goldes“ verschaffte dem Kurfürsten von Sachsen und König von Polen viel Prestigegewinn und manchen harten Silbertaler.

Bei ihren Mühen um künstlich aus unedlem Metall erzeugtes Gold gelangten Alchemisten mitunter zu Erkenntnissen, welche das Arzneiwesen, die Glasherstellung, das Färben von Textilien, die Metallurgie, das Arzneiwesen und andere Wissenschaften, wie man sagte, voran brachten. So konnte der berühmte Chemiker Justus von Liebig im 19. Jahrhundert feststellen, unter den Alchemisten habe sich stets ein Kern echter Naturforscher befunden, „die sich in ihren theoretischen Ansichten häufig selbst täuschten, während die fahrenden Goldköche sich und andere betrogen“. Mit seinem Urteil hatte Liebig unter anderem den aus dem heutigen Schleswig-Holstein stammenden Glastechnologen und Chemiker Johann Kunckel im Auge, dessen Geburtsjahr unterschiedlich mit 1620, 1630 und 1638 angegeben wird. Seine Leistungen könnten „den größten Entdeckungen unseres Jahrhunderts gleichgestellt werden“ können, meinte Liebig.

Indem der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg 1685 Johann Kunckel die in der Havel zwischen Berlin und Potsdam gelegene Pfaueninsel als Ort für Experimente mit Glas zuwies, erhielt die in Brandenburg florierende Glasmacherei einen neuen Aufschwung. Das rohstoffarme Kurfürstentum besaß Sand als Grundstoffe für die Glasschmelze, Holz als Brennstoff und Pottasche als Zuschlagstoff in Hülle und Fülle. Bereits im 16. Jahrhundert hatten die Hohenzollern Glashütten eingerichtet, in denen man Flaschen und andere Gefäße für den Hausgebrauch, aber auch Fensterscheiben, Spiegel, Behänge für Lampen und bunte Perlen produzierte. Johann Kunckel gab der Glasindustrie eine andere Wendung in Richtung Luxusartikel, vergleichbar den edlen Gläsern aus Böhmen und Italien. Der Sohn eines Alchemisten und Glasmachers hatte das Gewerbe quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Er arbeitete zunächst für das holsteinische Herzogshaus, verdingte sich aber bald beim Herzog Franz Carl von Lauenburg als Laborant und Alchimist. Seinen beruflichen Aufstieg begann Kunckel jedoch in Sachsen als „Geheimer Kammerdiener und Chymicus“ des Kurfürsten Johann Georg II. Hinter dem Titel verbarg sich die Bestallung als Goldmacher.

Kunckel wurde mit dieser Aufgabe nicht glücklich, und so sah er nach manchen Querelen und wegen ausbleibender Bezahlung nach einem anderen Arbeitgeber um und fand ihn in Person des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Dieser ernannte seinen neuen Schützling ebenfalls zum „Geheimen Kammerdiener“ und stellte ihm ein Privileg zum Verkauf von selbst fabriziertem Kristallglas aus. Obwohl Kunckel der fragwürdige Ruf eines Goldmachers voraus ging, legte es der Brandenburger nicht darauf an, dessen Fähigkeiten in dieser Richtung zu testen. Friedrich Wilhelm reichte es schon, wenn er edles Glas für die Hoftafel bekam. Mit kurfürstlichen Privilegien „begnadet“, ging es Kunckel es langsam bergauf.

Zunächst pachtete Kunckel eine Glashütte in Drewitz und dann eine andere auf dem Hakendamm bei Potsdam, wo wohl auch jene Experimente stattfanden, die zur Erfindung des tiefrot gefärbten Rubinglases führten. Nicht entschlüsselt wurde das Verfahren, mit dem es dem Experimentator gelang, jene tiefrote Glasfarbe zu erzielen. Angeblich soll er Goldstaub in die flüssige Masse getan haben, die nach Erkalten und Bearbeitung das Aussehen von Rubinen erhielt. Da und dort sind in Museen noch die so genannten Goldrubingläser von Kunckel erhalten und stehen neben kristallklaren, reich geschliffenen Pokalen. Kaum der Qualität ausländischer nachstehend, erzählen diese Kostbarkeiten von der Blüte der Glasmacherkunst vor über 300 Jahren zwischen Elbe und Oder.

Hervorragende Arbeitsbedingungen fand Johann Kunckel für wenige Jahre auf dem abgelegenen Kaninchenwerder in der Havel zwischen Berlin und Potsdam, das später wegen der dort lebenden Vögel und weiterer exotischer Tiere Pfaueninsel genannt wurde. Wie Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ berichtete, verpflichtete sich der Glasmacher für die Übereignung der Insel 1685, alljährlich für fünfzig Taler Kristallgläser an seinen Herrn abzuliefern. Außerdem war Kunckel gehalten, die von ihm hergestellten bunten Glasperlen ausschließlich der Guinea-Kompagnie zu verkaufen, die im Auftrag des Kurfürsten von Brandenburg mit Hilfe solcher Nichtigkeiten einen schwunghaften Handel mit afrikanischen Sklaven, Elfenbein und Gold betrieb. Nach dem Tod seines kurfürstlichen Gönners 1688 sank Kunckels Stern. Der neue Herrscher Friedrich III., der sich 1701 zum König „in“ Preußen krönte, zeigte geringes Interesse an der Glasmacherei auf der Kanincheninsel. Kunckel hatte hohe Schulden angesammelt, Neider bezweifelten die Rechtschaffenheit des „naturwissenschaftlichen Juwels“, wie Kenner später sagten. Als zu allem Unglück Kunckels Laboratorium und Glashütte auf der Pfaueninsel abgebrannt war, stand der Pechvogel vor dem wirtschaftlichen Aus. Er verkaufte allen Besitz, beglich seine Schulden, verließ Kurbrandenburg und fand in Schweden freundschaftliche Aufnahme. Dort in den Adelsstand erhoben, war Johann Kunckel von Löwenstern, wie er jetzt hieß, bis zu seinem Tod im Jahr 1703 als Bergrat zwei schwedischen Königen zu Diensten. Kurbrandenburg aber hatte einen begnadeten Experimentator verloren. Kunckels berühmte „Ars vitraria experimentalis“ wurde lange Zeit als Lehrbuch der Glasmacherkunst verwendet und erlebte mehrere Auflagen. Auf der Pfaueninsel erinnert ein Gedenkstein an Johann Kunckel, die Inschrift erwähnt, dass er hier Phosphor und Rubinglas hergestellt hat. Archäologen haben an der Stelle, wo die Glashütte stand, Schlacken- und Glasreste gefunden. Preußens König Friedrich Wilhelm II. gab ein Jahrhundert nach Kunckel der Pfaueninsel eine neue Chance, als er hier ein Sommerschloss erbauen ließ, in das er mit seinen Mätressen zurückzog. Auch andere Hohenzollern wohnten gern auf der Pfaueninsel. Die hier in Volieren und in Gehegen lebenden Vögel und Tiere kamen in den 1844 gegründeten Berliner Zoo. Geblieben sind aber auf dem Eiland zahlreiche Pfauen, die sich den Besuchern in wärmeren Jahreszeiten laut kreischend und ein Rad schlagend in den Weg stellen.

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