Reichstag als Entbindungsstation -
Was man beim Rundgang durch den Sitz des Deutschen Bundestags erfahren kann



Der Bundesadler an der Stirnseite des Plenarsaals hat die Ausdehnung einer Zweizimmerwohnung.



Eine Fotoausstellung auf der Aussichtsplattform informiert über die wechselvolle Geschichte des Reichstagsgebäudes. (Fotos: Caspar)

Nach einem Terroralarm im November vergangenen Jahres wurde das Reichstagsgebäude, eines der beliebtesten Touristenziele der Hauptstadt, für den Besucherverkehr zunächst komplett gesperrt. Doch dann wurden die Einschränkungen Anfang Dezember 2010 gelockert. Seither werden Besucher nur nach Anmeldung herein und hinauf auf die Aussichtsterrasse gelassen. Das gilt auch für die von dem britischen Stararchitekten Sir Norman Foster gestaltete gläserne Kuppel.

Wer sich beim Besucherdienst des Deutschen Bundestags, Platz der Republik 1, 11011 Berlin, Telefon 030- 227-32152, Fax 030-227-30027 und per e-Mail besucherdienst@ bundestag.de anmeldet oder dies auf der Internetseite www.bundestag.de mit einem Terminwunsch tut, bekommt Antwort und wird zum gewählten Zeitpunkt nach einer Serie von strengen Sicherheitskontrollen in das 1884 bis 1894 nach Plänen des Architekten Paul Wallot errichtete Reichstagsgebäude eingelassen. Mit dieser Prozedur soll verhindert werden, dass Personen in das Haus kommen, die einen Anschlag durchführen wollen oder etwas anderes im Schilde führen.

Bei Führungen an sitzungsfreien Tagen werden Zusammensetzung, Aufgaben und Arbeitsweise des Parlaments bis hin zu Wahlverfahren und Abstimmungsmodalitäten und zur Arbeit der Stenografen erklärt, die nicht nur Reden und Anfragen in Windeseile mitschreiben, sondern auch alle Zwischenrufe und weitere bemerkenswerte Aktivitäten notieren müssen. Der Besucherdienst weist darauf hin, dass die Plätze auf der Besuchertribüne begrenzt sind und nicht jeder Wunsch berücksichtigt werden kann, den Abgeordneten und der Regierung in die Augen und über die Schulter zu schauen. Wenn man mit ein wenig Glück dabei sein kann und einen guten Sitzplatz erwischt, kann man den Abgeordneten in ihre Papiere schauen oder das Verhalten der Mitglieder der Bundesregierung und der Vertreter des Bundesrates beobachten.

Wie kaum ein anderes Haus in Berlin wurde das Reichstagsgebäude ein Symbol deutscher Geschichte. Der Brand Ende Februar 1933 war für die gerade an die Macht gelangten Nationalsozialisten ein willkommener Grund, um massiv und blutig gegen die linke Opposition im Lande vorzugehen und Regimekritiker auszuschalten. Wer hinter dem spektakulären Anschlag konkret stand, ist nicht bekannt. Dass aber Hitler und seine Helfershelfer davon profitierten, steht außer Frage. In der Zeit der Nazidiktatur führte das notdürftig reparierte Haus ein Schattendasein. Sitzungen des nur noch mit Braununiformierten besetzten Parlaments fanden hier nicht mehr statt, sondern in der nahe gelegenen Krolloper. Das stark beschädigte Reichstagsgebäude war, obwohl es politisch keine Funktion mehr hatte, ein wichtiges Ziel der Roten Armee im April, und als die Sowjetfahne über ihm wehte, war das „Dritte Reich“ am Ende.

Manche Episode in der wechselvollen Geschichte des Hauses dürfte den Besucher bekannt sein, etwa die Umbaumaßnahmen und die sparsame Nutzung des Hauses in der Zeit des Kalten Kriegs und der deutschen Teilung, anderes aber nicht. Wie vor Ort zu erfahren ist, fungierten unterirdische Räume als Ausweichquartier der bombengeschädigten Charité sowie als Entbindungsstation. Einige hundert Berlinerinnen und Berliner sollen hier das Licht der Welt erblickt haben, wie übrigens auch in anderen über die Stadt verteilten Bunkern.

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