Mit einem Schlag Viermillionen-Metropole - Durch Eingemeindungen wurde Berlin vor 90 Jahren größte Stadt der Welt



Der Bau der U-Bahn war eine große politische und technische Herausforderung. Der Berliner Fotograf Max Missmann zeigt auf der genau hundert Jahre alten Aufnahme, wie der Abschnitt zwischen der Klosterstraße und dem Märkischen Museum entsteht. (Repro: Caspar)

Kaiser Wilhelm II. verfolgte vor hundert Jahren in Berlin ehrgeizige Pläne. Er wollte aus der Metropole die bedeutendste Stadt der Welt machen. Berlin nahm damals eine Fläche von rund 63 Quadratkilometern ein und hatte 1,9 Millionen Einwohner. Doch erst nach dem Ende der Monarchie im Ergebnis der Novemberrevolution von 1918 wurde sie mit einem Schlag durch Eingemeindungen eine Viermillionen-Stadt. Indem 1920 die bisherigen Städte Charlotteburg, Köpenick, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf sowie zahlreiche Landgemeinden und Gutsbezirke der Reichshauptstadt zugeschlagen wurden, erreichte sie eine Fläche von 878 Quadratkilometern und war nach der Einwohnerzahl die drittgrößte und nach der Fläche sogar die größte Stadt der Welt. Allerdings verlief die Geburt der Weltmetropole nicht ohne Komplikationen, denn viele Bewohner der zur Eingemeindung bestimmten Städte und Dörfer waren nicht begeistert. Sie fürchteten um ihre kommunale Selbstständigkeit, aber auch dass man ihnen höherer Steuern und Abgaben auferlegt. Prozesse in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, die gegen die Zusammenlegung angestrengt wurden, bestätigten die Rechtmäßigkeit der Bildung von Groß-Berlin.

Erschlossen wurde die aus den Nähten platzende Kommune durch die Stadt- und die Untergrundbahn, die nach und nach auch die Vororte erreichte. Noch aber dominierten auf den Straßen Pferde, die Lastwagen und Droschken zogen. Ein großer Teil der Transporte etwa von Baumaterialien und Lebensmitteln wurde auf dem Wasserweg abgewickelt, hinzu kam die Eisenbahn mit ihren prächtigen Bahnhöfen, von der aus man schnell und bequem ferne Gegenden erreichte.

Aus zeitgenössischen Schilderungen kennen wir die schreienden Gegensätze in der Reichshauptstadt. Hier das Hohenzollernschloss und die anderen Repräsentationsgebäude, die Kirchen und die Museen, die Bankenpaläste und großartigen Flaniermeilen, die mit Denkmälern aller Art geschmückten Plätze und Brücken, nicht zu vergessen die mondänen Kaufhäuser, die als prächtig gestaltete Tempel des Konsums eine zahlungskräftige Kundschaft anlockten. Auf der anderen Seite vegetierte das Berliner Proletariat in Elendsvierteln. Was sich dort abspielte, war bei den Stadtvätern und in der Politik durchaus bekannt. Fast eine Million Menschen hausten zu fünf oder mehr Personen in einem Zimmer. Toiletten gab es nur auf dem Hof. Die berüchtigten Mietskasernen hatten mehrere lichtlose Hinterhöfe und erstreckten sich manchmal von einer zu anderen Straße. Doch solange eine Feuerspritze in einem dieser Höfe wenden konnte, war für die Politiker und Stadtplaner alles in Ordnung. Kein Wunder, dass in diesen Gegenden Krankheiten grassierten, das Verbrechen blühte und sich viele Menschen dem Alkohol hingaben.

Brennpunkte des innerstädtischen Treibens waren der Potsdamer Platz, die Friedrichstraße und Leipziger Straße sowie der Alexanderplatz. Alte Fotos zeigen den Alex mit zahlreichen sich gefährlich kreuzende Schienen, auf denen Straßenbahnen entlang fuhren, dazwischen rumpelten Pferdewagen und Kutschen. Ruhiger ging es in der vornehmen Wilhelmstraße zu, wo sich ein Ministerium an das andere reihte und auch das Reichskanzlerpalais stand.

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