"Schlagt tot das lose Pack"

Mit Gewalt und Verboten gingen Fürsten gegen die Kipper und Wipper vor, nicht ohne von ihnen profitiert zu haben



Da viele Leute weder lesen noch schreiben konnten, hat man
im frühen 17. Jahrhundert auf Flugblättern drastisch gezeigt,
wer die an der Kipperei verdienenden "Ertzdiebe und Grundschelme"
sind und dass ihnen höllisches Feuer und ewige Verdammnis sicher sind.




In Cölln, der Schwesterstadt von Berlin,
anno 1621 geprägt, waren die Sechser nicht viel wert,
doch heute werden sie von Sammlern gesucht.




Die Engeltaler von 1621 aus Annaberg und Leipzig sehen zwar gut
aus, doch waren innerer Wert und Kaufkraft dieser Kippermünzen gering.




Mit diesem und weiteren Edikten drohte Friedrich II. von Preußen
nach dem Siebenjährigen Krieg Kippern und Wippern schwere
Strafen an und lockte Denunzianten mit Prämien. (Fotos/Repro: Caspar)

Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) kauften Kipper und Wipper die guten alten Reichstaler und anderes vollhaltiges Geld auf. Schwere Silbermünzen wurden durch Wiegen aussortiert und von der Waage (Wippe) gekippt, um sie einzuschmelzen und das Edelmetall mit Kupfer zu strecken. Auch in Berlin waren die Kipper und Wipper unterm Schutz des Kurfürsten aktiv und haben gutes in schlechtes Geld verwandelt. Eigentlich waren die so genannten Heckenmünzen streng verboten. Diese von Territorialherren und Städten betriebenen Prägestätten unterlagen keiner staatlichen Kontrolle, und ihre Betreiber hielten sich nicht an die Gesetze.

Da große und kleine Landesherren wie die Kurfürsten von Sachsen und von Brandenburg, die Herzöge von Braunschweig, die Grafen von Sayn-Wittgenstein und die Grafen von Hohenlohe-Schillingsfürst sowie manche städtische Kommunen und selbst Kaiser Ferdinand II. und sein Generalissimus Albrecht von Wallenstein an der Münzverschlechterung prächtig verdienten, war es schwer, den Betrügern das schändliche Handwerk zu legen, mochte der Volkszorn noch so viel hoch kochen. "Es ist eitel altes Kupfer, / Von Kesseln, Blasen und Pfannen / Kupfernen Rinnen und Badewannen / Übern Haufen zsamen gschlagen / Das führe ich auf meinem Wagen / Eitel Geld will man draus machen", heißt es in einem der schnell von Hand zu Hand gehenden Drucke, und ein anderer ruft auf: "Schla doet / schla doet dat lose Pack / Met öhren Knechten unde Packenack / Schla doet / latet se nich leven / Nimm weg öhr Guet / heff gueten Moet / Van Godt isst diek al vorgeven". In weiteren Pamphleten wird die Bande der Geldwechsler sowie der Kipper und Wipper als "höllstinkende Wucherer, eingeteuffelte und durchgeteuffelte Geitzhälss, abgefaummte, abgetriebene und Ertzkipper und leichtsinnige Schandfunken" bezeichnet, und es fehlt auch nicht an Ausdrücken wie Arschloch und Beschisser.

Die Aufrufe, Warnungen und Drohungen sagten nicht, wer die eigentlichen Urheber und Nutznießer der "leichten" Münzprägung sind, angegriffen wurden meist nur die Handlanger der Fürsten. Man nannte sie gottloses Pack und meinte damit auch umherziehende Juden, denen man allzu gern die durch die Kipperei ausgelöste Inflation in die Schuhe schob und damit die Pogromstimmung anheizte. Der durch zahlreiche Pamphlete angestachelte Volkszorn sah sich bei seinen Aufrufen zur Selbsthilfe auf der sicheren Seite, denn nach den damaligen Strafgesetzen waren Verfälschung, Beschneidung und Nachprägung von Münzen streng verboten. Wer sich erwischen ließ, wurde auf grausame Weise durch Hängen, Köpfen, Vierteilen, Verbrennen und auf andere Weise bestraft. Um ihren Lebensunterhalt und ihre Existenz bangende Menschen griffen in ihrer Verzweiflung zu Äxten und Fackeln, zündeten die illegalen Geldschmieden an und ermordeten deren Personal. Die Tumulte in Brandenburg, Sachsen und anderen Territorien riefen die Staatsmacht auf den Plan, denn die gottgewollte Feudalordnung war in Gefahr. Truppen wurden in Marsch gesetzt, um gewalttätige Protestaktionen im Keim zu ersticken und die Rädelsführer zu bestrafen. In den meisten Fällen aber blieb es bei landesväterlichen Warnungen und ätzenden Streitschriften und Flugblättern.

Ungeachtet strenger Edikte litt Kurbrandenburg unter dem "ausskippen und ander aufwechseln der guten müntzen". Kurfürst Georg Wilhelm bestimmte zwar in einem Edikt vom 16. Oktober 1620: "Ferner verbieten wir auch alles ausführen der unsrigen müntzen, auch alles auskippen und ander aufwechseln der guten müntzen", doch verhallten solche Worte ungehört. Auch die kurfürstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin-Cölln beteiligte sich um 1621 an der Kipperei. Aus kurfürstlichen Verordnungen und Beschwerden der Stadtverwaltung ist zu entnehmen, dass die Ausmaße beträchtlich waren. Münzmeister Liborius Müller verdiente nicht schlecht, doch verliefen Untersuchungen gegen ihn wie das Hornberger Schießen. Erst wurde Müller eine beträchtliche Geldstrafe auferlegt, dann aber begnadigte ihn der Kurfürst vom Vorwurf der Münzfälscherei, ersetzte ihn aber durch einen anderen Münzmeister.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand angesichts der Verlockungen, aus schlechtem Geld weiterhin Profit zu schlagen, auch in Brandenburg die Gefahr einer Wiederholung der Kipper- und Wipperzeit. Da schlechte Münzen in Form von Steuern und Abgaben wieder in den Staatssäckel zurückflossen, schritt die Obrigkeit ein. In einem Edikt vom 10. Oktober 1650 verkündete der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, um dem Mangel an kleiner Münze abzuhelfen, folgendes: "Wir befinden eine unumbgängliche noth zu sein, einige Current- und Landtmüntze pregen und machen zu lassen, damit unsere Unterthanen von einanderkommen und kein tumult unter den gemeinen Mann entstehen möge". Die Reaktion auf die minderwertigen "Usual- oder Landmünzen" ließ nicht lange auf sich warten. Es hagelte Proteste, und dem Herrscher wurde vorgerechnet, dass Doppelgroschen in Wahrheit nur 5 ¼ Pfennig wert sind. Friedrich Wilhelm ließ die Prägung der schlechten und leichten Münzen erst einstellen, als genügend von ihnen im Umlauf war. Währenddessen sann der Landesherr in seiner Sorge über die "Confusion und Unordnung wegen Unserer Landmünz" nach Auswegen und gelangte 1667 in Zinna mit seinem sächsischen Nachbarn, Kurfürst Johann Georg II., und bald auch mit den braunschweigischen Herzögen zu einer Übereinkunft über die Herstellung von Münzen nach einheitlichem Standard, jedoch in unterschiedlicher Gestaltung. 1690 wurde dieser Zinnaer Münzfuß, mit dem ein erster Schritt zur Herstellung der deutschen Münzeinheit gegangen wurde, durch den Leipziger Münzfuß abgelöst.

Dass die Kipperei in Preußen zur Regierungszeit Friedrichs des Großen nicht aus der Welt war, zeigt ein am 16. Januar 1764 von Friedrich II. erlassenes Edikt. Darin stellt der König fest, dass ungeachtet vielfältig ergangener heilsamer Edikte und Verordnungen das höchstschädliche Kippen und Wippen eingerissen sei. Er, der König, habe aufs Neue höchst missfällig wahrgenommen, "wie obgedachtes Kippen und Wippen seit einiger Zeit dergestalt überhand genommen, daß das Gewicht nicht nur von denen Sächsischen und anderen geringhaltigen reducirten Geldern, sondern auch sogar von denen unter Unserm höchsteigenen Stempel ausgeprägten alten und neuen Müntz Sorten so starck differiret, daß von denen Geld-Beuteln, welche bey Unsern Cassen einkommen, fast keiner mehr das gehörige Müntz Gewicht hat, und öfters einige Marck daran manquirten". Der König erkannte, dass in seinem Reich nicht nur geringwertige auswärtige Münzen umlaufen, sondern auch preußische Nominale den Vorschriften nicht entsprechen.

Das Edikt von 1764 enthält eine unmissverständliche Drohung an die Adresse der jüdischen Untertanen des Königs von Preußen fort: "Da Wir nun dergleichen für Unsere Cassen und Unterthanen so nachtheiligen als strafbaren Gewinnsucht und Wucher durchaus nicht weiter nachgesehen wissen wollen: Als verordnen und setzen Wir hierdurch, daß im Falle ein Jude bey dem Kippen und Wippen betroffen oder dessen überführet wird, derselbst nicht allein in schwere Geld-Strafe verfallen und seines Schutz-Privilegii verlustig seyn, sondern auch dem Befinden nach am Leibe und mit Festung-Arbeit bestraffet werden soll." Wird aber ein Christ bei dem Vergehen betroffen, bestimmt Friedrich II. weiter, so soll er die bei ihm gefundene Menge an minderwertigen Münzen um das Zehnfache ersetzen und ins Gefängnis gehen. Ebenso gnädig wie ernstlich wurde der Finanzverwaltung befohlen, auf das Auskippen und Wippen aller Münzsorten ohne Unterschied zu achten, "auch dahin zu sehen, daß die Uebertreter dieses Edicts zu der verordneten Strafe gezogen werden. Wie dem auch die Magisträte und Gerichts-Obrigkeiten in denen kleinen Städten und auf dem platten Lande fleißig acht haben müssen, daß diesem nicht entgegen gehandelt werde". Außerdem erinnert der König Handelsleute und Kontorbeamte, Bedienstete und weitere Personen daran, dass sie nichts verschweigen dürfen, wenn sie bei ihren Herrschaften das Auswippen von Geld beobachten. Wer sein Wissen darüber nicht anzeigt, soll mit Gefängnisstrafe belegt werden, hingegen soll demjenigen, "welcher dergleichen Contravention [Zuwiderhandlung, H. C.] denunciret" den vierten Teil des konfiszierten Quantums bekommen. Solche Drohungen und Lockungen ziehen sich durch zahlreiche preußische und andere Edikte jener Zeit, ganz gleich ob sie sich auf Münzangelegenheiten oder Ordnung und Sauberkeit in den Städten und ähnliche Dinge bezogen. Bemerkenswert ist, dass der König Juden härter bestrafte als Personen christlichen Glaubens, denn er brachte Juden grundsätzlich Misstrauen und hielt sie auch für minderwertiger als Christen.

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