Kaiser Wilhelm II. verfolgte vor hundert Jahren in Berlin ehrgeizige Pläne.
Er wollte aus der Metropole die bedeutendste Stadt der Welt machen. Berlin
nahm damals eine Fläche von rund 63 Quadratkilometern ein und hatte 1,9
Millionen Einwohner. Doch erst nach dem Ende der Monarchie im Ergebnis der
Novemberrevolution von 1918 wurde sie mit einem Schlag durch Eingemeindungen
eine Viermillionen-Stadt. Indem 1920 die bisherigen Städte Charlotteburg,
Köpenick, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie zahlreiche
Landgemeinden und Gutsbezirke der Reichshauptstadt zugeschlagen wurden,
erreichte sie eine Fläche von 878 Quadratkilometern und war nach der
Einwohnerzahl die drittgrößte und nach der Fläche sogar die größte Stadt der
Welt. Allerdings verlief die Geburt der Weltmetropole nicht ohne
Komplikationen, denn viele Bewohner der zur Eingemeindung bestimmten Städte
und Dörfer waren nicht begeistert. Sie fürchteten um ihre kommunale
Selbstständigkeit, aber auch dass man ihnen höherer Steuern und Abgaben
auferlegt. Prozesse in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die
gegen die Zusammenlegung angestrengt wurden, bestätigten die Rechtmäßigkeit
der Bildung von Groß-Berlin.
Erschlossen wurde die aus den Nähten platzende Kommune durch die Stadt- und
die Untergrundbahn, die nach und nach auch die Vororte erreichte. Noch aber
dominierten auf den Straßen Pferde, die Lastwagen und Droschken zogen. Ein
großer Teil der Transporte etwa von Baumaterialien und Lebensmitteln wurde
auf dem Wasserweg abgewickelt, hinzu kam die Eisenbahn mit ihren prächtigen
Bahnhöfen, von der aus man schnell und bequem ferne Gegenden erreichte.
Aus zeitgenössischen Schilderungen kennen wir die schreienden Gegensätze in
der Reichshauptstadt. Hier das Hohenzollernschloss und die anderen
Repräsentationsgebäude, die Kirchen und die Museen, die Bankenpaläste und
großartigen Flaniermeilen, die mit Denkmälern aller Art geschmückten Plätze
und Brücken, nicht zu vergessen die mondänen Kaufhäuser, die als prächtig
gestaltete Tempel des Konsums eine zahlungskräftige Kundschaft anlockten.
Auf der anderen Seite vegetierte das Berliner Proletariat in Elendsvierteln.
Was sich dort abspielte, war bei den Stadtvätern und in der Politik durchaus
bekannt. Fast eine Million Menschen hausten zu fünf oder mehr Personen in
einem Zimmer. Toiletten gab es nur auf dem Hof. Die berüchtigten
Mietskasernen hatten mehrere lichtlose Hinterhöfe und erstreckten sich
manchmal von einer zu anderen Straße. Doch solange eine Feuerspritze in
einem dieser Höfe wenden konnte, war für die Politiker und Stadtplaner alles
in Ordnung. Kein Wunder, dass in diesen Gegenden Krankheiten grassierten,
das Verbrechen blühte und sich viele Menschen dem Alkohol hingaben.
Brennpunkte des innerstädtischen Treibens waren der Potsdamer Platz, die
Friedrichstraße und Leipziger Straße sowie der Alexanderplatz. Alte Fotos
zeigen den Alex mit zahlreichen sich gefährlich kreuzende Schienen, auf
denen Straßenbahnen entlang fuhren, dazwischen rumpelten Pferdewagen und
Kutschen. Ruhiger ging es in der vornehmen Wilhelmstraße zu, wo sich ein
Ministerium an das andere reihte und auch das Reichskanzlerpalais stand.
Zurück zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"