„So muss das Schwert entscheiden“ - Ausstellungen in Berlin dokumentieren die Schrecken des vor 100 Jahren begonnenen Ersten Weltkriegs



Bedrohlich blickt Paul von Hindenburg in Dahlem auf die Ausstellungsbesucher herab. Das Original der Holzskulptur war 13 Meter hoch und stand vor dem Berliner Reichstagsgebäude.



Dem Heldenkult stellte Käthe Kollwitz ihre um den gefallenen Sohn trauernde Mutter gegenüber, zu sehen Museum Europäischer Kulturen.



Im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums werden die Auswirkungen des Ersten Weltkrieg auf das Militär und die Zivilbevölkerung geschildert.



Das Plakat zu einer Kriegsanleihe beschwört die Einheit von Kriegsfront und Heimatfront. (Fotos: Caspar)

Am Beginn des Ersten Weltkriegs zogen Millionen Soldaten begeistert ins Feld, um ihr Leben für Gott, Kaiser, Volk und Vaterland im Kampf gegen eine Welt von Feinden zu opfern, wie es damals hieß. Mehrere Ausstellungen erinnern in Berlin an das blutige Geschehen, an dessen Ende sich Europa und die Welt stark verändert hatten. „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind. So muss denn das Schwert entscheiden“, ließ Kaiser Wilhelm II. seine Untertanen bei Kriegsbeginn wissen. Die meisten Deutschen gingen ihrem Oberbefehlshaber und allen anderen Kriegstreibern auf den Leim. Vom Taumel der ersten Kriegswochen blieb angesichts des elenden Sterbens auf den Kriegsschauplätzen sowie der großen Hungersnot und der Seuchen in der Heimat nicht viel übrig. Die bis zum 28. Juni 2015 laufende Ausstellung „Der gefühlte Krieg“ im Museum Europäischer Kulturen an der Arminallee 25 in Berlin-Dahlem schildert, wie Patriotismus und Monarchenkult einerseits und blinder Nationalismus und Hass auf alles Fremde andererseits instrumentalisiert wurden, um den von Kaiser Wilhelm II. versprochenen „Siegfrieden“ oder, wie man auch sagte, „Hindenburgfrieden“ herbeizuführen.

Größtes Schaustück der Dokumentation in Dahlem ist die Nachbildung einer 13 Meter hohen Holzfigur des Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg. Das Original stand vor dem Berliner Reichstagsgebäude, und zahlreiche Menschen haben für einen Obolus Eisennägel in die Holzfigur geschlagen. Zweck des Rituals war nicht nur, Geld für Kriegsversehrte und Hinterbliebe gefallener Soldaten zu sammeln, sondern auch den Zusammenhalt im Volk zu festigen. Ausgestellt sind ferner Bildpostkarten, auf denen das Sterben auf dem „Feld der Ehre“ heroisiert wird. Man kann sich auch in Feldpostbriefe vertiefen und das „Manifest der 93“ lesen, wie die geistige Elite im Deutschen Reich die Kriegsgräuel der eigenen Leute leugnete und den Krieg als „reine Sache“ zu rechtfertigten. An ihrem Ende zeigt die Ausstellung, wie nach 1918 Heldenverehrung zelebriert wurde. Der Begleitband erschien im Verlag der Kunst Dresden und kostet 14,95 Euro. Das Museum ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 8 Euro, ermäßigt 4 Euro, Jugendliche unter 18 Jahren haben freien Eintritt.

Eine riesige Siegesgöttin aus Marmor weist den Weg zu den bis zum 30. November 2014 laufenden Dokumentation „1914-1918. Der Erste Weltkrieg“. Zu ihren Füßen wurden wenige Wochen nach Kriegsbeginn im damaligen Zeughaus Unter den Linden eroberte Fahnen und Geschütze aufgestellt, um damit die Kriegsbegeisterung der Deutschen weiter anzuheizen und ihre Siegeszuversicht zu stärken. Die im Pei-Bau des DHM eingerichtete Ausstellung schildert in 14 Kapiteln das Toben des Kriegs auf den Schlachtfeldern in Europa und in Übersee. Gezeigt wird, welcher Waffen sich die Gegner bedienten, warum die Fronten ungeachtet ausgefeilter Feldzugspläne in Dreck und Schlamm stecken blieben und wie Schlachtenlenker versuchten, mit brutalsten Mitteln und dem Einsatz neuartiger Waffen und Kampfmittel die militärische Wende herbeizuführen. In den abgedunkelten Räumen im Untergeschoss des Pei-Baus sind Gemälde, Grafiken, Proklamationen und Zeitungsausschnitte, aber auch Waffen und Propagandamaterialien einschließlich von Kinderbüchern mit kriegsverherrlichendem Inhalt ausgestellt. In den Vitrinen sind zerschossene Hinterlassenschaften von Gefallenen, aber auch ergreifender Briefe von den Fronten sowie eroberte Fahnen ausgelegt. Man lernt die Utensilien der Feldärzte kennen, die bei der Rettung der Verwundeten und Sterbenden nicht mehr hinterher kamen, sieht auch, welcher Prothesen sich die zu Krüppeln gemachten Menschen nach dem Krieg bedienten.

Anhand von Biografien bekannter Zeitgenossen, aber auch unbekannter Kriegsteilnehmer wird gezeigt, wie die anfängliche Euphorie in revolutionäres Aufbegehren umschlug und schließlich im Herbst 1918 angesichts allgemeiner Erschöpfung, schrecklicher Versorgungskrisen und grassierender Seuchen zum Ende des Massenschlachtens führte. Während die von den Fronten heimkehrenden Soldaten und die ins Elend gestürzten Zivilisten damit getröstet wurden, dass sie große Opfer für Gott, Kaiser, Volk und Vaterland geleistet haben, vollzogen sich grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. In Russland, Deutschland, Österreich-Ungarn und anderen Staaten purzelten die Kronen und etablierten sich republikanische Regimes. Am Ende der Ausstellung wird gezeigt, wie die den Verlierern aufgezwungenen Friedensverträge den Keim für neue gesellschaftliche Konflikte legten und den Weg für die NS-Diktatur in Deutschland und den Zweiten Weltkrieg legten.

Auch bei dem erstmals global ausgefochtenen Krieg blieb die Wahrheit auf der Strecke. So schildert die Ausstellung, wie sich die verfeindeten Staaten gegenseitig die Schuld an dem blutigen Wahnsinn in die Schuhe schoben. Da deutsche Truppen zu Kriegsbeginn das neutrale Belgien überfallen und dort schreckliche Gräuel angerichtet hatten, war die Kriegsschuldfrage schon frühzeitig entschieden, mochten man die Massaker und mutwilligen Zerstörungen noch so oft als perfide Erfindungen des Gegners von sich weisen. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 8, ermäßigt 4 Euro, Das Buch zur Ausstellung kostet 24,95 Euro. Weitere Informationen www.dhm.de/.

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