Von der Idee zur Prägung

Mit der "Adlerfibel" in einer Auflage von 200.000 Exemplaren startete 1952 das bundesdeutsche Gedenkmünzenprogramm



Für die Gestaltung der ersten Gedenkmünze von 1952 diente eine archäologische Sensation in der
Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg als Vorlage.




Da die Auflagen frühen Gedenkmünzen mit 200 000 Stück vergleichsweise gering war, muss für diese Stücke
heute viel bezahlt werden. Ursprünglich zeigten Sammler ihnen die kalte Schulter. (Repros: Caspar)

Sieben Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und ein Jahr nach der Ausgabe des silbernen Fünf-Mark-Stücks von 1951 mit dem "dünnen" Adler sah die Bundesregierung die Zeit gekommen, den westdeutschen Staat auch auf Gedenkmünzen als Land der Dichter und Denker zu präsen-tieren, als eines, in dem Menschenwürde, Demokratie, Kunst und Wissenschaft nach den schrecklichen Jahren des Nationalsozialismus zu neuem Recht gelangen. Es passte gut in die poli-tische und kulturelle Landschaft, mit einer Gedenkmünze an ein berühmtes Museum in der schwer von Bomben getroffenen Stadt Nürnberg zu erinnern - das Germanische Nationalmuse-um. Nürnberg besaß seit der NS-Zeit einen zweifelhaften Ruf als Stadt der Reichsparteitage der NSDAP und als Ort, an dem 1935 die Nürnberger Rassegesetze verkündet wurden. Außerdem saß hier 1945/46 das Internationale Militärtribunal über die deutschen Hauptkriegsverbrecher zu Gericht. Auf der Silbermünze stellte Karl Roth ein berühmtes Schmuckstück dar - die goldene Adlerfibel, die 1893 in San Marino gefunden wurde und 1898 mit weiteren Stücken ins Germani-sche Nationalmuseum gelangte. Das kostbare Schmuckstück war und ist "das" Wahrzeichen des Museums. Andere Entwürfe wie eine Inschrift oder ein Säulenkapitell mit dem Nürnberger Wappen darauf hatten gegen dieses Symbol keine Chance.

Für uns ist kaum zu verstehen, dass die Münze von 1952 und ihre drei Nachfolgerinnen wie Blei an den Kassen liegen blieben. Es war in den frühen fünfziger Jahren offenbar für viele Sammler ein ausgesprochener Luxus, solche zeitgenössischen Gedenkmünzen, die ja eine hohe Kaufkraft besaßen, beiseite zu legen. Erst 1955 wurde die Serie mit Fünf-Mark-Stücken zum 150. Todestag des Dichters Friedrich Schiller sowie zum 300. Geburtstag des berühmten Feldherren Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, genannt Türkenlouis, mit ähnlich schwachem Verkaufserfolg fortgesetzt. 1957 kam ein viertes Stück zum 100. Todestag des Dichters Joseph von Eichendorff hinzu. Jede Gedenkmünze hatte eine Auflage von 200 000 Stück und wurde stets in einer anderen westdeutschen Münzstätte geprägt.

Wurde die Adlerfibel auf Anhieb ausgeführt, so geriet das Auswahlsystem schon bei der nächsten Emission von 1955 durcheinander. Denn nicht der mit dem ersten Preis bedachte Entwurf von Fritz Nuss mit einem expressionistisch anmutenden sowie dem Dichterlorbeer geschmückten Schillerkopf wurde in Stuttgart geprägt, sondern das drittplatzierte Modell von Alfons Feuerle, das ein ganz der Zeit um 1800 verpflichtetes Bildnis des Dichters zeigt. Ein Blick in die numis-matische Literatur zeigt, dass die Kür eines Modells durch das Preisgericht nicht automatisch die Realisierung bedeutete. Es kam vor, dass auf Wunsch der Bundesregierung, die in dieser Frage immer das letzte Wort hatte und hat, selbst viertplatzierte Entwürfe geprägt wurden.

Die dritte, von Karl Föll gestaltete Gedenkmünze der frühen Serie wurde nicht etwa zum zehn-ten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und damit auf die Befreiung des deutschen Volkes von der NS-Diktatur geprägt, sondern zur Erinnerung an einen wohl nur noch Spezialisten für die Barockzeit und Militärhistorikern bekannten deutschen Fürsten. Die damals von "badischen Kreisen" angeregte und in Karlsruhe geprägte Silbermünze anlässlich des 350. Geburtsta-ges des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden erinnert an einen berühmten, in kaiserlichen Diensten stehenden Feldherrn, der im späten 17. Jahrhundert gegen die bedrohlich auf das römisch-deutsche Reich vorrückenden Osmanen kämpfte und auch an der Abwehr französischer Invasoren teilnahm. Da der Markgraf auch Bauherr des Schlosses zu Rastatt war, nimmt es nicht Wunder, dass der Bundesadler auf der Rückseite die Ansicht dieses Schlosses bedeckt. Es war 1714 Schauplatz eines Friedensschlusses, der den Spanischen Erbfolgekrieg beendete.

Wie die ersten drei silbernen Fünf-Mark-Münzen, so war auch die Ausgabe eines erneut in nur 200 000 Exemplaren geprägten Fünf-Mark-Stücks von 1957 nach einem Entwurf von Karl Roth auf den 100. Todestag des Dichters Joseph von Eichendorff Ergebnis von persönlicher Ein-flussnahme und politischer Lobbyarbeit. Der Nominierung Eichendorffs kam entgegen, dass es sich bei ihm um eine "Persönlichkeit jenseits der Oder-Neiße-Linie" handelt, also eines Gebietes, auf das die damalige Bundesregierung und große Teile der westdeutschen Öffentlichkeit ungeachtet der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens von 1945 Ansprüche erhob. So war die Eichendorff-Münze nicht nur eine Hommage an einen großen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts, sondern hatte auch eine politische Zielrichtung. Die in den folgenden Jahren und Jahrzehnten geprägten Gedenkmünzen erreichten höhere Auflagezahlen als die Stücke aus den Jahren 1952 bis 1957 und daher auch preiswerter zu haben.

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