„Freisler ist unser Wyschinski“ - Hitlers Blutrichter schickte vor 70 Jahren zahllose Widerstandskämpfer in den Tod



Heimlich angefertigte Film- und Tonaufnahmen dokumentieren das Wüten des Volksgerichtspräsidenten Roland Freisler und die aufrechte Haltung der Angeklagten.



Eine Stätte des Gedenkens und des Schweigens ist das Gebäude in Plötzensee, wo unzählige Menschen erhängt und geköpft wurden. (Repro/Foto: Caspar)

Eine den Boden eingelassene Gedenktafel unweit des Sony-Centers im Berliner Bezirk Tiergarten erinnert an Hitlers Volksgerichtshof. Dessen Präsident Roland Freisler schickte tausende Widerstandskämpfer aufs Schafott, nachdem er sie auf schlimme Weise erniedrigt hatte. In seiner unendlichen Wut befahl Hitler nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944, die Verschwörer sollen „nicht die ehrliche Kugel bekommen, die sollen hängen wie gemeine Verräter! [...] Blitzschnell muss ihnen der Prozess gemacht werden. Und innerhalb von zwei Stunden nach der Verkündung des Urteils muss es vollstreckt werden! Die müssen sofort hängen ohne jedes Erbarmen. Und das wichtigste ist, dass sie keine Zeit zu langen Reden erhalten dürfen. Aber der Freisler wird das schon machen. Das ist unser Wyschinski“, womit Hitler Stalins obersten Ankläger und Großinquisitor Andrej Wyschinski meinte. Bei anderer Gelegenheit stellte der „Führer“ fest, er habe schon oft bitter bereut, sein Offizierskorps nicht so gesäubert zu haben, wie es Stalin getan hat.

Hitler ließ die Gerichtsverfahren und die Exekutionen filmen und weidete sich an den Demütigungen, die die zuvor gefolterten und in schäbiger Kleidung vorgeführten Angeklagten erleiden mussten, erfährt man beim Besuch der Gedenkstätte Deutscher Widerstand an der Stauffenbergstraße im Tiergarten. Aus Angst vor der eigenen Bevölkerung wurden die Aufnahmen, ein Extrakt von 50 Kilometern Filmmaterial, unter Verschluss gehalten. Es sollte nicht bekannt werden, welchen Umfang die Widerstandsbewegung selbst in hohen und höchsten Kreisen angenommen hatte und unter welchen jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechenden Bedingungen die Schauprozesse abliefen. Als „Geheime Reichssache“ deklariert, wurden die heimlich gedrehten, wegen des brüllenden Gerichtspräsidenten Freisler vielfach kaum verständlichen Aufnahmen nur einem ausgewählten Kreis von NS-Funktionären vorgeführt und zeigten eine verheerende Wirkung. Der aus der Wehrmacht ausgestoßene Generalfeldmarschall Erwin von Witzleben, der nach erfolgreichem Attentat auf Hitler das Oberkommando der Wehrmacht übernehmen sollte, sagte Freisler mutig ins Gesicht: „Sie können uns dem Henker überantworten. In drei Monaten zieht das empörte und gequälte Volk Sie zur Rechenschaft und schleift Sie bei lebendigem Leib durch den Kot der Straßen.“ Sein Mitangeklagter Ulrich-Wilhelm Graf von Schwerin von Schwanenfeld nannte als Motiv für seinen Widerstand „die vielen Morde, die im In- wie Ausland passiert sind“, worauf er von Freisler niedergeschrien und als „schäbiger Lump“ bezeichnet wurde. Einer der Zuhörer war der spätere deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt. Entsetzt von dem widerlichen Verfahren, ließ sich der zur Teilnahme an dem Prozess abkommandierte junge Oberleutnant von seinem Vorgesetzten wieder abrufen. Im Kammergerichtsgebäude an der Potsdamer Straße ist der Saal erhalten, indem die Verfahren gegen die Verschwörer vom 20. Juli 1944 unter Hakenkreuzfahnen und vor einer Hitlerbüste stattfanden. Da Freisler Anfang 1945 bei einem Bombenangriff tödlich verletzt wurde, blieb ihm ein Verfahren vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg erspart.

In eine Gedenkstätte verwandelt ist die Hinrichtungsstätte Plötzensee, in der viele zum Tod verurteilte Regimegegner hingerichtet wurden. Um ihre Todesqualen zu verschärfen, wurden sie auf Hitlers Befehls an dünnen Telefondrähten erhängt. Die Fleischerhaken, an denen sie starben, blieben im Exekutionsraum erhalten. Eine Ausstellung nebenan berichtet von den Blutorgien der Nationalsozialisten, die an dieser Stätte des Grauens stattfanden und schildert auch, wer die Opfer und wer die Täter waren.

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