Spurensuche auf dem Großen Jüdenhof -
Archäologen hoffen, Reste von mittelalterlichen Wohnhäusern sowie einer Synagoge zu finden



Grabungsleiter Thorsten Dressler ist zuversichtlich, auf dem Großen Jüdenhof Reste einer Synagoge freizulegen.



Landeskonservator Jörg Haspel ist gespannt, was die Grabungen auf dem Großen Jüdenhof erbringen und lädt Interessierte zur Besichtigung am 20. Oktober ein.



Bunt bemalte Keramikscherben, Reste von Flaschen und Metallgegenständen aus der Barockzeit deuten an, dass rund um den Großen Jüdenhof viele Handwerker angesiedelt waren. (Foto: Caspar)

Die Ausgrabungen des Berliner Landesdenkmalamtes auf dem Gelände des ehemaligen Großen Jüdenhofes in Sichtweite des Alexanderplatzes zeigen erste Ergebnisse. Keller und Hausmauern sind freigelegt, zahlreiche Keramik- und Glasscherben sowie Metallgegenstände, ja auch das Inventar von Handwerksbetrieben und andere Fundstücke konnten geborgen werden. Grabungsleiter Torsten Dressler und die anderen Archäologen hoffen, auf der Brache nicht weit vom U-Bahnhof Klosterstraße und dem Alten Stadthaus entfernt auf Spuren ältesten jüdischen Lebens in Berlin zu stoßen. Unter einer Asphaltdecke aus der Nachkriegszeit vermuten sie ein hier bestehenden jüdischen Wohn- und Geschäftsviertel zu finden und vielleicht sogar auf die Mauern einer mittelalterlichen Synagoge und eines Ritualbades zu stoßen. Für die jüdischen Bewohner, die nach damaligen Gesetzen nur als Geldwechsler und Geldverleiher tätig sein, nicht aber einem Handwerk nachgehen durften, war die Nähe zum Molkenmarkt wichtig, weil sich dort das wirtschaftliche Zentrum des mittelalterlichen Berlin befand. "Nach der Vertreibung der Berliner Juden im 16. Jahrhundert siedelten sich hier christliche Handwerker an, und wir können schon jetzt sehen, welchen Berufen sie nachgingen", sagte Dressler mit Blick auf erste Funde, die auf Metallverarbeitung und das Posamentiergewerbe deuten.

Die im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstörten Häuser rund um Großen Jüdenhof wurden nach 1945 abgetragen und eingeebnet. Landeskonservator Jörg Haspel zufolge ist von besonderem Interesse, wie der in uralten Berichten erwähnte und auch auf Karten dargestellte Jüdenhof ursprünglich ausgesehen hat und wer hier vom 13. bis 16. Jahrhundert lebte. Die archäologischen Untersuchungen würden im Vorfeld der schon längere Zeit geplanten Neubebauung des Viertels angestellt und böten die große Chance, älteste Stadtgeschichte anhand der unterirdischen Spuren näher kennenzulernen. "Wir möchten einige Reste dieses bisher noch nie archäologisch erforschten Viertels in die Neubauten integrieren, die hier demnächst entstehen, und damit das geschichtlich hochinteressante Areal, das viele Berliner nicht kennen, auch aufwerten", fügte Haspel hinzu. Das wäre ein schöner Brückenschlag von den ältesten Zeiten Berlins bis zur Gegenwart. Ähnliches sei mit den ausgegrabenen Mauern und Gewölben Grabungsfunden auf dem Petriplatz, an dem die Wiege Berlin stand, auf dem Schlossplatz und vor dem Roten Rathaus beabsichtigt. Einige auf diesen und weiteren Grabungsfeldern entdeckte Hinterlassenschaften unserer Vorfahren seien bereits im Museum für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum auf der Museumsinsel zu sehen.

Wer die Grabungen auf dem Gelände des Großen Jüdenhofs und weitere Untersuchungen dieser Art quer durch die Stadt näher kennenlernen möchte, ist zum 15. Berliner Archäologentag am Donnerstag, dem 20. Oktober 2011, ab 10 Uhr im Großen Saal des Roten Rathauses eingeladen und kann unmittelbar davor von 8 bis 9.30 Uhr an einer Führung teilnehmen. Bis dahin hoffen die Ausgräber, weitere Hinweise zur Baugeschichte des langsam aus dem Dornröschenschlaf erwachenden Großen Jüdenhofs und vielleicht auch schon etwas von der dort vermuteten Synagoge und einen Brunnen zu finden.

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