Die Ausgrabungen des Berliner Landesdenkmalamtes auf dem Gelände des
ehemaligen Großen Jüdenhofes in Sichtweite des Alexanderplatzes zeigen erste
Ergebnisse. Keller und Hausmauern sind freigelegt, zahlreiche Keramik- und
Glasscherben sowie Metallgegenstände, ja auch das Inventar von
Handwerksbetrieben und andere Fundstücke konnten geborgen werden.
Grabungsleiter Torsten Dressler und die anderen Archäologen hoffen, auf der
Brache nicht weit vom U-Bahnhof Klosterstraße und dem Alten Stadthaus
entfernt auf Spuren ältesten jüdischen Lebens in Berlin zu stoßen. Unter
einer Asphaltdecke aus der Nachkriegszeit vermuten sie ein hier bestehenden
jüdischen Wohn- und Geschäftsviertel zu finden und vielleicht sogar auf die
Mauern einer mittelalterlichen Synagoge und eines Ritualbades zu stoßen. Für
die jüdischen Bewohner, die nach damaligen Gesetzen nur als Geldwechsler und
Geldverleiher tätig sein, nicht aber einem Handwerk nachgehen durften, war
die Nähe zum Molkenmarkt wichtig, weil sich dort das wirtschaftliche Zentrum
des mittelalterlichen Berlin befand. "Nach der Vertreibung der Berliner
Juden im 16. Jahrhundert siedelten sich hier christliche Handwerker an, und
wir können schon jetzt sehen, welchen Berufen sie nachgingen", sagte
Dressler mit Blick auf erste Funde, die auf Metallverarbeitung und das
Posamentiergewerbe deuten.
Die im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstörten Häuser rund um Großen
Jüdenhof wurden nach 1945 abgetragen und eingeebnet. Landeskonservator Jörg
Haspel zufolge ist von besonderem Interesse, wie der in uralten Berichten
erwähnte und auch auf Karten dargestellte Jüdenhof ursprünglich ausgesehen
hat und wer hier vom 13. bis 16. Jahrhundert lebte. Die archäologischen
Untersuchungen würden im Vorfeld der schon längere Zeit geplanten
Neubebauung des Viertels angestellt und böten die große Chance, älteste
Stadtgeschichte anhand der unterirdischen Spuren näher kennenzulernen. "Wir
möchten einige Reste dieses bisher noch nie archäologisch erforschten
Viertels in die Neubauten integrieren, die hier demnächst entstehen, und
damit das geschichtlich hochinteressante Areal, das viele Berliner nicht
kennen, auch aufwerten", fügte Haspel hinzu. Das wäre ein schöner
Brückenschlag von den ältesten Zeiten Berlins bis zur Gegenwart. Ähnliches
sei mit den ausgegrabenen Mauern und Gewölben Grabungsfunden auf dem
Petriplatz, an dem die Wiege Berlin stand, auf dem Schlossplatz und vor dem
Roten Rathaus beabsichtigt. Einige auf diesen und weiteren Grabungsfeldern
entdeckte Hinterlassenschaften unserer Vorfahren seien bereits im Museum für
Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum auf der Museumsinsel zu sehen.
Wer die Grabungen auf dem Gelände des Großen Jüdenhofs und weitere
Untersuchungen dieser Art quer durch die Stadt näher kennenlernen möchte,
ist zum 15. Berliner Archäologentag am Donnerstag, dem 20. Oktober 2011, ab
10 Uhr im Großen Saal des Roten Rathauses eingeladen und kann unmittelbar
davor von 8 bis 9.30 Uhr an einer Führung teilnehmen. Bis dahin hoffen die
Ausgräber, weitere Hinweise zur Baugeschichte des langsam aus dem
Dornröschenschlaf erwachenden Großen Jüdenhofs und vielleicht auch schon
etwas von der dort vermuteten Synagoge und einen Brunnen zu finden.
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